Südafrikanische Menschen-Fossilien eine Million Jahre älter als angenommen
Im Jahr 1936 entdeckte der südafrikanische Arzt und Paläontologe Robert Broom einen eigenartigen, Menschen-ähnlichen Schädel in der Sterkfontein-Höhle in Südafrika. Wenig später folgten dort weitere Fossilienfunde, die heute der Gattung Australopithecus zugeordnet werden. Von welchem Vorfahren Australopithecus abstammt und wie nah er mit dem Menschen verwandt ist, ist bislang nicht vollständig bekannt.
Zu den wohl bekanntesten Australopithecus-Funden der Sterkfontein-Höhle gehören unter anderem der als „Mrs. Ples“ bekannte Schädel sowie das unvollständige Skelett von „Little Foot“. Aufgrund der bisherigen Datierungsmethoden nahmen die Wissenschaftler an, dass diese Fossilien zwischen 2,0 und 2,6 Millionen Jahre alt sind. Neue Methoden bestimmen das Alter dieser Funde jedoch auf 3,4 bis 3,6 Millionen Jahre, wie Forscher in ihrer aktuellen Studie im Fachblatt „PNAS“ berichten.
Die neue Datierung macht diese Fossilien zudem älter als das berühmte Lucy-Fossil aus Äthiopien, das Forscher auf 3,2 Millionen Jahre datierten. Diese neue Erkenntnis wirft nun neue Fragen zur menschlichen Evolution und den Anfängen der Menschheit auf.
Erkenntnisse wandeln sich mit der Zeit
Der Großteil der Australopithecus-Fossilien in Sterkfontein stammt aus einer alten Höhlenverfüllung namens „Member 4“ (zu Deutsch: Schicht 4). An keiner anderen Fundstelle in der Welt fanden Paläontologen bislang mehr Australopithecus-Fossilien. Entsprechend der damals aktuellen Forschungsmethode datierten die Forscher das Alter der Schicht mit den Fossilien anhand darin befindlicher Kalzitflusssteinablagerungen.
Bei sorgfältiger Beobachtung zeigte sich jedoch, dass diese Methode nicht richtig geeignet ist, da sie das Alter der Fossilien unterschätzt. In der neuen Studie verwendeten die Forscher stattdessen radioaktive Zerfallswerte seltener Isotope zur Datierung der Fossilien.
„Diese radioaktiven Isotope, sogenannte kosmogene Nuklide, werden durch hochenergetische Reaktionen der kosmischen Strahlung in der Nähe der Erdoberfläche erzeugt. Ihr radioaktiver Zerfall datiert den Zeitpunkt, an dem die Gesteine zusammen mit den Fossilien in die Höhle fielen und dort begraben wurden“, sagt Professor Darryl Granger von der Purdue-Universität (USA) und Hauptautor der Studie.
Sterkfontein-Höhle bringt Bewegung in Stammbaum
Die aktuelle Entdeckung führt zudem zu einer Neubewertung des Stammbaums unserer Vorfahren. „Die neuen Altersangaben [3,4 bis 3,6 Millionen Jahre] deuten darauf hin, dass die Homininen von Sterkfontein plötzlich Zeitgenossen anderer Australopithecus-Arten wie Australopithecus afarensis in Ostafrika waren“, erklärt Professor Dominic Stratford, Forschungsleiter und Coautor der Studie.
Laut Stratford habe die Entdeckung zudem Auswirkungen auf die Rolle Südafrikas bei der Evolution der Homininen. Jüngere Hominine wie Homo sapiens und Paranthropus werden aktuell auf etwa 2 bis 2,8 Millionen Jahre datiert. Aufgrund der früheren, scheinbar viel zu niedrigen Daten sahen Forscher den südafrikanischen Australopithecus als zu jung an, um deren Vorfahre zu sein. Bislang, so die Theorie, hieß es, dass sich Homo sapiens und Co. in Ostafrika entwickelten. Die neue, eine Million Jahre ältere Datierung stellt diese Chronologie jedoch in Frage.
Die Entdeckung werde demnach „zweifellos die Debatte über die verschiedenen Merkmale des Australopithecus in Sterkfontein neu entfachen und darüber, ob es südafrikanische Vorfahren der späteren Homininen gegeben haben könnte“, so Granger abschließend.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 52, vom 9. Juli 2022.
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