„Massenmörder!“: Hunderte Chinesen klagen gegen Ex-Staatschef Jiang
In China rollt eine Welle von Anzeigen gegen das Ex-Staatsoberhaupt Jiang Zemin (88). Auslöser ist eine Gesetzesänderung, welche das juristische Vorgehen bei Strafanzeigen neu geregelt hat: Am 1. Mai bestimmte Chinas Höchster Gerichtshof, dass Strafverfahren in Zukunft eröffnet werden, ohne vorher auf politische Brisanz geprüft zu werden.
Bisher war es in China üblich gewesen, dass Gerichte über die Eröffnung eines Verfahrens zunächst intern entschieden. Auf diese Weise konnten vor allem Parteifunktionäre vor Unannehmlichkeiten geschützt werden, weil viele Anzeigen gegen sie einfach ausgesiebt wurden. Staatschef Xi Jinping initiierte die Änderung im Zuge seiner Anti-Korruptionskampagne, der schon viele hohe und niedrige Beamte zum Opfer fielen. Nun muss auf jede Anzeige hin ein Verfahren eröffnet werden, egal wer der Beklagte ist.
Dutzende Anzeigen täglich
Hunderte Falun Gong-Anhänger zeigten daraufhin Ex-Staatschef Jiang Zemin an, der die Verfolgung der buddhistischen Bewegung im Jahr 1999 befohlen hatte. Diese Verfolgung dauert offiziell immer noch an, weshalb eine Anzeige gegen Jiang mit hohem persönlichem Risiko verbunden ist.
Innerhalb eines Monates kamen hunderte Klagen aus ganz China und verschiedensten sozialen Schichten zusammen. Leute aus dem Militär, Bauern, Arbeiter, Akademiker und Kinder hochrangiger Funktionäre – sie alle werfen Jiang „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „Massenmord“ vor.
Genaue Zahlen über die eingereichten Anzeigen gibt es nicht. Die von Falun Gong-Praktizierenden betriebene Minghui-Website erhält jedoch täglich neue Mails, in denen Kläger Fotos ihrer Anzeige schicken. Allein am 1. Juni registrierte Minghui 161 Anzeigen aus 18 Provinzen. Sie stammten von 160 Falun Gong-Anhängern und einem Familienangehörigen. Vom 3. bis 5. Juni ergingen 329 Anzeigen.
Dramatische Schicksale
Alle Betroffenen waren durch die Hölle von Chinas Arbeitslagern und Gefängnissen gegangen, weil sie sich ihre Weltanschauung nicht vom Staat diktieren lassen wollten. Vielen Klägern passierte nach der Anzeige nichts (was eine Sensation ist!) – einige wurden jedoch verhaftet. In der Provinz Gansu beschlagnahmte die Polizei eine Anzeige, bevor sie über den Postschalter ging.
Eine alte Dame aus der Provinz Sichuan verklagte Jiang beim Höchsten Gerichtshof wegen des Todes ihrer Tochter. Die mittlerweile 80-jährige Song Degui wurde zweimal längere Zeit inhaftiert, obwohl sie eine geistig behinderte Tochter hatte, die rund um die Uhr auf sie angewiesen war. Während Song in einem Gehirnwäsche-Zentrum festgehalten wurde, irrte ihre Tochter unbeaufsichtigt umher. Tage später fand man sie tot in einer fremden Wohnung. Die Umstände sind bis heute ungeklärt, vermutlich wurde ihre Tochter ermordet.
Ein Mann aus Chengdu (Sichuan) war Stellvertretender Betriebsleiter einer Firma und verlor durch mehrfache Verhaftung seinen Job. Er verklagt Jiang, weil er wegen der Verfolgung 12 Jahre im Gefängnis verbrachte und dort Zwangsarbeit leisten musste, durch die er bleibende Gesundheitsschäden erlitt. Weil auch seine Frau als Falun Gong-Praktizierende jahrelang eingesperrt war, musste die 8-jährige Tochter des Paares bei ihrer Großmutter wohnen und wurde obdachlos, als diese starb.
Eine Frau aus Qingdao in der Provinz Shandong verklagt Jiang, weil sie mehrfach schwer gefoltert und dabei fast umgebracht wurde. Cai Ying hatte seit 2008 drei Jahre im Frauengefängnis der Provinz Shandong verbracht, wo sie unter anderem mit Eiswasser, Stockschlägen, Schlafentzug und Zwangsernährung gefoltert wurde. Weil sie auch nach ihrer Freilassung von der Polizei gejagt wurde, wanderte sie obdachlos durchs Land. Im Juli 2012 verhaftete man sie in Tibet, um sie gewaltsamer Gehirnwäsche zu unterziehen. Als bei einer Zwangsernährungsfolter Flüssigkeit in ihre Luftröhre drang, überlebte sie nur knapp.
„Jiang aktuell noch durch Immunität geschützt“
Ein ehemaliger Staatsanwalt aus Hefei, der Provinzhauptstadt von Anhui sagte anonym zu EPOCH TIMES: Er begrüßt die Anklagen gegen Jiang im In- und Ausland und findet es „sehr ermutigend“, dass sich die Chinesen jetzt trauen, ihren Ex-Staatschef anzuzeigen. Die Verbrechen von Jiang und seiner Gefolgschaft seien mit dem Massenmord der Nazis vergleichbar und sollten dringend vor Gericht gebracht werden. Er schätzt, dass erst noch die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um Jiang Zemin in China vor Gericht zu bringen.
Aktuell sei der 88-jährige Ex-Staatschef noch durch Immunität geschützt. Die Anklagewelle habe jedoch den Effekt, die Öffentlichkeit wachzurütteln. Auch ihm selbst sei wegen der Verleumdungskampagne die damit einherging, das volle Ausmaß der Verfolgung von Falun Gong lange Zeit nicht bewusst gewesen – und das, obwohl er als Staatsanwalt direkten Einblick hatte.
Apropos Propaganda: Am Montag gab die chinesische Regierung einen Bericht heraus, in dem sie sich große Fortschritte beim Thema Menschenrechte bescheinigte. (Mehr dazu HIER).
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