Wussten die USA schon vorher, dass Chinas Sicherheitszar Zhou Yongkang fallen wird?

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Capitol in Washington, DC. Was wissen die Kongressabgeordneten? Was weiß die Regierung über den Machtkampf in China?Foto: Andrew Burton/Getty Images

In China wackelte gestern, am 29. Juli, nicht nur die Wand, da bebte die Erde, als am Abend um 17:59 die Nachricht öffentlich gemacht wurde, dass der fast allmächtig erscheinende „Sicherheitszar“, das ehemalige Politbüro-Mitglied Zhou Yongkang, vor das Disziplinar-Kontroll-Komitee der immer noch allmächtigen Kommunistischen Partei gestellt wird. 

Wenige Stunden zuvor hatte Staats- und Parteichef Xi Jinping vor den etwa 25 Mitgliedern des Politbüros erklärt, dass man auf dem 4. Plenum der KP im Oktober dieses Jahres die Frage behandeln werde, „wie man China mit einem Rechtssystem regieren sollte“.

Wer dieses Rechtssystem in den vergangenen 10 Jahren am gründlichsten ausgehebelt und gebrochen hat, ist eben Zhou Yongkang, der berüchtigte Sicherheitszar, der als Stasi-Chef von 2007 bis 2012  das „Komitee für Politik und Recht“ dirigierte, und dem alles unterstand, von der Polizei bis zu Gerichtshöfen, Gefängnissen und Arbeitslagern – jenseits von jedem Rechtssystem.

Bis jetzt ist Zhou Yongkang der größte „Tiger“ in der Anti-Korruptionskampange, die Chinas neue Führer innerhalb der KP gestartet haben. Die offizielle Erklärung für die Untersuchung gegen Zhou Yongkang ist „schwerer Verstoß gegen Disziplin und Gesetz“. Im Politikerkreis und im Internet in China weiß man, dass Zhou Yongkang nicht nur über 100 Milliarden Yuan in die eigenen Taschen gesteckt hat, sondern dass auch der ehemalige KP-Chef Jiang Zemin ihn bei der größten Menschenrechtsverletzung in China – der  Verfolgung von Falun Gong – aktiv eingesetzt hat. Darüber ist sogar die USA-Regierung bereits gut informiert.

Eine denkwürdige Pressekonferenz in den USA

Nur wenige Stunden zuvor – man beachte die Zeitverschiebung – hatte auf einer Pressekonferenz der Regierung in Washington, DC, am Montag dem 28. Juli, der Staatssekretär Tom Malinowski den Jahresbericht über Religionsfreiheit im Jahr 2013 vorgestellt. Malinowski ist im Außenministerium der USA zuständig für Demokratie und Menschenrechte – weltweit. Er wies darauf hin, dass die Situation der Religionsfreiheit in China mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtet wurde. Was bedeutet, da gibt es besonders viel zu beanstanden.

Er kritisierte die Verfolgung von Falun Gong in China und wies darauf hin, dass die Pekinger Regierung diese Verfolgung der spirituellen Gruppe Falun Gong bis zu einem totalen Verbot durchgeführt habe.

Malinowski forderte die chinesische Regierung außerdem auf, den Menschenrechtswalt Gao Zhisheng am 7. August aus der Haft zu entlassen: „Die chinesische Regierung hat oft die nicht registrierten Gruppen strenger kontrolliert und eingeschränkt und manchmal sogar verboten, wie zum Beispiel Falun Gong. Die chinesische Regierung hat auch den Rechtsanwalt Gao Zhisheng verfolgt, der Falun Gong verteidigt hatte. Wir fordern die chinesische Regierung auf, Gao am 7. August fristgemäß freizulassen, damit er sich mit seiner Familie treffen kann.“

Früher hat die amerikanische Regierung in schriftlichen Dokumenten die Menschenrechtslage von Falun Gong gegenüber China kritisiert, aber sich noch nie in einer offiziellen Pressekonferenz zu dem Thema geäußert.

Wird der Kurs von Xi Jinping von den USA unterstützt?

Chinesische Beobachter schließen aus einigen Aktionen in der letzten Zeit, dass die USA im Hintergrund den Kurs von Staatschef Xi Jinping gegen den immer noch mächtigen ehemaligen Parteichef Jiang Zemin in China unterstützen.

So hat es einen erstaunlichen Rückzug und Abzug der Ölplattform 981 im Südchinesischen Meer vor der Küste von Vietnam gegeben. Sie wurde im Mai dort verankert, Vietnam protestierte lautstark. Die Plattform gehörte zum Ölimperium von Jiang Zemin und Zhou Yongkang. Am 16. Juli wurde sie still und leise wieder entfernt. In der Zwischenzeit hatte es in Peking vom 9. bis 10. Juli einen Strategiedialog mit den USA gegeben, der in dem Vorschlag der USA gipfelte, die Plattform wieder zurückzuziehen. Ein Sieg von Xi über Jiang.    

Das Thema Organraub in China und eine geheime Sitzung im US-Kongress

Die US-Regierung hat in den letzten drei Jahren im Menschenrechtsbericht auch das Thema Organraub an Falun Gong-Praktizierenden behandelt. So im Mai 2012, im April 2013 und im Februar 2014. Man vermutet, dass die Regierung der USA gut informiert ist über dieses Thema, seit Wang Lijun, der ehemalige engste Mitarbeiter von Bo Xilai (der inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde) im Februar 2012 im amerikanischen Konsulat von Chengdu Zuflucht suchte und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit hieb- und stichfeste Berichte über den Organraub und die Verfolgung von Falun Gong abgeliefert hat. Asyl wurde ihm trotzdem nicht gewährt.

Am 26. April 2012 gab es jedenfalls in Washington eine geheime Sitzung mit Abgeordneten beider Kongressparteien. Sie durften weder Assistenten noch andere Mitarbeiter mitbringen. Man vermutet, dass die Geheim-Berichte von Wang Lijun das Thema dieser Sitzung waren. 

Am 4. Oktober 2012 haben 106 amerikanische Kongressabgeordnete einen Brief an die US-Regierung geschrieben, in dem sie aufforderten, dass die Informationen über den systematischen lukrativen Organraub in China öffentlich gemacht werden sollten.

Am 24. Juni 2013 haben beide Parteien im US-Kongress die Resolution 281 eingebracht mit der Aufforderung an die Regierung Chinas, den Organraub an Falun Gong-Praktizierenden und an Dissidenten zu beenden. Die amerikanische Regierung wird aufgefordert, das System der Organtransplantationen in China gründlich zu untersuchen. Wer daran teilgenommen habe, solle nicht mehr in die USA einreisen dürfen. Bisher haben 200 Abgeordnete den Antrag unterschrieben. Die Resolution ist noch nicht verabschiedet worden.

Die Resolution, die im Dezember vom EU-Parlament gegen den Organraub in China einstimmig verabschiedet wurde, hat direkte Auswirkungen auf China gehabt. Die Verhaftung von Li Dongsheng, des nationalen Polizeichefs und zweitmächtigsten Mannes im chinesischen Sicherheitsapparat, wurde auf Dezember 2013 vorgezogen. Sie sollte eigentlich erst 2014 stattfinden. Er war ein enger Vertrauter von Zhou Yongkang und Jiang Zemin.

Was wird mit Zhou Yongkang geschehen? 

Auffallend an der Ankündigung der parteiinternen Untersuchung gegen Zhou Yongkang war, dass er ohne jeden Titel erwähnt wurde, nicht einmal mehr als Kamerad Zhou, was man bei Bo Xilai noch gemacht hatte: Kamerad Bo Xilai. Das lässt schon jetzt erkennen, dass er mit Sicherheit aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen wird.

Parteiintern wird man entscheiden, in welcher Form er der Justiz übergeben wird. Belastendes  Beweismaterial hat man ja längst gesammelt.

Erstaunlicherweise gab es gestern sofort eine Kommentar auf der Webseite der Volkszeitung: „Dass Zhou Yongkang festgenommen wurde, heißt nicht, dass nicht noch mehr „Tiger“ erlegt werden.“

Für Chinesen ist klar, welche weiteren Tiger gemeint sind: Zeng Qinghong, der schon in Tianjin geheim festgehalten wird, er gilt als zweitmächtigster Mann der Jiang-Clique. Zeng war von 2003 bis 2008 Vizepräsident der Volksrepublik China. Er wird als Jiangs „Mann für’s Grobe“ bezeichnet, schnell zur Hand mit einer Verschwörung, um einen politischen Gegner auszuschalten. Der bisher mächtigste Tiger ist Jiang Zemin, dem nun die Fäden aus der Hand genommen werden.

Jiang Zemin startete am 20. Juli 1999 die beispiellose Verfolgung und Unterdrückung der buddhistischen Meditationsform Falun Gong, die in China in den 90er Jahren 100 Millionen Anhänger gefunden hatte. Ein Dorn im Auge des machtbesessenen Kommunisten. Schätzungen zufolge wurden seit Juli 1999 über eine Million Falun Gong-Praktizierende festgenommen, über 500.000 Praktizierende, möglicherweise aber wesentlich mehr, zu häufig jahrelangem Arbeitslager gezwungen, in der Regel ohne ordentliches Gerichtsverfahren. Die Verfolgung in China umfasst alle Lebensbereiche.

Ruhe wird so schnell nicht einkehren. Die lautstark angekündigten Manöver der Land-, Luft- und Seestreitkräfte laufen noch wochenlang. Xi Jinping zeigt damit, wer jetzt Herr im Hause ist.

In Blogs und Internetportalen zieht man schon über Jiang Zemin her und verbreitet, dass sein Vater für die verhassten Japaner gearbeitet habe, und dass er für den russischen Geheimdienst KGB tätig gewesen sei. Und man fragt, ob der Organraub bei dieser Gelegenheit zum öffentlichen Thema gemacht werde.     



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