Weiterer Schock für den Immobilienmarkt: Verbände befürchten unbrauchbare Energieausweise
Der Immobilienmarkt in Deutschland steht nach wie vor unter erheblichem Druck. Inflation, höhere Materialkosten, fehlendes Angebot, ausbleibende Projekte, hohe Energiepreise und politische Regulierungen sorgen für Stagnation. Nun warnen Verbände vor einem neuen Unsicherheitsfaktor – dieser betrifft die sogenannten Energieausweise.
Zumindest eine Form davon könnte nun vor dem Aus stehen – und dies würde einen weiteren Faktor bedeuten, der Bauen, Kaufen oder Vermieten von Gebäuden verteuern könnte.
Energieausweis ist Pflicht – Form steht weitgehend frei
Wer ein Haus verkaufen oder vermieten möchte, ist verpflichtet, einen Energieausweis auszustellen. Dieser soll dem Erwerber oder künftigen Mieter eine grobe Orientierung darüber ermöglichen, von welchem Energieverbrauch er aufgrund von Erfahrungswerten ausgehen kann. Dies lässt Rückschlüsse auf die Kosten zu, die aufgrund des Zustandes und der Energiebilanz eines Gebäudes zu erwarten sind.
Bislang standen zwei Wege zur Verfügung, um einen Energieausweis auszustellen. Der sogenannte Verbrauchsausweis richtet sich am tatsächlichen Energieverbrauch der Bewohner eines Gebäudes aus. Aufgrund der entsprechenden Kennzahlen soll eine Prognose mit Blick auf die Zukunft erstellt werden.
Der Bedarfsausweis wiederum ist vom tatsächlichen Verbrauch der bisherigen Nutzer unabhängig. Er richtet sich allein nach Kennzahlen, die den Zustand eines Gebäudes betreffen. Aus diesem leitet sich in weiterer Folge ein theoretischer Energiebedarf her.
Verbrauchsausweis einfacher und günstiger zu erstellen
Grundsätzlich können Verkäufer oder Vermieter von Immobilien frei wählen, welche Form von Energieausweis sie vorlegen wollen. Es gibt nur wenige Fälle, in denen bisher ein Bedarfsausweis Pflicht ist. Einer davon sind Mehrfamilienhäuser mit weniger als fünf Wohneinheiten, die noch nicht unter die Wärmeschutzverordnung von 1977 fallen.
Die anderen sind Neubauten und Gebäude, an denen gerade eine Fassadendämmung oder eine Erneuerung von mehr als zehn Prozent der Fläche eines Außenbauteils stattgefunden hatte. Der Grund dafür liegt jeweils darin, dass es dann noch keine Verbrauchsdaten der vorangegangen drei Jahre gibt.
Der Verbrauchsausweis ist deutlich günstiger und unbürokratischer zu erstellen. Neben den Verbrauchsdaten der vergangenen drei Jahre für Heizung und Warmwasser muss er nur wenige zusätzliche Angaben enthalten. Dazu gehören jene über inspektionspflichtige Klimaanlagen und die Fälligkeit ihrer nächsten Inspektion – und detaillierte Angaben zu den Sanierungsständen.
Kalte Winter bleiben unerheblich – veränderte Heizungsgewohnheiten nicht
Häufig genügt für einen Verbrauchsausweis auch die Vorlage von Fotos, die wesentliche energetische Eigenschaften des Gebäudes erkennen lassen. Eine Begehung durch Experten ist nicht immer erforderlich.
Es gibt zudem auch Berechnungsansätze unter Beiziehung von Klimafaktoren. Dadurch können extreme Zustände mit Auswirkung auf den Verbrauch wie sehr milde oder sehr kalte Winter eingepreist werden. Es entsteht so ein „klimabereinigter“ Energieausweis.
Ein Unsicherheitsfaktor bleibt jedoch das Heizverhalten der jeweiligen (Vor-)Bewohner insgesamt. Wechseln diese oder verändern diese ihre Gewohnheiten, ändert sich auch die Bewertung im Energieausweis.
Bedarfsausweis orientiert sich an physikalischen Parametern
Demgegenüber stellt der Bedarfsausweis eine reine Berechnung dar, die sich an nutzerunabhängigen Parametern orientiert. Er errechnet den jährlichen Bedarf aufgrund relevanter physikalischer Eigenschaften des Hauses, der verwendeten Heiz- und Lüftungstechnik und des Primärenergieverbrauchs.
In diesem Zusammenhang fließt die komplette Kette der Energiebereitstellung ein. Dies führt dazu, dass sich der Primärenergieverbrauch auch bei ähnlichem Endenergieverbrauch deutlich voneinander unterscheiden kann.
Messungen vor Ort sind auch hier nicht zwingend erforderlich, weil sich die Kennwerte aufgrund standardisierter Annahmen über Faktoren wie Witterung und Nutzerverhalten errechnen. Dennoch ist der Bedarfsausweis regelmäßig die teurere Form des Energieausweises.
Verbraucherfunktionär fordert: Nur noch Bedarfsausweise als Energieausweise zulassen
Perspektivisch könnte er auch der Einzige werden. Gegenüber dem „Spiegel“ warnten jüngst die Aachener Energieökonomen Constanze Liepold und Paul Fabianek: Es sei davon auszugehen, dass ein Großteil der 2023 ausgestellten Energieausweise „praktisch unbrauchbar“ sein dürfte. Eine ähnliche Einschätzung vertritt Christian Handwerk von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Die Krisen der vergangenen drei Jahre hätten so extreme Auswirkungen gehabt, dass ein vernünftiger Energieausweis nicht aufgrund der Verbrauchsentwicklung erfolgen könne. Die Lockdowns in den Wintermonaten während der Corona-Krise hätten 2020 und 2021 zu einem ungewöhnlich hohen Energieverbrauch geführt.
Demgegenüber hätten der Ukraine-Krieg und die Explosion der Energiepreise zu einem ungewöhnlich ausgeprägten Sparverhalten geführt. Restunsicherheiten über die künftige Preisentwicklung würden ebenfalls Auswirkungen auf das Heizverhalten erwarten lassen. Im Ergebnis führte dies zu verfälschten oder irreführenden Ergebnissen.
Handwerk forderte, künftig nur noch Bedarfsausweise als Energieausweise zuzulassen. Allerdings müsste der Bund dafür das Gebäudeenergiegesetz überarbeiten. In der jüngsten umstrittenen Novelle habe sich die Ampelkoalition auf Heizungen beschränkt, moniert der Verbandsfunktionär. Die Vorschriften für Energieausweise sei sie „bislang leider nicht angegangen“.
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