Zu viele tote Wölfe: Die Hälfte der Tiere wird nicht mehr untersucht
Die Zahl der tot aufgefundenen Wölfe ist mittlerweile so groß, dass nur noch jedes zweite Tier umfassend untersucht werden kann.
Bis Anfang Mai sei jeder Totfund im Computertomografen und auf dem Seziertisch gelandet, erklärt das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in Berlin. Jetzt sei das angesichts von mehr als Hundert toten Wölfen pro Jahr nicht mehr zu schaffen.
Kürzlich wurde in dem Institut der 1000. tote Wolf untersucht. Etwa drei Viertel dieser Wölfe seien durch Verkehrsunfälle gestorben. Jedes zehnte Tier sei illegal geschossen worden, obwohl Wölfe als streng geschützte Art in Deutschland nicht bejagt werden dürfen. Seit 1990 wurden 17 Wölfe legal getötet.
Das 1000. untersuchte Tier: eine Wölfin
Das 1000. Tier war eine Wölfin, die mit sechs Welpen trächtig war, diese starb an einem Verkehrsunfall. Das stehe sinnbildlich auch für die erfolgreiche Fortpflanzung der Tiere, erklärte Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-IZW. Seit fast einem Vierteljahrhundert gibt es in Deutschland wieder Wolfswelpen.
Beim jüngsten Wolfsmonitoring wurden offiziell mehr als 1.339 Wölfe in Deutschland nachgewiesen, verteilt über fast alle Bundesländer, mit Schwerpunkten in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Die Dunkelziffer dürfte höher sein. Auch die Totfunde stammen aus den verschiedensten Teilen Deutschlands.
Marie Neuwald, Referentin Wolf beim Naturschutzbund Nabu, merkt an, dass der Straßenverkehr zwar eine Gefahr darstelle, aber den Wolfsbestand nicht massiv einschränke.
Weitere Todesursachen
Auch gebe es durchaus noch andere Todesursachen, die aber im Totfund-Monitoring nicht so häufig auftauchten. „Die Wölfe, die an anderen Ursachen sterben wie Krankheiten und Auseinandersetzungen mit anderen Wölfen, werden eher nicht gefunden, denn sie legen sich nicht auf einen Waldweg, um zu sterben.“
Einige Wölfe, das zeigt sich im Leibniz-IZW, sterben auch durch Magen-Darm-Risse, etwa durch spitze Knochen in der Nahrung. Manchmal wurden ihnen auch Verletzungen von potenziellen Beutetieren zugefügt, etwa von Wildschweinen. „Wölfe haben hierzulande zwar keine natürlichen Feinde“, erklärt Neuwald, „aber es gibt kein unkontrolliertes Wachstum des Bestandes, die Wölfe sind trotzdem Risiken und Gefahren ausgesetzt.“
Hauptnahrung: Rehe und Wildschweine
Analysen des Senckenberg Museums für Naturkunde Görlitz (SMNG) haben ergeben, dass die Wölfe sich überwiegend von Rehen, Wildschweinen, Rothirschen und Damhirschen ernähren. Das macht 90 Prozent ihrer Nahrung aus. Im Magen der toten, trächtigen Wölfin wurde hingegen eine Nutria gefunden, also ein aus Südamerika stammendes Nagetier. Dies zeige, dass die Wölfe hinsichtlich ihrer Nahrung eine gewisse Flexibilität aufweisen, meint Hofer.
Immer wieder reißen Wölfe auch Schafe oder Ziegen. Diese Weidetiere machten aber nur 1,6 Prozent der Nahrung aus, sagt Hofer. „Im Beutespektrum des Wolfes ist das fast vernachlässigbar, aber für die Weidehalter ist es überhaupt nicht vernachlässigbar.“ Die Schafbesitzer müssten ernst genommen werden. „Wir müssen ihnen großzügig die Möglichkeit geben, ihre Tiere zu schützen, etwa mit Zäunen, und sie großzügig entschädigen, schnell und unbürokratisch. Das ist eine wichtige Sache.“
Vorsätzlicher Abschuss illegal
Derzeit ist das absichtliche Stören, Fangen oder Töten von Wölfen verboten. Veterinärpathologin Szentiks sagt: „Tatsächlich finden wir sogar in 13,5 Prozent aller untersuchten Wölfe Hinweise auf eine Straftat wie zum Beispiel den illegalen Beschuss, wobei die Tiere nicht immer daran sterben.“
Viel geringer ist die Zahl der legal getöteten Wölfe, etwa weil sie sich Menschen gegenüber auffällig verhalten. „Insgesamt 17 Wölfe wurden im Rahmen von Managementmaßnahmen der Bundesländer entnommen“, heißt es vom Bundesamt für Naturschutz in Bezug auf die gesamte Zeit seit 1990.
Der vorsätzliche Abschuss eines Wolfes ist in Deutschland eine Straftat und wird mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet. Finden die Tierpathologen bei der Untersuchung im Computertomographen etwas, geben sie die Bilder und Kugelteile an die Staatsanwaltschaft weiter. Eine Verurteilung habe es seines Wissens daraufhin aber noch nicht gegeben, erklärt Hofer. „Es gibt in Deutschland auch nur wenige Schwerpunkt-Ermittlungseinheiten gegen Umweltkriminalität.“
Auch für den versehentlichen Abschuss eines Wolfs sind in Deutschland Strafen vorgesehen. Nabu-Referentin Neuwald fordert, dass die Behörden den Artenschutz ernster nehmen – dann könne man auch zu Ermittlungserfolgen kommen. (dpa/red)
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