Mit Deutschland ist weniger gut Kirschen essen

Kirschen werden unpopulärer, jedenfalls sank zuletzt erneut der Pro-Kopf-Verbrauch. Sind Kirschen einfach zu kompliziert und deshalb out? Eine Spurensuche im Land der Schwarzwälder Kirschtorte.
Kirschen der Sorte Regina hängen an einem Baum - ist dieses heimische Obst vielen wegen des Kerns zu kompliziert geworden? (Archivfoto)
Kirschen der Sorte Regina hängen an einem Baum - ist dieses heimische Obst vielen wegen des Kerns zu kompliziert geworden?Foto: Daniel Karmann/dpa
Epoch Times15. Juli 2024

Wenn man mit jemandem nicht gut auskommt, kann man das mit den Worten ausdrücken: „Mit dem ist nicht gut Kirschen essen“. Neue Zahlen scheinen zu belegen, dass heutzutage mit den Deutschen nicht mehr gut Kirschen essen ist. Weniger blumig gesagt: dass die Menschen in Deutschland weniger Kirschen verzehren als früher.

Was ist los im Land, in dem Schwarzwälder Kirschtorte, Donauwelle, Waffeln mit heißen Kirschen oder auch Mon-Chéri-Pralinen zum Kulturgut zu gehören schienen?

Zuletzt konsumierten die Menschen in Deutschland das vierte Jahr in Folge weniger frische und verarbeitete Kirschen, wie Ende Juni die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) mitteilte. Der Pro-Kopf-Verbrauch lag laut aktuellsten Zahlen bei 1,7 Kilogramm (Wirtschaftsjahr April 2022 bis März ’23). Das ist ein halbes Kilo unter dem Jahr davor und sogar ein ganzes Kilogramm unter dem Wert vor fünf Jahren.

In den Zahlen enthalten sind laut BLE Konserven, Gefrierobst und Säfte. Gründe für den Rückgang könnten laut der Behörde in Bonn neben Extremwetterereignissen auch höhere Verkaufspreise sein. Gestellt werden könnte auch die Frage: Sind Kirschen einfach out?

Cherries scheinen weniger angesagt zu sein

„Kirschen sind für viele Verbraucher wahrscheinlich zu altmodisch und zu kompliziert“, sagt der Ernährungspsychologe Thomas Ellrott von der Universität Göttingen. „Altmodisch, weil es seit KiBa fast keine hippen neuen Rezepte mit Kirschen gibt und weil inzwischen viele neue Obst-Alternativen im Handel mit Kirschen konkurrieren“, erläutert der Leiter des Instituts für Ernährungspsychologie an der Georg-August-Universität.

„KiBa“ (auch BaKi genannt) meint einen marmoriert geschichteten Kirsch-Banane-Saft (genauer gesagt: meist ein Mix aus Fruchtnektaren). Er war in den 90er Jahren recht populär.

„Zu kompliziert ist die Kirsche, weil jede einzelne einen Kern hat“, sagt Ellrott. „Wer mal Kirschkonfitüre selbst gekocht hat, weiß, wie mühsam das vorherige Entsteinen ist. Ein echter Nachteil für dieses tolle und geschmackvolle heimische Obst.“

Bei den beliebtesten Obstsorten Deutschlands sind Kirschen schon lange etwas abgeschlagen. Ganz vorn liegt mit Abstand und 20 Kilogramm Verbrauch pro Kopf der Apfel. Allerdings gab es bei Äpfeln in den letzten fünf Jahren ein Minus von mehr als 5 Kilo.

Es folgen Bananen (11 Kilogramm), Tafeltrauben (5,1 kg), Erdbeeren (3,9 kg) und Pfirsiche (2,7 kg), wobei der Pfirsich erst im letzten Jahrzehnt hinter die Erdbeere gefallen ist. Recht stabil ist der Pro-Kopf-Verbrauch (wenn auch auf unterschiedlichem Niveau) bei Obst wie Birnen, Pflaumen, Aprikosen, Himbeeren, Johannisbeeren, Brombeeren sowie Heidelbeeren.

Sind Blaubeeren die neuen Kirschen?

Für Henryk Flachowsky, Leiter des Instituts für Züchtungsforschung an Obst des Julius-Kühn-Instituts (JKI) in Dresden, ist der Hauptfaktor für den rückläufigen Verbrauch bei Kirschen der Preis.

„Ich glaube, dass den Konsumentinnen und Konsumenten Kirschen gerade einfach zu teuer sind.“ Der Preis sei empfindlich höher, was unter anderem an höheren Lohn- und Energiekosten, aber auch an Frost zur Blütezeit und teurer Importware gelegen habe.

Wenn der Preis niedriger wäre, gäbe es mehr Nachfrage, ist sich Professor Flachowsky sicher. „Beim Frischobst, der Tafelware, da liegt es am Preis und die Leute beginnen zu vergleichen „Was krieg ich denn alternativ dafür?“. Und da kommt oft Beerenobst ins Spiel.“ Das sei im Gegensatz zu früher nun auch ganzjährig verfügbar.

„Beerenobstsorten haben an Beliebtheit gewonnen, vor allem Blaubeeren“, sagt Prof. Flachowsky. Außerdem sei etwa die Qualität ausländischer Erdbeeren, die rund ums Jahr angeboten werden, gestiegen. „Die schmecken heute besser. Früher gab es so Erdbeeren, die waren groß und hart und haben nach Wasser geschmeckt.“

Schwarzwälder Kirschtorte nicht mehr das Nonplusultra

Und was meint der Tiefkühlbackwaren-Marktführer „Conditorei Coppenrath & Wiese“ mit dem Klassiker Schwarzwälder Kirsch zur Kirsche allgemein? Marketing-Bereichsleiterin Dorothee Reiering-Böggemann sagt: „Wir können keine Abkehr von der Kirsche feststellen, im Gegenteil, unsere Mengen sind über die letzten 25 Jahre durchweg stabil.“

Allerdings verteilten sich Kirschen heute auf unterschiedliche Torten, Kuchen, Sahnerollen und Cheesecakes. Früher habe Schwarzwälder Kirschtorte ein Alleinstellungsmerkmal gehabt, heute sei etwa auch „Sahne Stracciatella Kirsch“ recht beliebt. Die Variante komme ohne Kirschwasser aus und eigne sich damit für die ganze Familie.

Zurück zum Anfang: Die Redewendung „Mit der (oder dem) ist nicht gut Kirschen essen“ geht wohl aufs Mittelalter zurück, als Kirschen eher selten und entsprechend teuer waren.

Der Duden erklärt die Redewendung als Warnung vor zu vertraulichem Umgang mit Mächtigen: „Mit hohen Herren ist nicht gut Kirschen essen, sie spucken (werfen) einem die Kerne (Stiele) ins Gesicht.“ Sprich: Wenn sich Gutbetuchte trafen und gemeinsam die süßen Früchte naschten, wurden unpassende Gäste schlecht behandelt. (dpa/red)



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