Schufa wirbt unter Verbrauchern für Bonify-App – und will Einblick in Kontodaten
Einen kostenlosen Dienst will die Wirtschaftsauskunftei Schufa („Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“) bis zum Jahresende entwickeln. Dieser soll Verbraucher proaktiv über negative Einträge mit möglichen Auswirkungen auf die Bewertung ihrer Bonität informieren. Bislang ist ein solcher Dienst kostenpflichtig. Eine App des kürzlich erworbenen Finanz-Start-ups Bonify soll dies nun ändern.
Allerdings hätte der kostenlose Service für die Verbraucher am Ende einen anderen Preis: Wer den Dienst als Verbraucher unentgeltlich nutzen möchte, muss der Schufa im Gegenzug ab 2024 Einblick in seine Konten gewähren. Dabei gehe es der Auskunftei zufolge lediglich um Einkommen. Teure Hobbys oder an wen jemand spende, sei nicht von Belang, äußerte Schufa-Chefin Tanja Birkholz gegenüber der „Zeit“.
NGO bezweifelt dauerhafte Freiwilligkeit der Nutzung von Bonify-App
Die NGO „Finanzwende“ warnt gegenüber der „Tagesschau“ vor noch mehr Macht für die Schufa, die jetzt schon einen wesentlichen Einfluss auf das Leben von Menschen ausübe. Dort befürchtet man, dass von der App ein indirekter Druck dahingehend ausgehe, diese früher oder später zu installieren.
Je weiter sie verbreitet sei, umso mehr Dienstleister könnten voraussetzen, dass potenzielle Kunden diese auch nutzten. Vereinsvorstand Gerhard Schick wirft die Frage auf:
Ist die Datenweitergabe wirklich freiwillig, wenn ich ohne gute Schufa-Bewertung keine Mietwohnung bekomme und diese gute Schufa-Bewertung nur mit dem Kontoeinblick erreiche?“
Schufa versichert: Geoscoring bleibt absoluter Ausnahmefall
Tatsächlich ist die Einschätzung der Schufa bezüglich der Kreditwürdigkeit vorentscheidend für das Zustandekommen vieler Verträge des täglichen Lebens. Dabei geht es vor allem um Dauerschuldverhältnisse.
Wer einen Handyvertrag, einen Mietvertrag oder einen Liefervertrag für Gas und Strom anstrebt, muss im Regelfall eine Ermächtigung auf Einholung einer Schufa-Auskunft erteilen. In einigen Fällen verweigerten Dienstanbieter potenziellen Kunden sogar einen Vertragsabschluss, weil sie in einer bestimmten Wohngegend lebten.
Zu diesem sogenannten „Geoscoring“ erklärt die Schufa, dass man standardmäßig keine Daten zur Wohngegend für das Scoring verwende. Dieses Scoring greife „nur in Ausnahmefällen“ – nämlich, wenn keine anderen relevanten Informationen zu einer bestimmten Person vorlägen. Nur in 0,3 Prozent aller Fälle spiele dies eine Rolle, und es gelte nur im Bereich des Onlinehandels.
Offenlegung des Algorithmus erst, wenn alle anderen dies auch tun
Im Jahr 2021 hatte die Schufa mit ihren Dienstleistungen einen Gesamtumsatz von etwa 250 Millionen Euro generiert. Sie ist eigenen Angaben zufolge im Besitz von Daten über etwa 68 Millionen Menschen.
„Finanzwende“ fordert von der Schufa, offenzulegen, auf welcher Grundlage sie ihren Score berechnet. Die Auskunftei betrachtet dies hingegen als Geschäftsgeheimnis und will ihren Algorithmus für sich behalten.
Schufa-Chefin Birkholz erklärte dazu, man könne erst „darüber reden“, wenn auch alle anderen Auskunfteien diesen Schritt getan hätten. Die Bonify-App sei ein Dienst am Verbraucher. Dieser könne bald kostenlos und digital seinen persönlichen Schufa-Basisscore einsehen – und werde über relevante Änderungen informiert.
Zudem solle es Nutzern möglich sein, in der App zu simulieren, welche Schritte welchen Einfluss auf den Score hätten. Dazu gehöre beispielsweise die Kündigung eines Girokontos oder das Ausprobieren neuer Finanzprodukte.
Geschäftsmodell der Schufa zuletzt unter Druck
Die Schufa ist bislang im Bilde über Grunddaten von Kunden. Dazu gehöre beispielsweise, ob dieser über ein Girokonto oder eine Kreditkarte verfüge. Wirtschaftsunternehmen versorgen die Auskunftei demgegenüber mit eigenem Input. Auf diese Weise fließen auch Informationen über Zahlungsschwierigkeiten, Insolvenzen oder geplatzte Kredite an den Dienst – und in die Bewertung.
Nicht informiert ist die Schufa hingegen über den aktuellen Kontostand, über regelmäßige Ein- und Ausgänge auf dem Girokonto, über Lottogewinne oder Erbfälle. Mittels der Bonify-App soll sich dies nun ändern – auf freiwilliger Basis, wie die Schufa betont. Zudem soll die App die Möglichkeit einer kostenlosen Mieterauskunft bieten.
Zuletzt war das Geschäftsmodell der Schufa von mehreren Seiten unter Druck geraten. Eine Bank erhielt eine Abmahnung, weil sie einen Kreditkartenantrag auf der Grundlage einer Schufa-Auskunft vollautomatisch abgelehnt habe. Berlins Datenschutzbeauftragte verhängte gegen diese Bank wegen Verletzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ein Bußgeld in Höhe von 300.000 Euro.
Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) muss sich die Schufa selbst einem Verfahren stellen. Hier geht es um die Frage, ob nicht die Berechnung des Schufa-Scores auch als solche eine unzulässige „automatisierte Entscheidung“ darstelle. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hatte den Fall aufgrund einer Klage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
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