Israel erwägt neuen Geisel-Deal – US-Militär baut provisorischen Hafen in Gaza
Kurz vor Israels erwarteter Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens gibt es Medienberichten zufolge neue Anzeichen für Bewegung bei den festgefahrenen Verhandlungen über eine Feuerpause. Israels Regierung ist demnach bereit, von ihrer ursprünglichen Forderung nach Freilassung von 40 lebenden Geiseln durch die islamistische Hamas als Gegenleistung für eine vorübergehende Waffenruhe abzurücken.
Israelische Medien berichteten, Israel sei willens, in einer ersten Phase eines Abkommens die Freilassung von lediglich 20 Geiseln – laut einem ranghohen Beamten 33 Geiseln – zu akzeptieren.
Dabei gehe es um israelische Frauen, Männer über 50 Jahre und schwer Erkrankte, hieß es. Heute seien dazu Gespräche zwischen einem israelischen Verhandlungsteam und einer ägyptischen Delegation in Israel geplant. Ägypten will eine Einigung erreichen, um Israels Militäreinsatz in Rafah noch abzuwenden.
Ringen um Freilassung der Geiseln
Ursprünglich hätte die Hamas Frauen, Soldatinnen, Männer über 50 Jahren sowie Männern unter 50 Jahren mit schweren Erkrankungen freilassen sollen. Die Hamas hatte jedoch erklärt, sie habe keine 40 lebenden Geiseln aus diesen Kategorien, woraufhin Israel vorgeschlagen habe, die Lücke mit Soldaten oder Männern unter 50 Jahren zu schließen.
Eine Einigung gelang nicht. Israel war bis vor einigen Wochen davon ausgegangen, dass knapp 100 der rund 130 in Gaza verbliebenen Geiseln noch am Leben sind. Inzwischen wird befürchtet, dass deutlich mehr von ihnen bereits tot sein könnten.
Auch den Berichten ging nicht hervor, wie lange eine Waffenruhe im Gegenzug für die Freilassung von 20 oder 33 Geiseln dauern würde. Unklar ist auch, ob und in welchem Umfang palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen würden. Auf ein Ende des Krieges nach den Bedingungen der Hamas werde sich Israel aber nicht einlassen, hieß es.
Israel und die Hamas verhandeln seit Monaten indirekt über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln, die Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres nach Gaza entführt hatten.
Ägypten, die USA und Katar treten dabei als Vermittler auf. Ägypten ist besorgt, dass Palästinenser bei einem Angriff Israels auf Rafah in großen Zahlen aus Gaza über die Grenze kommen könnten.
Temporärer Hafen vor Gaza soll Anfang Mai einsatzfähig sein
Das US-Militär hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums mit dem Bau einer provisorischen Anlegestelle für Hilfslieferungen an der Küste des Gazastreifens begonnen. „Ich kann bestätigen, dass US-Militärschiffe (…) begonnen haben, die ersten Abschnitte des provisorischen Piers und Damms auf See zu errichten“, sagte Pentagon-Sprecher Pat Ryder am Donnerstag vor Journalisten.
Die Anlegestelle soll demnach ab Anfang Mai betriebsbereit sein. Bisher laufe „alles nach Plan“, fuhr Ryder fort. Der Bau wird demnach aus einer Offshore-Plattform für den Transfer von Hilfsgütern von größeren zu kleineren Schiffen bestehen sowie aus einer Anlegestelle, um sie an Land zu bringen.
US-Angaben zufolge sollen die Hilfsgüter zunächst nach Zypern gebracht werden. Dort sollen sie überprüft und für die Lieferung vorbereitet werden. Anschließend würden sie auf Handelsschiffe verladen und zu einer Plattform Kilometer vor der Küste des Gazastreifens entfernt gebracht. Dort werden die Hilfsgüter den Angaben zufolge auf kleinere Schiffe umgeladen, um sie zur Anlegestelle an der Küste zu bringen.
Lastwagen sollen sie dann in Richtung Gazastreifen transportieren. Den Angaben nach sind anfangs 90 Lastwagen pro Tag geplant, später soll die Zahl auf 150 pro Tag steigen.
Zehntausende verlassen Rafah
Israel hält eine Offensive in Rafah für unumgänglich, um die dort verbliebenen Bataillone der Hamas zu zerschlagen. Es werden außerdem auch Geiseln dort vermutet. Mehr als eine Million Menschen hatte in Rafah nach Angaben von Hilfsorganisationen Zuflucht vor den Kämpfen im übrigen Gazastreifen gesucht.
Inzwischen hätten jedoch angesichts der drohenden Offensive 150.000 bis 200.000 palästinensische Zivilisten Rafah teils Richtung der zuvor umkämpften Stadt Chan Junis verlassen, meldete die „Jerusalem Post“ unter Berufung auf die Armee.
Israels Militär hofft demnach darauf, dass weitere Zivilisten dem Beispiel folgen und in neu errichtete Zeltstädte im Süden sowie im Zentrum Gazas ziehen. Das Militär wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Bericht äußern.
Raketen der Hisbollah
Unterdessen teilte die israelische Armee am Freitag mit, dass zwei Panzerabwehrraketen aus dem Libanon im Norden Israels eingeschlagen seien. Sie habe darauf ihrerseits mit Artilleriefeuer reagiert. Kampfjets hätten Infrastruktur der Hisbollah-Miliz im Süden des Libanon getroffen. Die mit der islamistischen Hamas verbündete und vom Iran unterstützte Miliz teilte mit, Schüsse hätten israelische Streitkräfte an der Grenze getroffen.
Seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen gibt es auch fast täglich Gefechte zwischen der Hisbollah im Libanon und der israelischen Armee. Zehntausende Menschen wurden auf beiden Seiten der Grenze vertrieben. (dpa/afp/red)
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