Ansiedlung von Chip-Herstellern: Eine teuer erkaufte Chance

Nicht nur mit Intel in Magdeburg, auch mit TSMC in Dresden bauen Halbleiterhersteller ihre Fabriken in Ostdeutschland. Die Bundesregierung hat beide bezuschusst.
Der Hauptsitz von Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) in Hsinchu.
Der Hauptsitz von Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) in Hsinchu.Foto: Chiang Ying-Ying/AP/dpa
Epoch Times19. August 2024

Die Bundesregierung und die EU wollen Europa bei der Herstellung von Mikrochips unabhängiger machen und fördern die Ansiedlung von Herstellern mit Milliarden. Am Dienstag wird in Dresden der Spatenstich für ein Werk des taiwanischen Branchenriesen TSMC gefeiert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich höchstpersönlich angemeldet. Auch ein neues Werk von Intel in Magdeburg soll mit Milliarden gefördert werden. Volkswirte sehen dies kritisch.

Milliardeninvestitionen und -subventionen

TSMC ist der weltgrößte Hersteller von Halbleitern und fertigt bislang vor allem in seiner Heimat Taiwan sowie in China. In Dresden will der Konzern in Zusammenarbeit mit Infineon und Bosch aus Deutschland und NPX aus den Niederlanden für mehr als zehn Milliarden Euro ein neues Werk bauen, das 2.000 Arbeitsplätze schaffen soll. Die Bundesregierung übernimmt davon Medienberichten zufolge fünf Milliarden Euro.

In Magdeburg plant der US-Hersteller Intel einen riesigen Produktionskomplex. Laut Bundeswirtschaftsministerium geht es um ein Investitionsvolumen von 17 Milliarden Euro. Berlin hat grundsätzlich Unterstützung zugesagt, der genaue Umfang steht noch nicht fest und müsste auch noch von der EU genehmigt werden. Intel hat den Subventionsbedarf auf zehn Milliarden Euro beziffert.

Standortvorteil Ostdeutschland

Dresden besticht vor allem durch bereits bestehende Strukturen bei der Herstellung von Halbleitern. Branchengrößen wie das US-Unternehmen Globalfoundries und der bayerische Hersteller Infineon produzieren dort seit Jahren, 2021 eröffnete der Industriekonzern Bosch ebenfalls ein Halbleiterwerk.

„Dresden ist auch bereits bekannt für Kooperationen der Unternehmen mit örtlichen Hochschulen und Universitäten“, sagt Natalia Stolyarchuk vom Digitalverband Bitkom.

Für Magdeburg spricht vor allem die Geografie: Für die dort geplante Chip-Fabrik braucht Intel große, ebene Flächen, viel Energie und Wasser – „die Voraussetzungen gibt es etwa in Baden-Württemberg nicht“, sagt Reint Gropp, Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).

Subventionswettlauf

Die über Subventionen forcierte Ansiedlung der Unternehmen sieht Gropp kritisch. Deutschland hätte sich nicht auf einen Subventionswettlauf mit den USA einlassen sollen, sagt er. „Ganz im Gegenteil: Wenn die USA so stark subventionieren, sollten wir es vielleicht lieber sein lassen. Denn dann gibt es billige Chips, die wir kaufen können.“

Joachim Ragnitz vom ifo Institut in Dresden verweist vor allem auf die EU: „Brüssel hat das politische Ziel gesetzt, den Marktanteil der EU-Produktion zu verdoppeln.“ Die Unternehmen würden dann natürlich versuchen, das meiste für sich herauszuholen, sagt der Wirtschaftswissenschaftler – und die Bundesregierung habe sich darauf eingelassen, kritisiert auch er.

Besonders im Fall von Intel in Magdeburg spiele die Bundesregierung „Lotto mit Steuergeldern“, sagt Gropp. Das Vorhaben in Dresden, wo in Zusammenarbeit mit örtlichen Unternehmen hierzulande benötigte Chips produziert werden sollen, könne er eher nachvollziehen. „Aber Intel produziert Chips für iPhones und Computer für den Export.“ Ob dadurch langfristig in Deutschland Wertschöpfungsgewinne entstehen, sei fraglich.

Stolyarchuk vom Bitkom ist optimistischer: „Auch wenn es heute in Deutschland noch keine Abnehmer gibt, die Chips mit kleinsten Strukturgrößen in ihren Anwendungen einsetzen, heißt das nicht, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird.“ Es gehe auch darum, den Anschluss nicht zu verlieren.

Lieferketten sichern

Hintergrund der EU-Bestrebungen beim Ausbau der eigenen Halbleiterindustrie sind die Lieferprobleme während der Corona-Pandemie. Besonders in China standen die Fabriken still, was zu weltweiten Knappheiten führte. Auch mit Blick auf eine mögliche militärische Eskalation des China-Taiwan-Konflikts sind westliche Staaten bemüht, eigene Produktionskapazitäten aufzubauen.

Er könne die Herangehensweise Berlins und Brüssels verstehen, sagt Ragnitz. „Aber man könnte auch die Verbindungen zu anderen Produktionsstandorten verbessern, statt mit viel Geld selbst welche anzusiedeln.“ Die Lieferkettenprobleme würden zudem hauptsächlich verlagert: „Viele der benötigten Rohstoffe kommen weiterhin aus China.“

Das Fachkräfteproblem

Für IWH-Präsident Gropp ist klar: „Es fehlen die Arbeitskräfte – und wir reden hier von sehr großen Zahlen.“ Die Zeiten hoher Arbeitslosigkeit im Osten seien vorbei, „heute ist genau das Gegenteil das Problem“. Die subventionierte Ansiedlung großer Unternehmen könnte den Fachkräftemangel für örtliche Unternehmen noch verschärfen.

Die Digitalindustrie dagegen sieht auch Chancen: „Die Branche erhofft sich mehr Fachkräfte durch eine steigende Attraktivität des Standorts und des Fachgebiets“, sagt Stolyarchuk. Auch für den Bitkom sei aber klar: „Es braucht definitiv qualifizierte Zuwanderung und eine Unterstützung von entsprechenden Studiengängen an den Hochschulen.“

Spatenstich in Dresden – Magdeburg wackelt

Bei TSMC in Dresden gehen – zumindest symbolisch – am Dienstag die Bauarbeiten los. An dem Vorhaben von Intel in Magdeburg sind die Zweifel dagegen wieder gewachsen. Der US-Hersteller hatte Anfang August angekündigt, er wolle weltweit 15 Prozent seiner Stellen streichen. Dazu, ob sich dies auf die Investitionspläne in Sachsen-Anhalt auswirken werde, äußerte sich das Unternehmen nicht. (afp/red)



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