Gedankenlesen mittels KI? Forscher rekonstruieren Videokonsum aus Gehirnsignalen

Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und fMRT-Scans ist es Forschern gelungen, von Probanden zuvor gesehene Videos zu rekonstruieren. Die Studie dürfte auch Elon Musk interessieren.
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Künstliche Intelligenz (KI) beruht auf neuronalen Netzwerken.Foto: iStock
Von 1. Juni 2023

Eine jüngst präsentierte Studie von Forschern der National University of Singapore und der Chinese University of Hongkong sorgt für Aufsehen. Den Wissenschaftlern ist es gelungen, mithilfe von fMRT-Scans Gehirnaktivitäten von Studienteilnehmern zu erfassen. Mithilfe einer Bild-KI gelang anschließend eine recht weitgehende Rekonstruktion von Videos, die diese zuvor konsumiert hatten. Die Technologie könnte einen Prozess ermöglichen, die dem Gedankenlesen sehr nahekommt.

Scans messen Gehirnaktivitäten – KI übersetzt sie in Bilder

Wie das Portal „t3n“ berichtet, stellt das Ergebnis der Studie einen weiteren Meilenstein gegenüber einer ähnlichen Arbeit aus dem Vorjahr dar. Ende des Vorjahres hatten die Forscher mithilfe nicht-invasiver Gehirnscans und einer auf KI basierenden Bilderzeugungstechnologie Standbilder erzeugt. Diese sollen annähernd jenen entsprochen haben, die sie Probanden zuvor gezeigt hatten.

Nun ist es ihnen offenbar gelungen, diesen Ansatz auf bewegte Bilder auszuweiten. Mithilfe des gleichen Ansatzes konnten sie kurze Videosequenzen erstellen. Auch diese sollen solchen nahegekommen sein, die Probanden während der Erfassung ihrer Gehirnströme gesehen hatten.

Zuvor wurde die Technologie verwendet, um innere Monologe von Patienten zu erfassen. Als Erfolg galt es, wenn es der KI gelang, Worte zu erfassen, an die Probanden gedacht hatten.

Mehr Daten und komplexere Algorithmen sorgen für präzisere Ergebnisse

Die Wissenschaftler hatten das KI-Modell zuvor mit großen Datenmengen trainiert. Diese hatten sie zuvor mithilfe von fMRI-Gehirnscannern gesammelt. Um Bilder zu erstellen, nahmen sie die quelloffene Bildgenerierungs-KI Stable Diffusion zu Hilfe. Diese funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip wie das von OpenAI entwickelte System von DALL-E.

Ein Geheimnis hinter dem Fortschritt bei der Gedankenrekonstruktion war die Erweiterung zugrunde liegender Trainingsdaten. Die KI wurde mit einer Vielzahl neuer, zuvor nicht verwendeter fMRT-Scans gefüttert. Eine exakte Rekonstruktion gelang der KI dabei zwar nicht, allerdings kamen ihre Ergebnisse dem Original verhältnismäßig nahe.

Als Maßstab zur Beurteilung diente den Forschern ein Videoklassifikator, der das Verständnis der Semantik der gezeigten Szenen durch das Modell bewerten sollte.

Sauerstoff und Blutfluss als Indikatoren für Veränderungen

Die Messung der Gehirnaktivitäten erfolgte mithilfe einer Technik, die als „Functional magnetic resonance imaging” (fMRI) oder „funktionelle Magnetresonanztomographie“ (fMRT) bekannt ist. Es handelt sich bei dieser um eine bildgebende Technik, mithilfe derer sich Aktivitäten im Gehirn messen lassen.

Grundlage der fMRT ist die Magnetresonanztechnologie. Diese verwendet unter anderem starke Magnetfelder und Radiowellen, um detaillierte Bilder des Gehirns zu erzeugen. Im Gegensatz zur strukturellen MRT, die die Anatomie des Gehirns zeigt, ermöglicht die fMRT die Darstellung der Gehirnaktivität. Dies geschieht mittels der Identifikation von Veränderungen im Blutfluss und im Sauerstoffverbrauch. Diese Veränderungen stehen in direktem Zusammenhang mit der neuronalen Aktivität in bestimmten Gehirnregionen.

Mithilfe von KI lassen sich bisherige Ansätze deutlich ausweiten

Die fMRT-Technologie erfasst diese Aktivitätsmuster, indem sie auf den magnetischen Eigenschaften des Bluts basiert. Dabei geht sie von der Erfahrung aus, dass Aktivitäten in einer bestimmten Gehirnregion dort mit einem erhöhten Blutfluss und Sauerstoffgehalt einhergehen. Dies verändert das jeweilige magnetische Signal, das die fMRT erfassen kann.

Bislang stützen sich hauptsächlich die Neurowissenschaft und die klinische Forschung auf fMRT. Auf diese Weise versucht man, Gehirnfunktionen wie Wahrnehmung, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Emotionen nachzuvollziehen. Die Technologie kommt auch bei der Diagnose und Erforschung von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen zum Einsatz.

Die jüngsten Forschungsergebnisse geben Hoffnung, auf diese Weise auch Menschen im Koma oder mit verschiedenen Formen von Lähmungen helfen zu können. Möglicherweise ergeben sich sogar Kommunikationspotenziale.

Im Unterschied zu Neuralink ist fMRT nicht invasiv

Mit Interesse dürfte auch Elon Musk die Entwicklung beobachten. Immerhin gibt es eine Chance, mittels der Technologie intuitivere Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine zu schaffen – auch für gesunde Menschen nutzbar. Dies wiederum gehört zu den Grundanliegen von Musks Neuralink-Projekt.

Auch dort ließe sich die fMRT potenziell zur Unterstützung und Validierung der neuronalen Aktivität verwenden. Sie könnte dazu beitragen, Daten und Signale, die Neuralink erfasst, mit den Aktivitätsmustern im Gehirn zu vergleichen, die etablierte bildgebende Verfahren wie fMRT identifiziert. So ließen sich Genauigkeit und Zuverlässigkeit der erfassten neuronalen Signale überprüfen und die Funktionalität der Neuralink-Geräte verbessern.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Ansätzen ist jedoch, dass die fMRT eine nichtinvasive Technologie ist. Demgegenüber erfordert Neuralink die Implantation von Elektroden direkt ins Gehirn.

Forscher mahnen zur Regulierung zwecks Minimierung von Missbrauchspotenzial

Beide technologischen Ansätze stehen erst am Anfang ihrer Entwicklung. Es bedarf noch umfassender Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, um die Entwicklung von Gehirn-Computer-Schnittstellen zu verbessern und das Verständnis des Gehirns zu vertiefen.

Trotz der teils fehlerhaften Darstellung der erzeugten Videos in der jüngsten Studie zeigen sich die Forscher optimistisch. Dennoch warnen sie vor einem möglichen Missbrauchspotenzial der Technologie und mahnen zur Regulierung. In einer Mitteilung heißt es:

Staatliche Vorschriften und Bemühungen der Forschungsgemeinschaften sind erforderlich, um die Privatsphäre der eigenen biologischen Daten zu schützen und eine böswillige Nutzung dieser Technologie zu vermeiden.“

Immerhin könnten KI-Gehirnscans eines Tages auch das Lesen von Gedanken anderer ohne deren Zustimmung ermöglichen.



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