Grube Messel: Fossil belegt Lebendgeburten bei Schlangen vor 47 Millionen Jahren
Die meisten heute lebenden Reptilien legen Eier, womit die sogenannte Oviparie ihre gängigste Fortpflanzungsweise ist. Doch es gibt auch Ausnahmen: Zahlreiche Eidechsen- und Schlangen-Arten sind dafür bekannt, von der Norm abzuweichen und ihren Nachwuchs lebend (vivipar) auf die Welt zu bringen.
„Die fossile Erhaltung von Fortpflanzungsereignissen ist generell sehr selten. Insgesamt wurden bislang nur zwei Fossilbelege zu viviparen landlebenden Reptilien entdeckt. Uns ist es nun gelungen, das weltweit erste Fossil einer lebendgebärdenden Schlange zu beschreiben“, berichtet PD Dr. Krister Smith vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.
Das Fossil „Messelophis variatus“ aus einer Familie der Boa-Artigen ist etwa 50 Zentimeter lang. Die „Messelboa“ stammt aus der Zeit des Eozäns und ist mit heutigen Zwergboas Mittelamerikas verwandt.
Babyboas statt Beute
„Die Art gehört zu den häufigsten Schlangen, die wir aus Messel kennen. Dennoch hat uns dieses etwa 47 Millionen Jahre alte Exemplar überrascht: Es handelt sich um ein trächtiges Weibchen mit mindestens zwei Embryonen, die sich im hinteren Drittel ihrer Rumpfregion finden“, erklärt die argentinische Forscherin Dr. Mariana Chuliver.
Ihr Kollege Dr. Agustín Scanferla ergänzt: „Bei unserer Untersuchung haben wir festgestellt, dass einige der Schädelknochen im Fossil von kleinen, nicht mehr als 20 Zentimeter langen Boas stammen. Diese Knochen liegen ein gutes Stück hinter dem Magen – würde es sich dabei um Beutetiere der Schlange handeln, wären diese so weit hinten im Darm bereits zersetzt und nicht mehr zu erkennen. Es muss sich also um Embryonen der Boa handeln. Die Tatsache, dass die Knochen von sehr jungen – aber dennoch weiter als in einem ungelegten Ei entwickelten – Schlangen stammen, unterstreicht, dass es sich um ein trächtiges, lebendgebärendes Weibchen handelt.“
Nicht die erste Überraschung aus der Grube Messel
Bei der Lebendgeburt bleiben die Jungen im Körper des Weibchens, bis sie lebensfähig sind, was eine schützende Eischale überflüssig macht. Forscher sehen dies als eine gute evolutionäre Strategie für Reptilien in kalten Klimazonen an. Mit der stabilen Temperatur im Körper des Weibchens sei deren Nachwuchs sicherer. So haben sich viele heutige lebendgebärende Eidechsen und Schlangen in eher kühleren Gebieten entwickelt.
„Zur Zeit des eozänen Messelsees herrschte auf der Erde aber ein anhaltendes Treibhausklima mit warmen Temperaturen, einem hohen Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre und eisfreien Polen. Rund um Messel lagen die Durchschnittstemperaturen damals bei etwa 20 Grad Celsius, die Wintertemperaturen fielen nicht unter den Gefrierpunkt. Warum die Boas vor 47 Millionen Jahren dennoch ihren Nachwuchs lebend zur Welt brachten, ist noch ungeklärt. Vielleicht werden uns weitere Fossilien aus dieser einzigartigen Fundstelle helfen, dieses Rätsel zu lösen“, fasst Smith zusammen.
Erst im Sommer letzten Jahres entdeckten Wissenschaftler in der Grube Messel eine neue Vogelart, die Knochenschuppen eines kleinen Krokodils und eine ungewöhnlich vollständig erhaltenen Libelle. Diese sind nun Teil der riesigen Messel-Sammlung – bestehend aus mehr als 5.000 Wirbeltierfossilien, Versteinerungen von 18.000 wirbellosen Tieren und 35.000 fossilen Pflanzenfunden.
Die Studie zur lebendgebärenden Schlange erschien am 5. November 2022 in der Fachzeitschrift „The Science of Nature“.
(Mit Material vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt)
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