Vor Notfallzulassung von mRNA-Impfstoffen noch viele Hürden und offene Fragen
Kürzlich meldeten BioNTech und Pfizer sowie Moderna die Ergebnisse ihrer Phase-III-Studien. Während BioNTech und Pfizer die Ergebnisse für den Impfstoff BNT162b2 bereits vollständig ausgewertet haben, veröffentlicht Moderna bisher Zwischenergebnisse.
Da in beiden Fällen eine Verhinderung einer COVID-19 Infektion von über 90 Prozent erreicht werden konnte, wurden für beide Imfpstoffe Notfallzulassungen beantragt. Damit ist der schwierigste Teil jedoch noch nicht erledigt.
Denn im Fall von mRNA-Impfstoffen muss nicht nur ein spezifischer Impfstoff, sondern auch die neue Technologie an sich zugelassen werden. Die aktuelle Studienlage zeigt, dass die Herausforderungen für die ersten mRNA-Impfstoffe gerade erst begonnen haben.
1.) Noch keine offizielle Prüfung der Studiendaten
Die Ergebnisse der Phase-III-Studien beider Impfstoffe sind bisher noch in keinem wissenschaftlichen Journal veröffentlicht. Das heißt, die Daten haben noch keine Prüfung durch Peer-Review erfahren und sind daher der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich. Die Ergebnisse über Wirksamkeit und Nebenwirkungen wurden bisher in Pressemitteilungen der Firmen genannt.
BioNTech und Pfizer haben bisher offiziell die Ergebnisse ihrer Phase-I-Studie im New England Journal of Medicine veröffentlicht. Im Rahmen dieser Studie erhielten jedoch weniger als 100 Menschen den Impfstoffkanditaten BNT162b2 . Ebenfalls liegen seit 12. November 2020 die Daten der Phase-I-Studie von Moderna vor. Diese Veröffentlichung erfolgte ebenfalls im New England Journal of Medicine, dabei wurden 45 Probanden getestet.
Mehr Aussagekraft bringen die Daten der Phase-III-Studien, wobei jeweils mehrere tausend Menschen getestet wurden. Eine Veröffentlichung der Daten ist von großer Wichtigkeit, da es unabhängigen und kritischen Ärzten, Pharmazeuten und Wissenschaftlern der ganzen Welt ermöglicht, das Studiendesign zu überprüfen und die Schlussfolgerungen nachzuvollziehen.
Zudem, wie es in klinischen Studien aus ethischen Gründen üblich ist, wurden Kinder sowie Schwangere oder stillende Frauen in keiner der drei Phasen getestet. Dies geht auch aus den offiziellen Ansuchen der klinischen Studien für die Impfstoffe mRNA-1273 und BNT162b2 hervor.
Dadurch wird eine zeitnahe Zulassung für unter 18-Jährigen eine besonders heikle Angelegenheit, die aufgrund der aktuellen Studienlage nicht begründet werden könnte.
2.) Probleme bei Stabilität: Lagerung bei -70 Grad Celsius
Die Lagerbedingungen der beiden mRNA-Impfstoffe wurden ebenfalls bereits in Pressemitteilungen bekannt gegeben. Vor allem BNT162b2 von BioNTech und Pfizer, bei dem am schnellsten mit einer Zulassung gerechnet wird, ist mit den Lagerbedingungen von -70 Grad Celsius eine logistische Herausforderung.
Der Impfstoff muss in speziellen Kühlboxen geliefert und aufbewahrt werden. Bei Kühlschranktemperaturen zwischen zwei und acht Grad Celsius soll der Impfstoff laut ersten Angaben nur für maximal fünf Tage haltbar bleiben. Dabei muss darauf geachtet werden, dass der Kühlschrank nicht „öfter als zwei Mal täglich geöffnet wird„.
Der mRNA-1273 Impfstoff von Moderna muss ebenfalls kühl gelagert werden, jedoch soll er laut einer neuen Pressemitteilung bis zu 30 Tage im Kühlschrank stabil bleiben.
Wissenschaftliche Daten zur Stabilität der mRNA-Impfstoffe wurden bisher noch nicht veröffentlicht. Obwohl die genaue Zusammensetzung der Impfstoffe nicht bekannt ist, sind zwei Komponenten für Herausforderungen in Bezug auf die Stabilität bekannt: mRNA und Lipid-Nanopartikel.
mRNA: Stabilität bestimmt Kontrolle der Genexpression
Während von den speziellen in den Impfstoffen verwendeten mRNAs noch keine Daten vorliegen, sind in der Literatur verschiedene mRNA-Stränge gut untersucht. Dabei zeigt sich, dass mRNA instabil ist und unter physiologischen Bedingungen im Körper schnell zersetzt wird. Die Temperatur wird als einer der beeinflussenden Faktoren genannt.
Jedoch ist eine verlässliche Stabilität während der Anwendung von mRNA im Körper von wesentlicher Bedeutung. Die sogenannte Messenger RNA (mRNA) hat die Aufgabe die Produktion von speziellen Proteinen im Körper anzuregen. Im Falle der COVID-19-Impfung wären dies Proteine (Antikörper), die vor einer Infektion schützten sollen.
Allerdings kann die Bildung der gewünschten Proteine nur dann im gewünschten Ausmaß erfolgen, wenn die mRNA stabil bleibt. Instabilitäten oder teilweise Instabilitäten können zu einem Wirkungsverlust oder einer unkontrollierten Expression führen, wie mehrere Studien [1, 2, 3] zeigen.
Mögliche Folgen und Langzeitfolgen davon im Falle einer Impfung können erst zukünftige Studien zeigen.
3.) Lipid-Nanopartikel: Schutz oder Grund zur Sorge?
Um die Stabilität von mRNA zu verbessern, kommen sogenannte Lipid-Nanopartikel zum Einsatz. Dies sind kleine, aus hydrophoben (wasserunlöslichen) Substanzen aufgebaute Partikel. Sie können Wirkstoffe oder mRNA umschließen.
Hydrophobe Substanzen wie Lipid-Nanopartikel können Zellmembranen durchdringen und so die Wirkstoffe zum gewünschten Ort im Körper transportieren. Ein optimales Lipid-Nanopartikel-System sollte dann am Zielort den Wirkstoff freigeben und selbst anschließend abgebaut oder ausgeschieden werden. Allerdings gibt es auch dabei einige Herausforderungen.
Zum einen weisen viele Lipid-Nanopartikel selbst eine schlechte Stabilität auf und brauchen bestimmte Lagerbedingungen. Zusätzlich zeigen Studien, dass vor allem die kationischen (positiv geladen) Lipid-Partikel toxische Abbauprodukte erzeugen. Teilweise können diese Abbauprodukte im Körper systemisch (in die Blutbahn und/oder Lymphsystem) aufgenommen werden. Welche Langzeitauswirkungen das mit sich bringt, ist bisher nicht geklärt.
Welche Art und Zusammensetzung von Lipid-Partikeln in den beiden Impfstoffkandidaten zur Stabilisierung der mRNA eingesetzt werden, ist bisher nicht veröffentlicht. Klar ist, dass im Rahmen der Zulassung – auch wenn es eine Notfallzulassung ist – diese offenen Fragen beantwortet werden müssen.
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