Deutsche-Bank-Analyst fordert ehrliche Debatte: EU-Klimaschutzziele führen zu „Ökodiktatur“ und Enteignungen

Eric Heymann, Analyst des Deutsche Bank-Think Tanks „DB Research“, fordert eine „ehrliche Debatte“ über die radikale EU-Klimaschutz-Politik und deren Folgen. Seiner Ansicht nach sei das nur mit einem gewissen Maß an „Ökodiktatur“ möglich und dies zulasten vieler anderer Lebensbereiche. Ob man das will, solle man sich vorab genau überlegen.
Von 13. Januar 2021

Eine „ehrliche demokratische Debatte über das Ziel der Klimaneutralität“ mahnt Eric Heymann vom Deutsche Bank-Think Tank „DB Research“ in einem Beitrag an, der bereits im November des Vorjahres erschienen war und den Henrik Paulitz, Leiter der „Akademie Bergstraße“, in seinem jüngst erschienenen Buch „StromMangelWirtschaft: Warum eine Korrektur der Energiewende nötig ist“ aufgreift.

„Wir werden uns unbequeme Fragen stellen und unbequeme Realitäten anerkennen müssen“, mahnt der Deutsche-Bank-Analyst. Er wisse zwar, „Ökodiktatur ist ein böses Wort“ – es werde jedoch „nicht ohne ein gewisses Maß davon gehen“.

„Klimaneutralität“ steht noch über Migration und Corona

Der europäische Grüne Deal habe laut Heymann „das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 als Wachstumsstrategie“ skizziert, „bei der niemand auf der Strecke bleiben soll“. Allerdings sei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen so entschlossen, dieses Ziel zu erreichen, dass alle anderen Themen, sogar die Flüchtlingspolitik und Corona, dagegen in den Hintergrund rückten. Immerhin solle ja ein nicht unerheblicher Teil der Aufbaumittel für Corona-geschädigte Volkswirtschaften in „klimafreundliche“ Projekte fließen.

Mit den heute verfügbaren und politisch akzeptierten Technologien sei die „Klimaneutralität“ in 30 Jahren jedoch nicht erreichbar und schon gar nicht als „Wachstumsstrategie“. Der Energieverbrauch auf der Erde werde steigen und selbst die Internationale Energieagentur (IEA) gehen davon aus, dass auch 2040 der Anteil fossiler Energieträger am Primärenergieverbrauch noch bei 56 Prozent liegen werde. Erneuerbare Energien kämen auch bei einem erheblichen Ausbau lediglich auf 35 Prozent.

Für jeden, der „befürchtet, dass große Teile der Erde durch den Klimawandel unbewohnbar werden und daher Klimaneutralität anstrebt“, sei das ein untragbares Szenario.

Deutsche-Bank-Analyst: „Preissteigerungen und kräftige ordnungspolitische Eingriffe“

Zwar mahnt der DB-Researcher mehr Technologieoffenheit an und kritisiert die fehlende Akzeptanz CO2-emissionsarmer Technologien wie der Kernenergie und technischer Innovationen im Bereich der Stromspeicherung. Da bei den „zuverlässigen und leistungsfähigen fossilen Energien“ die „externen Kosten nicht ausreichend internalisiert“ würden, bedürfe es einer „ehrlichen Debatte“, die unweigerlich zu dem Ergebnis kommen müsse, es bräuchte „deutlich höhere CO2-Preise, als dies bislang der politische Konsens erlaubt“, schreibt Heymann.

Die Debatte sei nämlich immer noch für die meisten Menschen relativ abstrakt und man bekomme als privater Haushalt Klimapolitik „nur“ in Form von höheren Heizkosten oder kostspieligerer Mobilität zu spüren. Allenfalls gäbe es in manchen Ländern ordnungsrechtliche Anforderungen an die Energieeffizienz. Unser tägliches Handeln werde aber „nicht von Klimapolitik dominiert“.

Genau dort müsse aber mangels ausreichend kostengünstiger Technologien angesetzt werden, und DB-Analyst Heymann will dabei wenig an Tabus gelten lassen:

„CO2-Preise müssten also massiv steigen, um eine Verhaltensänderung zu erwirken. Alternativ oder als Ergänzung bräuchte man kräftige ordnungspolitische Eingriffe. Ich weiß, Ökodiktatur ist ein böses Wort. Aber wir müssen uns wohl oder übel fragen, welches Maß an Ökodiktatur (Ordnungsrecht) wir für akzeptabel halten, um uns dem Ziel der Klimaneutralität zu nähern.“

Zwangshypotheken für Hausbesitzer?

Dies beginne schon bei der Frage, was geschehen solle, wenn Hausbesitzer nicht das Geld haben, ihre Eigenheime in Nullemissionshäuser umzuwandeln, dies nicht rentabel sei oder rein technisch nicht machbar.

Das „Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie“ hat darauf bereits eine Antwort. In einem Strategiepapier für „Fridays for Future“ fordert man, dass „Gebäude-individuelle Sanierungsfahrpläne und Energieberatungen verpflichtend werden“ sollten. Sollten im Anschluss daran die Sanierungsmaßnahmen immer noch nicht zu einem wirtschaftlich vernünftigen Aufwand realisierbar sein, will man in der Einrichtung dennoch daran festhalten.

Um notfalls auch die vom Eigentümer nicht zu bewältigende Maßnahme umsetzen zu können, solle „ergebnisoffen geprüft werden, wie beispielsweise die vollständige Übernahme der Verantwortung für die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen durch den Staat (Koordinierung: Bund und Länder, Umsetzung: Kommunen) bzw. durch von diesem legitimierte Stellen“ bewerkstelligt werden könne.

Eigene Unternehmen als Leidtragende

Diese Stellen sollten dann „in Absprache mit dem Gebäudebesitzer bzw. der Gebäudebesitzerin Planung, Vorfinanzierung und Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen übernehmen und so sicherstellen, dass eine vollständige Sanierung des Gebäudebestandes möglich ist“. Sollte diese „Vorfinanzierung“ auch eine Rückzahlungsverpflichtung aufseiten des Immobilieneigentümers zur Folge haben, worauf die Formulierung hindeutet, liefe dies auf eine staatlich finanzierte Gebäudesanierung hinaus, die notfalls im Wege einer Zwangshypothek zurückzuzahlen sein würde.

Heymann äußert sich weniger dezidiert, er wirft stattdessen Fragen auf. In diesem Zusammenhang kommt er auch zu der Schlussfolgerung, dass möglicherweise nicht jeder weltweite Akteur einer EU, die sich zum Vorreiter der „Klimaneutralität“ ausruft, folgen wird.

Dies würde aber zwangsläufig dazu führen, dass die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen durch die höheren Energiepreise leiden würde – und es immer teurer werden würde, diese durch Subventionen von den Schwierigkeiten zu entlasten, die der erzwungene Umstieg auf neue Technologien nach sich ziehe.

Ökodiktatur könnte auch Ende des Freihandels bedeuten

Die finanziellen Ressourcen blieben begrenzt, und zu einer ehrlichen Debatte zähle, dass „jeder Euro, der für Klimaschutz ausgegeben wird, nicht für Bildung, Forschung, das öffentliche Gesundheitssystem, digitale Infrastruktur, innere und äußere Sicherheit, Steuersenkungen oder höhere Renten eingesetzt werden kann“.

Da andere Länder zudem Gegenmaßnahmen gegen etwaige Einfuhrbelastungen unter dem Banner des „Klimaschutzes“ ergreifen würden, müsse man sich auch die Frage stellen, ob man bereit sei, „zugunsten des Klimaschutzes auf die Vorzüge des Freihandels zu verzichten“.

Da eine weiter radikalisierte Klimapolitik „zu spürbaren Wohlfahrts- und Arbeitsplatzverlusten“ führen werde und es Verlierer „bei privaten Haushalten und bei Unternehmen“ geben werde, sei mit zunehmenden Verteilungskonflikten, Polarisierung, einer möglichen weiteren Spaltung der EU und Wahlerfolgen für „Klimaschutz“-kritische Parteien zu rechnen.

Man werde daher die Frage beantworten müssen, ob man mit all diesen Konsequenzen leben oder die eigenen klimapolitischen Ambitionen wieder nach unten anpassen wolle, „sobald wir erkennen sollten, dass eine allzu strenge Klimapolitik demokratisch nicht mehrheitsfähig ist“.



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