Verbot von Onlinedienst X: Brasilien in zweifelhafter Gesellschaft

Die brasilianische Justiz hat das Netzwerk X von Elon Musk blockiert. Internetnutzer, die mithilfe einer VPN-Verbindung auf X zugreifen, droht eine Geldstrafe von rund 8.100 Euro – pro Tag.
Titelbild
Ein brasilianischer Nutzer des sozialen Netzwerks X, ehemals Twitter, in Brasilia. Der Oberste Gerichtshof, konkret Richter Alexandre de Moraes, hat den Onlinedienst sperren lassen.Foto: Evaristo Sa/AFP via Getty Images
Epoch Times1. September 2024

Alexandre de Moraes, Richter am Obersten Gerichtshof in Brasilien, verfügte am Freitag die „sofortige, vollständige und umfassende“ Sperrung des Twitter-Nachfolgers in Brasilien.

Hintergrund ist ein monatelanger Streit um die Sperrung von Konten des Online-Dienstes, die dem Richter zufolge vor allem von Anhängern des früheren Präsidenten Jair Bolsonaro benutzt wurden. Für Musk ist Moares deswegen ein „böser Diktator“ und „Pseudo-Richter“, der die Demokratie „für politische Zwecke“ zerstöre.

Moraes: Hardliner gegen soziale Bewegungen

Ähnliche Vorwürfe Musks hatte Moares mit einer klaren Ansage gekontert: „Redefreiheit bedeutet nicht Aggressionsfreiheit. Es bedeutet nicht Freiheit zur Verteidigung von Tyrannei.“ Der Richter war mit seinen Urteilen bereits im Präsidentschaftswahlkampf 2022 gegen die Verbreitung von Falschinformationen in Online-Netzwerken vorgegangen und hatte damit Musks Zorn auf sich gezogen.

Zudem machte sich Moares auch Bolsonaro zum Feind, der den Richter einmal als „Abschaum“ bezeichnete. Das Bolsonaro-Lager habe in Moares seinen „Lieblingsfeind“ gefunden, sagt der Verfassungsexperte Antonio Carlos de Freitas. Gründe dafür gibt es viele. Moares leitete gegen Bolsonaro noch während dessen Amtszeit mehrere Ermittlungsverfahren wegen der Verbreitung von Falschinformationen ein.

Bolsonaro kann wegen einer Entscheidung des von Moares geleiteten Obersten Wahlgerichts bis 2030 nicht mehr für ein politisches Amt kandidieren. Das Gericht urteilte, Bolsonaro habe Machtmissbrauch begangen, weil er vor seiner Wahlniederlage 2022 unbegründete Behauptungen über angebliche Sicherheitsmängel im Wahlsystem des Landes aufgestellt hatte.

Bevor er zur Hassfigur der brasilianischen Rechten wurde, war Moares auch in linken Kreisen gefürchtet. Der Spezialist für Verfassungsrecht war Staatsanwalt in São Paulo, bevor er in dem Bundesstaat das Amt des Staatssekretärs für öffentliche Sicherheit übernahm. Während dieser Zeit machte er sich einen Namen als Hardliner. Linke Aktivisten warfen ihm vor, soziale Bewegungen zu unterdrücken.

Moares hat nach Angaben aus seinem Umfeld auch selbst durchaus politische Ambitionen. Dabei schließe er auch das Präsidentenamt nicht aus, heißt es.

Strafe von 8.100 Euro pro Tag

In Brasilien ist es die Justiz, die X blockiert. Alexandre de Moraes, Richter am Obersten Gerichthof, verweist zu Begründung auf Reaktivierung von Konten, deren Sperrung brasilianische Gerichte angeordnet hatten. Internetnutzer, die mithilfe einer VPN-Verbindung auf X zugreifen, droht eine Geldstrafe von 50.000 Rais (rund 8.100 Euro) pro Tag.

In zahlreichen Ländern wurde X, das sich bei der Verbreitung von Informationen während politischer Proteste bewährt hat, in der Vergangenheit temporär blockiert. So etwa während des sogenannten Arabischen Frühlings in Ägypten 2011, 2014 und 2023 in der Türkei sowie vor und nach der Präsidentschaftswahl in Usbekistan 2021.

Autoritäre Staaten haben X verboten: China, Iran, Turkmenistan, Nordkorea

Twitter, wie X vor der Übernahme durch US-Milliardär Elon Musk im Juli 2023 hieß, war nur wenig bekannt, als China es im Juni 2009 verbieten ließ. Das Verbot kam zwei Tage vor dem 20. Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Tiananmen-Proteste.

Eine große Protestwelle nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Juni 2009 führte im Iran zu einem Twitter-Verbot, das bis heute besteht. Die Plattform hat trotzdem dazu beigetragen, die Protestbewegungen des Landes, wie etwas die Frauenrechtsproteste Ende 2022, über die Landesgrenzen hinaus ins Ausland zu tragen.

Das außenpolitisch weitgehend isolierte zentralasiatische Land Turkmenistan begann Anfang 2010 damit, Twitter zu blockieren – zusammen mit einigen anderen Onlinediensten. Heute wird der Zugang zum Internet ausschließlich vom staatlichen Unternehmen TurkmenTelecom bereitgestellt und von den Behörden überwacht.

Im Jahr 2010 eröffnete Nordkorea ein eigenes Twitter-Konto, um interessierten Ausländern entgegenzukommen. Sechs Jahre später wurde die App jedoch zusammen mit Onlinediensten wie Facebook und Youtube sowie Websites für Wetten und Pornographie verboten. Der Zugang zum Internet ist, abgesehen von einigen Regierungsseiten, sehr streng überwacht und wenigen Funktionären vorbehalten.

Myanmar, Russland, Pakistan, Venezuela

Seit Februar 2021 kann in Myanmar nicht mehr auf Twitter zugegriffen werden. Der Zugriff wurde im Zuge des Militärputsches zum Sturz der Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi verboten. Seitdem kontrolliert die Junta den Internetzugang im Land mit harter Hand.

Moskau schränkte den Zugang zu Twitter ab 2021 durch Verlangsamung des Dienstes ein und beklagte die Verbreitung von „illegalen Inhalten“. Kurz nach Beginn des Ukrainekrieges wurde der Zugang im März 2022 dann vollständig blockiert. Viele Russen nutzen X jedoch weiterhin über VPN-Dienste, mit denen das Verbot umgangen werden kann.

In Pakistan ist X seit den Parlamentswahlen im Februar 2024 verboten. Die pakistanische Regierung, unterstützt von der Armee, führt dafür Sicherheitsgründe an. Auf X waren Betrugsvorwürfe verbreitet worden, wonach die Partei von Ex-Premierminister Imran Khan benachteiligt worden sei.

 

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro wurde im Juli in einer hochumstrittenen Wahl im Amt bestätigt. Am 9. August ordnete er angesichts von Massendemonstrationen im ganzen Land eine Sperre von X für zunächst zehn Tage an. Obwohl die Frist inzwischen abgelaufen ist, dauert das Verbot an. (afp/red)



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