Omikron-Impfstoff: Daten von acht Mäusen reichten FDA für Notzulassung aus
Ende August (31. 8.) hat die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) die Erteilung einer Notfallzulassung für die aktualisierten Auffrischungsimpfstoffe von Moderna und Pfizer-BioNTech bekannt gegeben. Dieser „Omikron-Impfstoff“ sollen den Schutz gegenüber den Varianten BA.4/BA.5 des Coronavirus SARS-CoV-2 verstärken. Diese Omikron-Varianten stellen in den meisten Ländern der Welt, unter anderem auch in Deutschland, bereits seit Wochen die mit großem Abstand am weitesten verbreitete Variante des Coronavirus dar.
Impfstoffe enthalten auch für Urfassung kodierte mRNA
Der zuständige Ausschuss der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat einen Tag später Booster-Präparate der beiden Hersteller Pfizer/BioNTech und Moderna zugelassen, die sich sowohl gegen die Omikron-Untervariante BA.1 als auch gegen den ursprünglichen Virusstamm richten. Eine Bestätigung durch die Europäische Kommission, die in dieser Angelegenheit das letzte Wort hat, gilt lediglich als Formsache. Eine Zulassung der Impfstoffe, die auf die aktuellsten Varianten abgestimmt seien, wäre ohne größeren Aufwand möglich.
Wie das Fachmagazin „Science“ berichtet, habe auch das Vereinigte Königreich den Moderna-Impfstoff gegen die Untervariante BA.1 zugelassen.
Sowohl Pfizer/BioNTech als auch Moderna haben für ihre angepassten Präparate jeweils Boten-RNA (mRNA) verwendet, die für das Spike-Protein von SARS-CoV-2 kodiert ist. Die neuen Impfstoffe sind jedoch bivalent: Die Hälfte der mRNA ist abgestimmt auf das Spike-Protein des Stammvirus, die andere auf jene in BA.1 oder in BA.4 und BA.5, die identische Spikes aufweisen. Da die neuen Präparate eine geringere Dosis an mRNA enthalten, sind die Impfungen nur als Auffrischungsimpfung gedacht und nicht für Personen geeignet, die noch nie geimpft wurden.
Impfstoffforscher bezweifelt signifikanten Nutzen angepasster Präparate
Während sich Hersteller und Gesundheitspolitiker von den Auffrischungsimpfstoffen erhoffen, gegen mögliche neue Corona-Wellen im kommenden Herbst und Winter gerüstet zu sein, zweifeln Skeptiker daran, dass die neuen Impfstoffe einen erkennbaren Mehrwert mit Blick auf die Gesundheit der Allgemeinheit herbeiführen.
Einer der Gründe für die Skepsis ist, dass vor allem in den westlichen Ländern von einem hohen Maß an Grundimmunisierung auszugehen ist. Der Anteil derjenigen, die entweder vollständig geimpft oder geimpft und genesen sind, könnte prozentual bereits so hoch sein, dass die Gesamtpopulation in hohem Maße gegen schwere oder tödliche Verläufe geschützt sei. Der potenzielle Nutzen des Boosters sei demgegenüber gering,
Einer davon ist Paul Offit, ein Impfstoffforscher am Children’s Hospital of Philadelphia. Er war eines der beiden Mitglieder des FDA-Ausschusses, die gegen eine Aufforderung an die Unternehmen gestimmt hatte, Omikron-spezifische Booster herzustellen. Offit bestreitet dabei nicht einen gewissen Grad an Nutzen, den die Präparate bringen könnten, er bezweifelt jedoch, dass sich der zusätzliche Aufwand lohnt.
Die bereits bestehenden COVID-19-Impfstoffe, betont Offit, reichten immer noch aus, um schwere oder tödliche Verläufe von Infektionen zu minimieren. Eine vollständige Ausrottung des Virus bewirkten sie jedoch nicht, und dies wäre auch von den Omikron-angepassten Impfpräparaten nicht zu erwarten.
Aufgrund der zu kurzen Inkubationszeit, die COVID-19 von Masern oder Röteln unterscheide, bleibe dem Immunsystem nicht genug Zeit, so viele Antikörper zu produzieren, wie erforderlich wären, um Ansteckungen Dritter auszuschließen. „Selbst wenn 100 Prozent der Bevölkerung geimpft wären und das Virus sich nicht weiterentwickelt hätte, würden die Impfungen die Übertragung nur sehr wenig aufhalten“, erläuterte er gegenüber „Science“.
Forscherin: Omikron-Impfstoff „kann auch bei hoher Grundimmunität Sinn machen“
Anders sieht Deborah Cromer, eine mathematische Modelliererin am Kirby Institute der University of New South Wales, die Thematik. Ihren Modellen zufolge hätte angepasste Booster auch auf Populationsebene einen gewissen Nutzen, je nach bereits vorhandener Grundimmunität.
Wenn eine Population beispielsweise bereits zu 86 Prozent gegen schwere Krankheiten geschützt wäre, könnten die Auffrischungsimpfungen für den Ahnenstamm diesen Wert auf 98 Prozent und die aktualisierten Auffrischungsimpfungen auf 98,8 Prozent erhöhen. Das höre sich auf den ersten Blick nicht als sehr wesentlich an, „aber wenn man eine große Bevölkerung und begrenzte Krankenhausbetten hat, kann das einen großen Unterschied machen“, so Cromer.
Einen weiteren Anlass zur Skepsis bietet der Umstand, dass die BA.1-Variante, auf die jene Booster-Präparate angepasst sind, die bald in der EU und im Vereinigten Königreich verfügbar sind, längst durch die Untervarianten BA.4 und BA.5 verdrängt sind, die seit dem Frühjahr dominieren. Deshalb hatte die FDA die Hersteller aufgefordert, einen darauf abgestimmten Booster zu entwickeln, und US-Präsident Joe Biden hat bereits 170 Millionen Dosen davon in Auftrag gegeben.
Notzulassung von Omikron-Impfstoff ohne Studien am Menschen
Für zusätzliche Irritationen sorgt vielerorts der Umstand, dass im Zusammenhang mit dem Antrag auf Zulassung des auf BA.1 ausgerichteten Boosters zumindest die Daten von mehreren hundert Personen eingereicht wurden – beim Antrag auf Zulassung des BA.4/BA.5-Impfstoffs jedoch nicht einmal Humandaten präsentiert wurden. Die Vereinigung „Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V.“ weist darauf hin, dass lediglich Testdaten von acht Labormäusen dem Antrag beigefügt gewesen seien, die zudem nicht veröffentlicht worden seien.
Gänzlich unüblich sei diese Vorgehensweise nicht, schreibt das „PBS“-Portal. Da klinische Studien zeitaufwändig sind, sei die FDA bereit gewesen, Tierstudien und andere Laborergebnisse, wie die Fähigkeit von Antikörpern, das Virus zu neutralisieren, bei der Entscheidung über die Zulassung der bivalenten Booster zu berücksichtigen. Für die endgültige Zulassung und allfällige Folgepräparate müssten diese jedoch nachgereicht werden.
Die FDA gab gleichzeitig zu bedenken, dass Millionen von Menschen die mRNA-Impfstoffe – die ursprünglich am Menschen getestet wurden – sicher erhalten hätten und dass die Änderungen in den mRNA-Sequenzen in den Impfstoffen kein Potenzial aufwiesen, die Sicherheit des Impfstoffs zu beeinträchtigen. Sie kam daher zu dem Schluss, dass die bivalenten Impfstoffe sicher seien und dass keine Notwendigkeit bestehe, mit der Notzulassung auf klinische Versuche am Menschen zu warten.
Immerhin würden auch Grippeimpfstoffe jedes Jahr auf der Grundlage einer Vorhersage des wahrscheinlich vorherrschenden Stammes eingeführt, und auch diese Zusammensetzungen würden nicht erneut klinisch getestet.
In ähnlicher Weise äußert sich auch Leif Erik Sander, Experte für Infektionskrankheiten an der Charité in Berlin, gegenüber „Science“. Er äußerte: „Die Änderungen an der mRNA sind geringfügig, und die Bereitstellung aktualisierter Impfstoffe so schnell wie möglich ist eine ethische Frage. […] Wir müssen den Menschen die Möglichkeit geben, sich vor einem Virus zu schützen, das wir nicht vollständig kontrollieren können.“
Impfreaktionen bei Omikron-Impfstoff stärker?
Deborah Cromer räumt allerdings ein, dass die Zulassung aktualisierter Impfstoffe ohne klinische Daten die Akzeptanz in der Bevölkerung verringern könne – und „wenn eine Auffrischungsimpfung die allgemeine Akzeptanz verringert, ist das ein potenzielles Problem“, das den Schutzgewinn des neuen Impfstoffs wieder aufheben könnte.
Kontroversen gibt es auch bezüglich der Frage, warum immer noch mRNA verwendet werde, die auf einen bereits ausgestorbenen Stamm abziele. Hana El Sahly, Expertin für die Entwicklung von Impfstoffen am Baylor College of Medicine, sieht keinen biologischen Grund, beide Versionen von Spike zu verwenden.
Pfizer weist darauf hin, dass die Experimente an Menschen und Mäusen eine Tendenz dahingehend erkennen hätten lassen, dass der rein stammspezifische Booster eine etwas stärkere Reaktion auslöse als die Kombination. Bei dieser entsprächen Impfreaktionen und Nebenwirkungen in etwa dem Ausmaß, das von den Grundimpfungen bekannt sei.
In einer am 26. August auf medRxiv veröffentlichten Vorabveröffentlichung, in der Daten aus mehreren klinischen Studien analysiert wurden, konnten Cromer und ihre Kollegen hingegen keinen signifikanten Unterschied zwischen monovalenten und bivalenten Formulierungen feststellen. Angela Branche vom University of Rochester Medical Center, die eine Studie zum Vergleich mehrerer stammspezifischer Impfstoffe leitet, merkt an, dass die nächste Variante, die auftaucht, enger mit dem Stamm verwandt sein könnte als mit Omikron, so dass die bivalente Formulierung eine nützliche Absicherung sein könnte.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion