Deutschland will Umlage für Gastransit abschaffen
Deutschland will die in Europa umstrittene Gasspeicherumlage an den Grenzübergangspunkten mit den Nachbarländern abschaffen. Darauf habe die Bundesregierung sich verständigt, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold in Brüssel bei einem Treffen der EU-Energieminister.
Dies werde die Kosten für den Gastransit durch Deutschland erheblich senken und die gemeinsamen Bemühungen unterstützen, auch Nachbarländern eine Abkehr vom russischen Gas zu ermöglichen. Für Verbraucher in Deutschland könnte der Schritt Mehrbelastungen zur Folge haben.
Gasspeicherumlage als Kriseninstrument eingeführt
Die Umlage wurde im Herbst 2022 infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine und der daraus folgenden Energiekrise eingeführt und ersetzt der Firma Trading Hub Europe, die für die deutsche Gasmarkt-Organisation zuständig ist, Kosten zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit, etwa für den Gaseinkauf. Die Umlage betrifft nicht nur Unternehmen und Verbraucher in Deutschland, sondern auch Importeure in Nachbarländern, die Gas über deutsche Pipelines beziehen. Da für die Abschaffung eine gesetzliche Änderung nötig wird, ist der frühestmögliche Zeitpunkt den Angaben zufolge der Jahresbeginn 2025.
Es sei niemals die Absicht gewesen, mit der Umlage die Integration der Märkte in Europa zu behindern oder gar die Unabhängigkeit von Russland zu stören, sagte Giegold. „Es ist geradezu umgekehrt. Mit dieser Umlage wurde die Befüllung der Gasspeicher finanziert, die uns geholfen hat, unabhängiger und stabiler den Markt in Europa zu halten.“
Genaue Folgen für Verbraucher vorerst offen
Zuletzt wurde die Erhebung bis April 2027 verlängert. Ab Juli soll die Umlage von derzeit 1,86 Euro auf 2,50 Euro pro Megawattstunde steigen. Berechnungen des Vergleichsportals Verivox zufolge bezahlt ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh ab Juli 2024 rund 60 Euro brutto pro Jahr für die Gasspeicherumlage. Der Anteil der Gasspeicherumlage an der gesamten Gasrechnung betrage dann rund 2 Prozent.
Der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, kritisierte die Entscheidung als vorschnell. Bevor Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gegenüber Nachbarländern einseitige Versprechungen zulasten der deutschen Gaskunden mache, müssten alle Möglichkeiten einer fairen Lastenverteilung zwischen den deutschen und ausländischen Gaskunden ausgelotet werden, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Es muss sichergestellt werden, dass Nutzer deutscher Gasspeicher aus dem Ausland angemessen an der Speicherumlage beteiligt werden. Diese Kosten dürfen nicht auf die deutschen Gaskunden umgelegt werden.“
Staatssekretär Giegold sagte: „Die Kosten werden gemäß der bisherigen Gesetzgebung natürlich verteilt werden müssen, aber das ist dann auch Gegenstand des Gesetzgebungsprozesses.“. Es sei davon auszugehen, dass die Umlage – anders als beim Export im Inland – weiter erhoben werde: „Das öffentliche Gut ist ja weiter zu finanzieren.“ Die zuständige Trading Hub Europe kalkuliert die neue Umlagehöhe laut Wirtschaftsministerium zum Ende des Jahres auf Basis aktueller beziehungsweise zu erwartender Gasverbräuche.
Trading Hub Europe (THE) teilte mit, das Unternehmen habe die politischen Überlegungen zur Gasspeicherumlage vernommen. Falls es zu einer Änderung im Gesetz komme, würde THE die Umlage zum 1. Januar 2025 auf Basis der inländischen Verbrauchsmengen neu berechnen. „Jedoch haben wir in unseren Prognosen für die nächsten Gasspeicherumlageperioden nur noch geringe Volumina an Grenzübergangspunkten angenommen, sodass die Auswirkungen vermutlich gering ausfallen werden.“
In Europa sehr umstritten
Die deutsche Gasspeicherumlage ist in der EU umstritten, insbesondere bei mittel- und osteuropäischen Ländern. Die durch die Umlage erhöhten Transitkosten träfen die Regionen unverhältnismäßig stark und erschwerten den Zugang der EU-Mitgliedstaaten dieser Regionen zu Gasimporten aus Westeuropa, monieren sie. Infolgedessen könnten einige Länder gezwungen sein, sich stärker auf Gasimporte aus Russland zu verlassen. Das könnte ihre geopolitischen Abhängigkeiten erhöhen und die Bemühungen um eine Diversifizierung der Energiequellen untergraben.
Auch EU-Energiekommissarin Kadri Simson hatte darauf hingewiesen, dass solche Maßnahmen von Einzelstaaten die breitere Streuung von europäischen Gasimporten gefährden könnten. Sie hat nach eigenen Angaben mehrere Briefe nach Berlin geschickt.
Österreichs Energieministerin Leonore Gewessler sprach am Donnerstag in Brüssel von „guten Nachrichten“. Man sehe, dass Gasflüsse von Deutschland nach Österreich – also Alternativen zu russischem Gas – mit Erhöhung der Abgabe drastisch zurückgegangen seien. „Das heißt, das ist ein Faktor, der Österreich die Diversifizierung erschwert.“ Man habe sich daher intensiv in vielen Gesprächen um eine Lösung bemüht. „Ich freue mich, dass die vielen Gespräche und auch der Druck aus den Nachbarländern geholfen haben und die deutsche Regierung das jetzt angeht“, sagte die Grünen-Politikerin.
Österreich hatte zuletzt zusammen mit Delegation aus Ungarn, Tschechien und der Slowakei in einem zu dem Energieministertreffen eingebrachten Tagesordnungspunkt ernsthafte Bedenken geäußert. (dpa)
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