Neue britische Regierung mit engem finanziellen Spielraum bei geplanten Reformen

Angela Rayner wurde zur Vize-Premierministerin ernannt. Zudem steht die neue Regierung vor vielen finanziellen Herausforderungen. Ein kurzer Überblick.
Die politische Landschaft Großbritannien erlebt einen Umbruch. (Archivbild)
Die politische Landschaft Großbritannien erlebt einen Umbruch. (Archivbild)Foto: Sina Schuldt/dpa
Epoch Times5. Juli 2024

Der neue Premierminister Keir Starmer hat seine Stellvertreterin ernannt: Angela Rayner wird als Vize-Premierministerin im Kabinett für die Themen Wohnungsbau und Angleichung der Lebensverhältnisse in den Regionen zuständig sein, wie Downing Street mitteilte.

Nach seinem Wahlsieg hat Labour-Chef Keir Starmer den Briten einen sofortigen „Wandel“ angekündigt. Er will die lahmende Wirtschaft wieder ankurbeln und in Bildung und in das marode Gesundheitssystem investieren.

Doch angesichts der angespannten Finanzlage Großbritanniens hat der neue Premierminister nur wenig Spielraum. Denn der Brexit, die Corona-Pandemie und die Auswirkungen Ukraine-Krieges haben die Wirtschaft schwer belastet.

Hohe Steuerlast

Eine der größten Herausforderungen für die neue Regierung in London, die bei der Parlamentswahl vom Donnerstag eine komfortable absolute Mehrheit erhielt, ist die enorme Staatsverschuldung, die seit Monaten bei knapp 100 Prozent der Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt.

Eine solche Situation hat es in Großbritannien seit den 1960er-Jahren nicht mehr gegeben. Die Steuerlast ist entsprechend historisch hoch.

Die neue Finanzministerin der sozialdemokratischen Labour-Regierung, Rachel Reeves, hat „eiserne Disziplin“ bei den Staatsfinanzen versprochen und moderate Steuererhöhungen angekündigt, die allerdings nicht auf Arbeitnehmer oder die Körperschaftssteuer abzielen sollen.

Neue Finanzministerin: Großbritannien als sicherer Hafen für Investoren

„Ich möchte, dass Investoren Großbritannien als einen sicheren Hafen in einer turbulenten Welt betrachten“, betonte die 45-Jährige, die früher bei der Bank of England als Ökonomin arbeitete und die sich betont unternehmerfreundlich gibt.

Ökonomen warnen jedoch davor, dass die Partei die Steuern stärker als angekündigt erhöhen oder die Haushaltsregeln lockern muss, um die öffentlichen Dienstleistungen finanzieren zu können.

Die Versprechen von Labour stufen Experten als eher bescheiden ein: Für die Jahre bis 2028/29 kündigte die Partei jährliche Ausgaben in Höhe von 9,5 Milliarden Pfund (umgerechnet 11,2 Milliarden Euro) und Steuererhöhungen in Höhe von 8,6 Milliarden Pfund an.

Angesichts eines britischen BIP, das 2023 fast 2,7 Billionen Pfund betrug, sei dies ein Tropfen auf den heißen Stein.

Nicht nur der Gesundheitsbereich benötigt Investitionen

Zu den von Labour bereits angekündigten Ausgaben für Bereiche wie Gesundheit und Bildung kommt auch eine Art Renationalisierung insbesondere im Energiebereich hinzu. Geplant ist auch die Gründung einer öffentlichen Gesellschaft für Investitionen in saubere Energien.

Dazu kommt eine geplante Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 2,5 Prozent des BIP – wenn die wirtschaftlichen Bedingungen dies zulassen. Im zu schwach ausgestatteten Gesundheitsbereich NHS, der für viele Briten ein wichtiger Grund war, die Konservativen abzuwählen, will Labour Tausende Mitarbeiter zusätzlich einstellen und die endlosen Wartelisten für Patienten deutlich reduzieren.

Nach Ansicht von Experten werden die Steuern zur Finanzierung der staatlichen Aufgaben daher steigen müssen. „Die Verschuldung kann nur bis zu einem gewissen Grad erhöht werden“, sagte Daniel Sopher, Seniorpartner bei den Steuerspezialisten Sopher + Co, der Nachrichtenagentur AFP.

Allerdings könnte die Parteiführung auch aus den Reihen der eigenen Mitglieder den Druck verspüren, die Haushaltsregeln zu lockern. Laut dem Ökonom Jonathan Portes vom King’s College London wäre das jedoch eher unbedenklich. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand auf den Märkten durch eine weitere Änderung der Haushaltsregeln nervös wird“, sagte er. Die konservativen Tories hätten die Regeln für den Haushalt bereits mehrfach angepasst. „Die Frage ist nur, wie sie sich ändern werden und ob sie auf eine vernünftige Weise geändert werden.“

Unternehmen unterstützten Labour-Partei

Vor der Wahl hatte Labour zunehmend die Unterstützung von Unternehmen gewinnen können. Auch Medien wie die „Financial Times“ sprachen der Partei die Fähigkeit zu, die britische Wirtschaft erfolgreich führen zu können.

Nach dem Erdrutschsieg von Labour forderten wichtige Wirtschaftsvertreter Starmer nun auf, dem Wachstum im Land Vorrang einzuräumen. Der britische Industrieverband Confederation of British Industry erklärte, dass „jetzt der Zeitpunkt gekommen sei, um sich für das Wachstum einzusetzen“, während die Herstellerorganisation MakeUK betonte, dass die neue Regierung die „Investitionen in unsere Infrastruktur“ ankurbeln müsse.

Die City of London Corporation, die lokale Behörde für den Finanzdistrikt der Hauptstadt, forderte den designierten Premierminister auf, den Finanzsektor „an die Spitze von Labours Plänen zur Förderung des Wachstums“ zu stellen.

Allgemein hat sich die britische Wirtschaft in den vergangenen Monaten etwas erholt. Die Inflation sank im Mai auf zwei Prozent nach über elf Prozent Ende 2022. Die Arbeitslosenquote befindet sich auf einem niedrigen Niveau, stieg allerdings im April leicht auf 4,4 Prozent an. (afp)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion