Europawahl: 35 Parteien am Start – erstmals Stimmabgabe ab 16 Jahren
Bei der Europawahl am 9. Juni treten in Deutschland 35 Parteien und sonstige Gruppierungen an. Neben den im Bundestag vertretenen Parteien können sich auch viele kleinere Vereinigungen Hoffnung auf einen Einzug in das Europaparlament machen. Ein Überblick:
Wann wird gewählt?
Die Europawahl findet alle fünf Jahre statt. Gewählt wird über vier Tage – in Deutschland wie in den meisten anderen EU-Ländern am Sonntag, den 9. Juni. Als erste geben am Donnerstag zuvor bereits die Bürger in den Niederlanden ihre Stimme ab, am Freitag folgten Irland und Tschechien, am Samstag dann weiter Tschechien sowie Lettland, die Slowakei, Malta und die französischen Überseegebiete.
96 garantierte Sitze für Deutschland
Das Europaparlament hat seit dem EU-Austritt Großbritanniens 705 Abgeordnete. Nach den Wahlen im Juni soll das Parlament auf 720 Sitze wachsen. Gewählt wird über nationale Listen.
Die Zahl der Sitze im EU-Parlament ist für jedes Land festgelegt. Wegen der höchsten Bevölkerungszahl in der EU entsendet Deutschland auch die meisten Abgeordneten. Bei der Europawahl 2024 sind erneut 96 Mandate an hiesige Bewerber zu vergeben. EU-weit werden 720 Mitglieder des Europäischen Parlaments gewählt. In Deutschland stehen insgesamt 1.413 Kandidaten zur Wahl.
Erstmals Stimmabgabe ab 16 möglich
Mit der Europawahl 2024 sind erstmals auch unter 18-Jährige wahlberechtigt. Abstimmen darf, wer am 9. Juni 16 Jahre alt ist. Ob das abgesenkte Wahlalter auch die Beteiligung an der EU-Wahl erhöht, ist offen: Sie war bei der letzten Wahl 2019 bereits deutlich gestiegen und hatte 61,4 Prozent erreicht. 2014 waren es nur 48,1 Prozent gewesen.
Auch EU-Bürger dürfen in Deutschland abstimmen
Wahlberechtigt sind in Deutschland nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes insgesamt rund 64,9 Millionen Menschen. 60,9 Millionen davon sind Deutsche. Auf Antrag dürfen aber auch bis zu 4,1 Millionen Bürger aus anderen EU-Mitgliedstaaten teilnehmen, die in Deutschland wohnhaft sind.
Sie müssen sich aber entscheiden: Entweder sie stimmen hier oder im Herkunftsland ab. Wer zwei Mal die Stimme abgibt, macht sich wegen Wahlfälschung strafbar.
Keine Fünf-Prozent Hürde
14 der 27 EU-Staaten haben Sperrklauseln zwischen 1,8 und fünf Prozent. In Deutschland gibt es anders als bei der Bundestagswahl für Parteien derzeit keine Mindesthürde, um Abgeordnete ins Parlament zu entsenden.
Deshalb konnten 2019 zahlreiche deutsche Kleinparteien mit nur einem Abgeordneten in das Europaparlament einziehen, darunter die Ökologisch-Demokratische Partei und die Partei des Satirikers Martin Sonneborn. Rechnerisch reicht weniger als ein Prozent der Stimmen, um einen Abgeordneten oder eine Abgeordnete zu entsenden.
Wer es 2019 ins Europaparlament schaffte
Im scheidenden Europaparlament sind Abgeordnete aus 14 deutschen Parteien vertreten: Stärkste Kraft wurde 2019 die CDU (22,6 Prozent, 23 Sitze). Es folgten auf Platz zwei die Grünen (20,5 Prozent, 21 Sitze) und auf Platz drei die SPD (15,8 Prozent, 16 Sitze).
Die AfD kam auf 11,0 Prozent (elf Sitze), die CSU, die nur in Bayern antritt, während die CDU dort nicht auf dem Wahlzettel steht, auf 6,3 Prozent (sechs Sitze). Die Linke kam auf 5,5 Prozent, gefolgt von der FDP mit 5,4 Prozent (jeweils fünf Sitze).
Neben diesen im Bundestag vertretenen Parteien schaffen es auch sieben kleine Formationen ins EU-Parlament: Jeweils zwei Abgeordnete konnten dabei die Freien Wähler und die Satire-Partei Die Partei entsenden. Auf jeweils ein Mandat kamen Piraten, Tierschutzpartei, die Familien-Partei, ÖDP und Volt.
Mehrere Neugründungen am Start
Antreten darf nun auch die Linken-Abspaltung Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Neu am Start sind dieses Mal zudem die Klimaaktiven der Letzten Generation.
Auch ins Europaparlament will die Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch (Dava). Sie war vielfach als Ableger der Partei der türkischen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisiert worden, weist dies aber zurück. Eine Übersicht zu allen zugelassenen Parteien findet sich auf der Website der Bundeswahlleiterin.
Wie viel Macht hat das Europaparlament?
Ohne das Parlament können auf EU-Ebene in den meisten Fällen keine Gesetze verabschiedet werden. Jährlich mitentscheiden muss das Parlament auch über den rund 190 Milliarden Euro schweren EU-Haushalt. Ausgenommen von den Mitentscheidungsrechten sind lediglich die Außen- und die Steuerpolitik.
Gesetzesinitiativen kann das Parlament nicht einbringen. Es kann die EU-Kommission nur auffordern, dies zu tun. Deren Präsident muss vom Parlament gewählt werden, auch der Ernennung der EU-Kommissare muss das Parlament zustimmen. Das Parlament kann die Kommission zudem durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt zwingen.
Spitzenkandidaten gibt es, aber …
Fast jede europäische Partei oder Fraktion im Parlament hat EU-weite Spitzenkandidaten aufgestellt. Dies soll den Wahlkampf auch länderübergreifend erscheinen lassen. Auch die derzeitige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hat sich als Spitzenkandidatin ihrer konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) aufstellen lassen.
Die Parlamentarier drängen darauf, dass anders als 2019 ein Spitzenkandidat auch den Posten an der Spitze der EU-Kommission bekommt. In den EU-Gesetzen ist das allerdings nicht unmittelbar festgelegt.
Die Entscheidung liegt zum großen Teil bei den EU-Staats- und Regierungschefs, die nach der Wahl einen Vorschlag für den Posten machen müssen.
Niedrige Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung ist bei den Europawahlen traditionell niedrig. Vor fünf Jahren gab es EU-weit jedoch erstmals einen Anstieg: 2019 gaben 50,66 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, in Deutschland waren es 61,4 Prozent. Für die Wahlen in diesem Jahr hofft das Europaparlament mit einem Anstieg der Wahlbeteiligung. (afp/red)
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