Vor ihrer Zeit: Die Erfindung von Kerzenuhren und Kerzenweckern
Es gibt sie in groß und in klein, einfarbig oder bunt, mit und ohne eine spezielle Duftrichtung: die Kerze. Obwohl sie heute oft nur noch zu Dekorationszwecken verwendet wird, bietet ihr Schein weit mehr als das Gefühl von Wärme, Geborgenheit oder Romantik.
Tatsächlich konnte das gleichmäßige Abbrennen einer Kerze auch zur Zeitmessung genutzt werden. Diese, wenn auch simple, Uhr ging ihren mechanischen und digitalen Verwandten lange Zeit voraus. Doch wie funktionieren Kerzenuhren und wie können sie als Wecker benutzt werden?
Kerzenuhren statt Sonne oder Gockel
Das Grundprinzip dieser Uhr beruht auf der gleichmäßigen Geschwindigkeit des Abbrennens einer Wachskerze. Mit den regelmäßigen Markierungen auf einer Kerze oder einem Kerzenhalter konnte schließlich ganz einfach ein Zeitabschnitt gemessen und abgelesen werden.
Kerzenuhren werden von verschiedenen Kulturen auf der ganzen Welt seit über 1.500 Jahren verwendet. Ihr Vorteil: Sie können die Zeit sowohl bei Tag als auch bei Nacht anzeigen – völlig unabhängig von Wind und Wetter. Zudem ist ihre Herstellung und Anwendung einfach und an jedem beliebigen Ort möglich. Damit steht sie im starken Kontrast zu Sonnen- oder Wasseruhren.
Sonnenuhren funktionieren nur am Tag und wenn die Sonne scheint. Außerdem sind die Uhrenfläche (das „Ziffernblatt“) und der Schattenstab (der „Uhrzeiger“) an den Sonnenstand und damit an einen bestimmten Breitengrad ausgerichtet – das heißt, eine für Rom konstruierte Sonnenuhr würde in Berlin die falsche Zeit anzeigen. Wasseruhren sind dagegen weder an Wetter noch an einen bestimmten Ort gebunden, allerdings ist ihre Konstruktion mindestens ebenso komplex.
Für den alltäglichen Gebrauch eines jeden Normalbürgers waren Sonnen- und Wasseruhren daher kaum geeignet. Es ist also den Kerzenuhren zu verdanken, dass weder ein Hahn krähen noch ein Herold rufen musste.
Zwar variierte auch bei den Kerzenuhren die Form stark von Ort zu Ort und von Zeit zu Zeit, aber das einfache Konzept blieb gleich. Ein weiterer Vorteil ist, dass Kerzenuhren auch als eine Art Wecker dienen konnten. Doch wer hat die Kerzenuhr eigentlich erfunden?
Ägypter, Chinesen oder Angelsachsen?
Die alten Ägypter gehörten Überlieferungen zufolge zu den Ersten, die Kerzen zur Zeitmessung verwendet haben sollen. So hätten sie bei Sonnenaufgang eine Kerze angezündet und gemessen, wie lange sie brauchte, um bis zu einem bestimmten Punkt abzubrennen.
Der früheste handfeste Beweis für die Verwendung von Kerzenuhren stammt indes aus einem Gedicht von You Jiangu in China. In der Aufzeichnung aus dem Jahr 520 nach Christus steht geschrieben, dass Jiangu ein Gerät verwendete, das aus sechs Kerzen bestand.
Alle Kerzen zusammen waren aus 72 Pfenniggewichten Wachs hergestellt, wobei eine einzelne Kerze ungefähr 30 Zentimeter lang und gleichmäßig dick war. Jede Kerze brauchte vier Stunden zum Brennen und war in zwölf Abschnitte unterteilt, sodass jeder Abschnitt 20 Minuten entsprach. Solche Zeitmesser verwendeten auch die Menschen in Japan bis um das Jahr 1000 nach Christus.
Und die Griechen? Diese könnten mit ihrem technischen Know-how ebenfalls Kerzenuhren verwendet haben, allerdings ist darüber nichts bekannt. Vielmehr werden die anspruchsvolleren Entwicklungen von Sand-, Sonnen- und Wasseruhren in den antiken Schriften erwähnt.
Auffallend ähnlich zur chinesischen Variante waren die europäischen Kerzenuhren konstruiert, deren Erfindung den Angelsachsen, genauer gesagt König Alfred dem Großen, zugeschrieben wird. Laut einem Mönch namens Asser, der eine Biografie über den altenglischen König schrieb, soll Alfred der Große eine Uhr mit sechs Kerzen erfunden haben.
Jede Kerze soll aus zwölf Pfenniggewichten Wachs bestanden haben und jeweils 30 Zentimeter lang und gleich dick gewesen sein. Wie Jiangu markierte Alfred sie in Abstände, die jeweils 20 Minuten entsprachen. Wenn sie nacheinander brannten, konnten sie das Verstreichen einer 24-Stunden-Periode messen.
Während des gesamten Mittelalters sollen Mönche in ganz Europa regelmäßig Kerzenuhren verwendet haben, beispielsweise um im Gottesdienst das Ende der Gebetszeremonien anzuzeigen.
Kerzenuhren mit Ziffernblatt
1206 entwickelte der muslimische Ingenieur Al-Jazari eine der ausgeklügeltsten Kerzenuhren, die es jemals gab. Seine Erfindung konnte nicht nur die Zeit messen, sondern über ein nach vorne gerichtetes Zifferblatt die Tageszeit auch anzeigen.
Um dies zu bewerkstelligen, entwickelte er einen Befestigungsmechanismus für eine Wachskerze mit einem beschwerten Flaschenzugsystem, den der englische Ingenieur und Historiker Donald Routledge Hill wie folgt beschrieb:
„Die Kerze, deren Brenngeschwindigkeit bekannt war, bohrte sich in die Unterseite der Kappe, und ihr Docht wurde durch das Loch geführt. Das Wachs sammelte sich in der Vertiefung und konnte in regelmäßigen Abständen entfernt werden, sodass es das gleichmäßige Brennen nicht behinderte. Der Boden der Kerze ruhte in einer flachen Schale, an deren Seite sich ein Ring befand, der über Rollen mit einem Gegengewicht verbunden war. Während die Kerze abbrannte, drückte das Gewicht sie mit konstanter Geschwindigkeit nach oben. Die Automaten wurden von der Schale am Boden der Kerze aus bedient.“
Doch mit der Messung und Anzeige der Tageszeit war es noch nicht getan, denn Kerzenuhren waren zu einer weiteren Funktion in der Lage.
Weiterentwicklung zum Wecker
Während die modernen digitalen Wecker oft mit lästigen Lichtern ausgestattet sind, die uns nachts wach halten und uns mit schrillen Geräuschen am Morgen wecken und schlechte Laune hervorrufen, bieten Kerzenwecker eine sanftere Alternative.
Es heißt, dass die alten Römer eine Art Kerzenwecker verwendeten, bei dem in bestimmten Abständen Nägel im Kerzenwachs steckten. Die Kerze war auf einer flachen Metallplatte befestigt und wenn das Wachs eine bestimmte Höhe erreichte, fiel der Nagel herunter. Das dadurch verursachte klappernde Geräusch weckte schließlich den Schläfer. Schlicht und einfach.
Mit der zunehmenden Verbreitung von Pendel- und Taschenuhren gerieten die Kerzenuhren irgendwann in Vergessenheit. Die Spuren der Zeit und die Geschichte der Zeitmessung verlaufen jedoch keineswegs im Sand. Bis in die Moderne entwickeln sich Uhren weiter, während die Vergangenheit beispielsweise im Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen, Baden-Württemberg, am Leben gehalten wird.
Den Grundstein des Museums legte Robert Gerwig, Direktor der Großherzoglich Badischen Uhrmacherschule, im Jahr 1852, als er mit dem Sammeln von alten Uhren begann. Heute umfasst das Museum etwa 8.000 Uhren – von Kerzenweckern bis hin zu den Schwarzwälder Holzräderuhren.
Deutsche Erfindungen – der Zeit voraus
Jene Räderuhren könnten die ersten von Deutschen erfundenen Zeitmesser gewesen sein. So gibt es um 1300 nach Christus erste Hinweise auf deren Entwicklung in Erfurt und Augsburg, aber auch in St. Gotthard, Italien. Ihr Prinzip war jedoch gleich: Die zunächst in Kirchen und Klöstern aufgestellten Uhren waren mechanisch und ihr einziger Zeiger, der Stundenzeiger, wurde durch Zahnräder angetrieben. Später verfeinerten Uhrenmacher diese, machten sie kompakter und kleiner und schufen so die Grundlage für heutige Armbanduhren.
Eine sehr frühe Weiterentwicklung der Räderuhr ist die tragbare Tischuhr. Diese wurde vermutlich erstmals um 1510 von dem Nürnberger Uhrenmacher Peter Henlein konstruiert. Ihm zugeschrieben wird ebenfalls die Erfindung der ersten deutschen Taschenuhr, die 40 Stunden laufe und „überall hin mit genommen werden könne“ [sic].
Ein weiterer, oft als „typisch Deutsch“ bezeichneter Chronometer ist die Kuckucksuhr. Die erste ihrer Art soll der Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen im Jahr 1619 für seine Sammlung erhalten haben. Wer der Erfinder dieser Uhr ist, ist bis heute unbekannt. Der älteste direkte Nachweis stammt aus Schönwald, Baden-Württemberg, in dem die Familie Kettner als Erfinder der „Schwarzwälder Kuckucksuhr“ bezeichnet wird.
Im Jahr 1889 folgte dann der nächste Meilenstein: Der deutsche Physiker Sigmund Riefler entwickelte in München die Präzisionspendeluhr. Mit einer Abweichung von rund einer siebtel Sekunde pro Jahr ist seine Erfindung bis heute die genaueste mechanische Uhr der Welt. Später wurde sie jedoch von der noch präziseren chemisch-physikalischen Atomuhr abgelöst. Damit jeder Bürger die offiziell koordinierte Uhrzeit von zu Hause oder auf Arbeit ablesen kann, erfand der deutsche Diplom-Ingenieur Wolfgang Hilberg 1967 die Funkuhr.
Eines wird jede Uhr der Welt jedoch niemals anzeigen können: jene Zeit, die uns das Leben mit unseren Mitmenschen noch schenkt und die wir zu schätzen und zu nutzen wissen sollten.
Mit Material der The Epoch Times.
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