Facebook und Youtube löschen Hunderte von Accounts der „Boogaloo“-Bewegung
Mehr als 400 multinationale Unternehmen und Konzerne haben für Juli einen Werbeboykott des Social-Media-Giganten Facebook angekündigt. Unter ihnen befinden sich Coca-Cola, Microsoft, Ford und Adidas. Sie werfen Facebook vor, die Betreiber des Netzwerks würden „Profit durch Hass“ machen und zu wenig konsequent gegen extremistische und gewaltverherrlichende Inhalte vorgehen.
Facebook verkündet „strategische Disruption“ der „Boogaloo“-Bewegung
Anlass für die Aktion war der gewaltsame Tod eines Polizeibeamten am 29. Mai in Oakland im Zuge von Ausschreitungen am Rande eines „Black Lives Matter“-Protests. Als mutmaßlicher Täter ist der Air-Force-Angehörige Steve Carillo angeklagt, der Verbindungen zur sogenannten „Boogaloo“-Bewegung haben soll. Der Name der Gruppe soll auf einen damals wenig beachteten Breakdance-Film aus dem Jahr 1984 zurückgehen. Die dort erzählte Geschichte einer Breakdance-Crew, die ihr Tanzlokal vor Immobilienspekulanten rettet, wird zur Metapher für den bewaffneten Konflikt mit der Staatsmacht, der den Anhängern der Bewegung als unausweichlich erscheint.
Wie BBC berichtet, hat Facebook am Dienstag (30.6.) hunderte von Accounts und Dutzende Gruppen gelöscht, die dieser Bewegung nahestehen, die bis vor kurzem noch kaum jemandem ein Begriff war, obwohl ihre Wurzeln bereits ins Jahr 2012 zurückreichen sollen.
In einer Erklärung von Facebook hieß es, man habe die Bewegung auf der Basis seiner Richtlinien bezüglich gefährlicher Personen und Organisationen von seiner Plattform verbannt. Die Gruppe sei einer „strategischen Disruption“ unterzogen worden, 220 Accounts auf Facebook und weiterer 95 von Instagram sowie 28 Seiten und 106 Gruppen, die dem Netzwerk zuzurechnen seien, wurden entfernt. Darüber hinaus sollen zusätzliche 400 Gruppen und 100 Seiten wegen der Verletzung der Facebook-Richtlinien zu gefährlichen Personen oder Organisationen gelöscht worden sein.
Heterogene Bewegung mit dem Staat als Feindbild
Die Bewegung, die unter Neonationalsozialisten und White-Supremacy-Gruppen ebenso Anhänger fand wie unter Libertären und Anarchisten, fordere „aktiv zur Gewalt gegen Zivilisten, Polizeibeamte und Regierungsbeamte sowie Institutionen auf“, hieß es zur Begründung. „Mitglieder des Netzwerks versuchen innerhalb der breiteren Boogaloo-Bewegung andere zu rekrutieren, dabei teilen sie denselben Online-Content und legen offline die gleiche Erscheinung an den Tag wie andere, um dies zu tun.“
Die nunmehrige Offensive ist nach Darstellung Facebooks nicht die Konsequenz der jüngsten Boykottdrohung von Werbern. Vielmehr habe man Boogaloo schon seit 2019 auf dem Schirm.
Die Bewegung ist lose und führerlos. Es gibt jedoch einen Konsens, was die Zustimmung zu einem bewaffneten Sturz der Regierung anbelangt, zudem bekenne man sich uneingeschränkt zum in den USA verfassungsmäßigen Recht auf Waffenbesitz. Ausgangspunkt der „Boogaloo Bois“ ist die Plattform 4chan. Über Memes und koordinierte Aktionen soll die Bewegung in sozialen Medien Fuß gefasst haben.
US-Generalstaatsanwalt William Barr hat in der Vorwoche eine Task Force gebildet, um gewalttätigen und staatsfeindlichen Bewegungen zu Leibe zu rücken, darunter auch der linksextremen „Antifa“ und eben auch Boogaloo. Während bezüglich der Bewertung der „Black Lives Matter“-Bewegung Differenzen innerhalb der Bewegung bestehen, begrüßen viele Anhänger die Gewalt gegen die Polizei, zu der es am Rande von Kundgebungen häufig kommt, und versuchen, diese für sich zu nutzen.
Dass Facebook gegen die Gruppe vorgegangen sei, zeige, wie ernst dem Unternehmen der Schutz der eigenen Community sei, betonte Vizepräsident Nick Clegg in Interviews mit Bloomberg und CNN.
„Wir profitieren nicht von Hass“, betonte er. „Wir haben keinerlei Anreiz, Hass auf unserer Plattform zuzulassen.“
EU-Kommission gibt zu: Facebook ist im Kampf gegen extreme Inhalte Konkurrenten voraus
Facebook habe eine langjährige Praxis, Hassrede explizit zu verbieten, dabei würden 89 Prozent der Fälle durch den Algorithmus entfernt, bevor sie überhaupt gemeldet würden. Sogar ein jüngst veröffentlichter Bericht der Europäischen Kommission kommt zu der Erkenntnis, dass Facebook bezüglich der Bekämpfung von Erscheinungsformen von Hassrede schneller sei als viele Mitbewerber.
„Ich werde nicht so tun, als würden wir alles loswerden, worauf Menschen in irgendeiner Weise negativ reagieren könnten“, erklärte Clegg gegenüber CNN. „Politisch gesehen gibt es Leute auf der Rechten, die denken, wir löschen zu viel, während Linke meinen, wir löschen zu wenig.“
Tatsächlich erweckt die jüngste Berichterstattung vieler Mainstreammedien zur Löschpraxis von Facebook den Eindruck, es gehe weniger darum, tatsächlich extremistische und gewaltbereite Gruppierungen von der Plattform zu entfernen, sondern unter dem Deckmantel des Kampfes gegen „Hassrede“ Zensur gegen den gewählten US-Präsidenten Donald Trump zu fordern.
Kampagne gegen Facebook nach Zuckerbergs Bekenntnis zu politischer Zurückhaltung
Nachdem Twitter einen Beitrag des Präsidenten der Moderation unterworfen und durch Hinweise von „unabhängigen Faktenprüfern“ ergänzt hatte, sprach sich Facebook-CEO gegen ein angemaßtes Richteramt seiner Plattform in politischen Angelegenheiten aus.
Dass sich nur wenige Wochen nach dieser Aussage ein Kartell von Konzernen, die sich dem „Woke Capitalism“ zuordnen, gegen Facebook bildet und sich über dessen angeblich zu lasche Gangart gegen „Hassrede“ zu echauffieren, könnte kein Zufall sein.
Linksliberale Medien widmeten in ihrer Berichterstattung über den geplanten Werbeboykott gegen Facebook auch vermeintlich problematischen Social-Media-Posts deutlich mehr an Aufmerksamkeit als der Boogaloo-Bewegung, deren starke Präsenz auf Facebook offenbar der eigentliche Anlass für die Kartellbildung war.
Der „Telegraph“ erwartet, dass die beteiligten Unternehmen den Boykott zeitnah beenden werden – das größte soziale Netzwerk der Welt sei als Werbeplattform weniger verzichtbar als möglicherweise angenommen.
YouTube entfernt Seiten prominenter „Alt-Right“-Protagonisten
Unterdessen hat die Plattform YouTube Kanäle mehrerer prominenter Vertreter der extremen Rechten gelöscht. Betroffen sind neben dem früheren „Großhexer“ des Ku-Klux-Klan und späteren Politikers David Duke auch Personen, die der „Alt-Right“ zugeordnet werden, wie Richard Spencer. Auch der Account des „Anarchokapitalisten“ Stefan Molyneux wurde von der Plattform entfernt. Molyneux hatte neben seinen wirtschaftspolitischen Ideen seit mehreren Jahren zunehmend auch eugenische Vorstellungen und Thesen einer vermeintlichen genetischen Überlegenheit der „weißen Rasse“ propagiert.
Gegner von US-Präsident Donald Trump versuchen, aus dem Umstand, dass Persönlichkeiten der „Alt-Right“ 2016 zur Stimmabgabe für diesen aufgerufen hatten, eine vermeintliche ideologische Nähe oder Verbundenheit herzuleiten. Publizisten wie Ben Shapiro sehen in der „Alt-Right“ hingegen Trittbrettfahrer, die versuchten, die Trump-Kampagne zu nutzen, um sich selbst als Konservative zu inszenieren. Ihre Vorstellungen hätten hingegen weder mit jenen Trumps noch mit jenen Konservativer etwas zu tun.
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