Verbraucherzentralen bringen Klage gegen VW auf den Weg
Verbraucherschützer haben im Dieselskandal die bundesweit erste Musterfeststellungsklage auf den Weg gebracht. Stellvertretend für Zehntausende Dieselfahrer zieht der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen Volkswagen vor Gericht.
„Volkswagen hat betrogen und schuldet geschädigten Verbraucherinnen und Verbrauchern dafür Schadenersatz“, forderte Vorstand Klaus Müller am Donnerstag. Der Verband reichte seine Klage nach eigenen Angaben noch in der Nacht per Fax beim Oberlandesgericht Braunschweig ein. Die Übertragung des mehr als 240 Seiten starken Dokuments schlug mehrmals fehl, gelang dann aber gegen 2 Uhr – und dauerte fast 40 Minuten.
Das Instrument der Musterfeststellungsklage ist ganz neu und erst seit Donnerstag in Kraft. Verbraucherschützer können damit stellvertretend für viele Betroffene gegen Unternehmen klagen. Die Verbraucher selbst tragen dabei kein finanzielles Risiko. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen will mit seiner Klage erreichen, dass Dieselfahrer, die vom Rückruf bei Volkswagen betroffen sind, für den Wertverlust ihrer Fahrzeuge entschädigt werden. Ziel sei, dass sie den Kaufpreis erstattet bekommen, sagte Müller.
Im September 2015 hatte VW Manipulationen an Dieselmotoren einräumen müssen. US-Umweltbehörden hatten festgestellt, dass nur bei Tests die Abgasreinigung voll aktiviert war, während der Ausstoß auf der Straße viel höher lag. Vom Pflichtrückruf bei Volkswagen sind 2,5 Millionen Autos betroffen. Ihre Besitzer können sich nun der Musterklage anschließen, wenn sie nicht bereits allein vor Gericht gezogen sind. Die Anwälte des Verbands rechnen damit, dass sich mehrere Zehntausend Dieselfahrer in das offizielle Register eintragen. Nach Angaben des ADAC, der die Klage zusammen mit den Verbraucherschützern organisiert hat, wird das Verfahren voraussichtlich Mitte November beim Bundesamt für Justiz eröffnet.
Volkswagen rechnet nicht damit, dass die Klage Erfolg haben wird. Kunden in Deutschland hätten trotz der „Umschaltlogik“ – also der im Dieselskandal aufgeflogenen Abschalteinrichtung der Abgasreinigung – keine Ansprüche, erklärte der Branchenprimus. Die Fahrzeuge seien genehmigt, technisch sicher und fahrbereit.
Derzeit sind nach VW-Angaben 26.600 Verfahren von Kunden mit einem Schummel-Diesel anhängig, rund 7400 Urteile seien bisher ergangen. An Landesgerichten blieben die Klagen laut VW überwiegend erfolglos. Während Kläger-Anwälte dem Konzern vorwerfen, spätestens auf der Ebene der Oberlandesgerichte den Vergleich zu suchen, betonte VW, die Zahl der Vergleiche sei relativ gering. Die genaue Zahl wollte Volkswagen aber nicht nennen.
„Autofahrer wurden von Volkswagen lange genug hingehalten. Jetzt reicht’s“, sagte Müller. Gewinnen die Verbraucherzentralen den Musterprozess, müssen die Dieselfahrer die Höhe des Schadenersatzes selbst durchsetzen und dafür womöglich noch einmal vor Gericht. Verbraucherministerin Katarina Barley (SPD) hält es jedoch für möglich, dass VW in diesem Fall zu Entschädigungen bereit sei. Wenn geklärt sei, dass es einen Anspruch auf Schadenersatz gebe, werde sich das beklagte Unternehmen „sehr gut überlegen, ob es sich überhaupt noch von jedem einzelnen Geschädigten verklagen lässt oder ob es nunmehr schnell, einfach und fair entschädigt“, sagte sie.
Die FDP meldete dagegen hat an der Musterfeststellungsklage Zweifel an. Die große Koalition habe eine „bessere Rechtsdurchsetzung für Verbraucher und ein effektives Verfahren“ für Kläger und Gerichte versprochen, sagte die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagfraktion, Katharina Willkomm, dem „Handelsblatt“. „Die betroffenen Verbraucher, als erstes die geschädigten Dieselfahrer, werden feststellen, dass sich keines dieser Versprechen realisieren wird – allerdings erst in einigen Monaten.“ Willkomm gab zu bedenken, dass sich das Musterklageverfahren der Verbrauchzentralen im Dieselskandal gegen Volkswagen in die Länge ziehen werde. Am Ende stehe dann kein Schadenersatz für die betroffenen Dieselbesitzer, „sondern bestenfalls die gerichtliche Bestätigung, dass ein Schaden vorliegt“. (dpa)
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