Karlsruhe verhandelt über deutsche Rolle bei US-Drohneneinsätzen

Ist die Nutzung von Ramstein für US-Drohneneinsätze mit dem Völkerrecht vereinbar? Über diese Frage wird das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheiden. Geklagt hatten zwei Männer aus dem Jemen.
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Am Eingang zur US Airbase in Ramstein.Foto: Daniel Roland/AFP/Getty Images
Epoch Times11. Dezember 2024

Die Rolle Deutschlands bei US-Drohnenangriffen im Jemen beschäftigt am Dienstag das Bundesverfassungsgericht. Bei solchen Einsätzen spielt der Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz eine wichtige Rolle. Zwei Männer aus dem Jemen wandten sich an das Karlsruher Gericht, das nun verhandelt. (Az. 2 BvR 508/21)

Worum geht es in dem Fall?

Zwei Angehörige der Männer wurden beim Angriff einer US-Drohne auf ihren Heimatort im Jahr 2012 getötet. Deutschland trage dafür auch Verantwortung, argumentieren sie. Die Jemeniten sehen ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt.

In dem Prozess werden sie von den Menschenrechtsorganisationen European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und Reprieve unterstützt.

Wie wurde bisher entschieden?

Die erste Klage von damals drei Jemeniten wurde schon 2014 erhoben, zunächst vor dem Verwaltungsgericht Köln. Sie ging dann vor das Oberverwaltungsgericht in Münster und schließlich bis vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dieses entschied im November 2020 gegen die Kläger.

Die Bundesregierung muss demnach nicht genauer überprüfen, ob die Einsätze mit dem Völkerrecht im Einklang stehen. Bisherige Konsultationen seien ausreichend, erklärte das Leipziger Gericht, zumal die USA zugesichert hätten, dass Aktivitäten in US-Militärliegenschaften in Deutschland mit geltendem Recht vereinbar seien.

Das Bundesverwaltungsgericht entschied 2020 auch, dass der deutsche Staat grundsätzlich eine grundrechtliche Schutzpflicht gegenüber Ausländern haben könnte – allerdings unter zwei Voraussetzungen. Erstens müssen Verstöße gegen das Völkerrecht konkret zu erwarten sein. Zweitens muss es einen engen Bezug zum deutschen Staatsgebiet geben.

Bei der Nutzung von Ramstein für Drohneneinsätze sah das Gericht einen solchen engen Bezug nicht. Dass der Datenstrom für die Steuerung der Drohnen von den USA aus nach Ramstein laufe und Daten von dort aus an die Drohnen gefunkt würden, reiche nicht aus. Einige Monate nach dem Urteil in Leipzig reichten zwei der Kläger eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein.

Was wollen sie erreichen?

Sollte das Bundesverfassungsgericht einen Grundrechtsverstoß feststellen, könnte es den Fall zur Neuverhandlung an das Bundesverwaltungsgericht zurückverweisen.

Oder Karlsruhe könnte selbst entscheiden, wie der ECCHR- Völkerrechtsexperte Andreas Schüller erläutert. Schüller ist einer der Verfahrensbevollmächtigten der beiden Jemeniten und hofft, dass das Verfassungsgericht die Sache ähnlich sieht wie das Oberverwaltungsgericht Münster.

Dieses entschied im März 2019, dass die Bundesregierung prüfen müsse, ob die Nutzung von Ramstein für US-Drohneneinsätze mit dem Völkerrecht vereinbar sei. Das Gericht äußerte damals Zweifel daran. Falls notwendig, müsse die Bundesregierung gegenüber den USA auf die Einhaltung des Völkerrechts hinwirken, erklärte es.

„Es hat der Bundesregierung frei gestellt, wie sie das Ziel erreichen kann“, sagt Schüller im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP.

Ob das Verfassungsgericht – selbst bei einem Erfolg der Beschwerdeführer – detaillierte Vorgaben machen wird, bleibt aus seiner Sicht fraglich, „denn zur konkreten Auswahl der Mittel ist zunächst die Bundesregierung selbst berufen – das stellen auch die Beschwerdeführer nicht in Frage.“

Warum wurde ursprünglich Deutschland verklagt?

Es geht nicht um deutsche Drohnenangriffe. Die Drohnen starten auch nicht von Ramstein aus oder werden von dort gesteuert. Signale werden von dort aus aber weitergeleitet.

Deutschland stelle das eigene Staatsgebiet für einen erheblichen Teil des Drohnenangriffsprogramms zur Verfügung, sagt Schüller.

Das größte Datenverteilungszentrum dafür außerhalb der USA sei in Ramstein, es sei der „absolute Knotenpunkt für die Technik, die den Drohnenangriffen zugrunde liegt“. Würde die Nutzung für Drohnen wegfallen oder reduziert, „werden die Kapazitäten stark eingeschränkt“.

In den USA selbst gebe es wenige Möglichkeiten, gegen das Drohnenprogramm zu klagen. Einer der Kläger habe dies versucht, sagt Schüller. Das habe aber keinen Erfolg gehabt.

Was plant das Verfassungsgericht?

Die beiden Antragsteller reisen nicht zur Verhandlung an, sie sind im Jemen. Auch ein Verfassungsrichter wird bei der Verhandlung fehlen: Holger Wöckel wirkte vor seiner Ernennung zum Verfassungsrichter an dem Urteil aus Münster mit. Darum sei er hier von der Ausübung seines Richteramts ausgeschlossen, teilte das Bundesverfassungsgericht mit.

Es will sich seiner Ankündigung zufolge vor allem mit extraterritorialen Schutzpflichten Deutschlands befassen. Ein Urteil soll am Dienstag noch nicht fallen. Meist wird es einige Monate nach der mündlichen Verhandlung verkündet. (afp/red)



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