Viele Kleinanleger verloren Geld: Merkel verteidigt Einsatz für Wirecard bei China-Reise
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihren Einsatz für das damalige Dax-Unternehmen Wirecard bei einer China-Reise 2019 verteidigt.
„Die Wirecard AG genoss bei der Reise keine Sonderbehandlung“, sagte die CDU-Politikerin im Untersuchungsausschuss zum mutmaßlichen Betrugsskandal um das Fintech-Unternehmen im Bundestag. Das Bemühen von Wirecard um Markteintritt in China habe sich mit den Zielen der Bundesregierung gedeckt. Es sei normal, dass sich die Bundesregierung und auch die Kanzlerin bei bilateralen Kontakten für die Interessen der deutschen Wirtschaft einsetze. Merkel betonte: „Es gab damals allen Presseberichten zum Trotz keinen Anlass, von schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei Wirecard auszugehen.“
Im vergangenen Sommer hatte Wirecard ein Bilanzloch von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Jahresabschlüsse mindestens seit 2015 gefälscht wurden. Die Wirtschaftsprüfer gaben diesen Abschlüssen jedoch immer wieder uneingeschränkt ihren Stempel. Durch die Pleite entstand nach Rechnung der Union ein wirtschaftlicher Schaden von rund 22 Milliarden Euro – viele Kleinanleger verloren Geld.
Vor der China-Reise hatte Merkel ein Gespräch mit dem früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der als Lobbyist für Wirecard tätig war. Sie könne sich zwar nicht erinnern, dass Guttenberg Wirecard konkret erwähnt habe, sagte Merkel. Es sei aber richtig, dass sie ihn nach dem Gespräch an ihren Wirtschaftsberater Lars-Hendrik Röller verwiesen habe.
Merkel hat sich „nicht mit Ruhm bekleckert“
Von der Befragung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Wirecard-Untersuchungsausschuss hatte sich die Opposition Einblicke in das Geschehen rund um die China-Reise der Kanzlerin 2019 erhofft. Wenn sich „über Nacht über 20 Milliarden Euro in Konfetti auflösen, muss jemand dafür die politische Verantwortung tragen“, sagte der Obmann der Linksfraktion im Untersuchungsausschuss, Fabio De Masi, am Freitag vor dem Beginn der Sitzung. Er spielte damit auf den Börsenwert des mittlerweile insolventen Unternehmens an.
Merkel müsse beantworten, weshalb sie sich „beim mächtigsten Mann Chinas“ für ein Unternehmen eingesetzt habe, von dem Unregelmäßigkeiten bekannt gewesen seien. Wirecard hatte Ende Juni 2020 Insolvenz angemeldet und soll jahrelang die Bilanzen gefälscht haben. Der Untersuchungsausschuss arbeitet die Geschehnisse rund um den Skandal auf und befragt dazu am Vormittag die Bundeskanzlerin.
Grünen-Ausschussmitglied Danyal Bayaz sagte dazu, er erwarte durchaus, dass sich die Kanzlerin im Ausland für deutsche Interessen und auch deutsche Unternehmen einsetze. Der Zeitpunkt hätte allerdings „mehr Sensibilität“ erfordert. Merkel habe sich „nicht mit Ruhm bekleckert“.
CSU-Finanzexperte kritisiert Guttenberg im Wirecard-Skandal scharf
Vor der Befragung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Wirecard-Untersuchungsausschuss hatte der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach seinen Parteikollegen Karl-Theodor zu Guttenberg für dessen Lobbyarbeit im Kanzleramt scharf kritisiert. „Man kann nicht eine Bundeskanzlerin für Geschäfte einspannen“, sagte Michelbach dem „Handelsblatt“ vom Freitag. „Vor allem dann nicht, wenn man das Geschäftsmodell selbst nicht geprüft und dafür auch noch 900.000 Euro eingestrichen hat“, fügte Michelbach hinzu.
Der Wirecard-Skandal habe ihn „die Freundschaft mit Guttenberg gekostet“, sagte der CSU-Politiker, der auch stellvertretender Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den Vorgängen rund um den mutmaßlichen Milliardenbetrug des einstigen Dax-Konzerns ist. „Er hat mich beschimpft, dass ich ihn nicht unterstützt hätte.“
Der frühere Wirtschafts- und Verteidigungsminister Guttenberg hatte bei Merkel vor einer China-Reise für Wirecard lobbyiert, damit die Kanzlerin sich in Peking für den Konzern einsetzt. „Bei Wirecard haben zu viele Lobbyisten Geld gerochen, die Selbstverantwortung der Wirtschaft hat nicht funktioniert“, sagte Michelbach dem „Handelsblatt“
Der CSU-Finanzpolitiker zog eine positive Bilanz der Arbeit des Ausschusses. Dieser habe aufgedeckt, „wie so ein unvergleichlicher Anschlag auf die marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung möglich war“, sagte Michelbach. Wenn alles zusammengerechnet werde – die Verluste der Anleger, der Schaden für die Gläubiger -, dann seien bisher insgesamt mindestens 22 Milliarden Euro verloren gegangen. Und die Summe wachse mit dem Insolvenzverfahren wohl noch weiter.
„Das so etwas möglich war, da muss man schon sagen: Auf breiter Ebene hat nichts funktioniert, Politik und Finanzaufsicht haben es den Betrügern zu einfach gemacht.“ Es habe viele Verfehlungen gegeben, die Politik habe „immerzu gewartet“, obwohl das Finanzministerium von der Finanzaufsicht Bafin informiert worden sei.
Insbesondere kritisierte Michelbach Finanzstaatssekretär Jörg Kukies. Dieser sei „ein ganz aktiver Teil des Versagens“ gewesen, aber auch Finanzminister Olaf Scholz, Justizministerin Christine Lambrecht (beide SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) müssten sich „nach ihrer Verantwortung für das Desaster fragen lassen“, sagte der CSU-Politiker.
Wirecard hatte Ende Juni 2020 Insolvenz angemeldet und soll jahrelang die Bilanzen gefälscht haben. Der auf Antrag der Fraktionen von Linke, Grünen und FDP eingesetzte Untersuchungsausschuss arbeitet die Vorkommnisse rund um den Zahlungsdienstleister auf und untersucht insbesondere das Vorgehen der Bundesregierung und der ihr unterstehenden Behörden.
Wirtschaftsminister Altmaier, Justizministerin Lambrecht und Finanzminister Scholz hatten vor dem Ausschuss eine Mitschuld an dem Skandal zurückgewiesen.
(dpa/afp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion