Autoindustrie: Mit weniger Autos mehr verdienen

Autohändler sollen künftig nur noch eine Vermittlerrolle spielen, das Angebot wird künstlich verknappt. In der Autoindustrie zählt nur noch der maximale Gewinn – und der ist in der hohen Preisklasse zu finden, nicht beim Kleinwagen.
Titelbild
Fahrzeuge im höheren Preissegment bei einem Hamburger Autohändler.Foto: Istockphoto/We-Ge
Von 18. April 2022

Ende November vergangenen Jahres wurde bekannt, dass die 16 weltgrößten Autokonzerne Gewinne in Rekordhöhe erwirtschaftet hätten – trotz des Chipmangels, der die Autoindustrie plagt, weniger produzierten Autos, trotz der Corona-Pandemie und ihrer Folgen. Dies ergab eine Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirma Ernst & Young (EY), so die „Tagesschau“.

Die aktuell von der ARD recherchierten Zahlen für den operativen Gewinn (EBIT) der 16 Autoriesen liegen bei 134 Milliarden Euro – ein Plus von 168 Prozent im Jahresvergleich. Toyota, Volkswagen und Mercedes-Benz liegen demnach an der Spitze der Autokonzerne.

Bei anderen Branchen sah es offenbar nicht so rosig aus, wie etwa der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (IWD) nun berichtet: „Ohne die Corona-Pandemie wäre die Wirtschaftsleistung Deutschlands in den Jahren 2020 und 2021 laut IW um etwa 340 Milliarden Euro höher ausgefallen.“ In dem Bericht wird die Pandemie als „Schwarzer Schwan“ bezeichnet, weil die Pandemie die Volkswirtschaft völlig unvorbereitet erwischt hatte. Die Folgen für die Wirtschaft seien „massiv“.

Die neue Strategie wie im Jachtbau: Luxus statt Masse

Mit welcher neuen Strategie Mercedes, BMW und VW ihren Gewinn derart steigern konnten, zeigt das „Handelsblatt“. Nahezu alle Fahrzeughersteller folgten über Jahrzehnte hinweg der Logik „je mehr verkaufte Autos, umso besser“. Es wurde unter Volllast produziert, bei Überkapazitäten wurden die Neuwagen zum Monatsende mit erheblichen Nachlässen in den Markt gedrückt.

Nun zählt als neue Leitwährung der Branche nicht mehr der Absatz, sondern nur noch der Gewinn. Die Konzerne bauen bewusst größere Modelle, für die sie mehr Geld verlangen könnten. Dafür werden die unrentablen Kleinwagen aus dem Programm gestrichen.

In diesem Zusammenhang werden zudem mit einem neuen Agenturmodell schrittweise die Autohändler entmachtet, „um Einheitspreise durchzusetzen“. Kunden sollen künftig direkt mit Mercedes, BMW und VW handeln, der Vertrieb über selbstständige Händler wird tendenziell beendet. Die Händler sollen künftig nur noch als Vermittler in Erscheinung treten.

Ertrag von 6.000 Euro pro Auto

Teilweise wird das Angebot künstlich verknappt, um die Produkte begehrenswerter erscheinen zu lassen, so ein Vorwurf der Wirtschaftszeitung. Eine Analyse der Investmentbank Stifel zufolge betrage bei Mercedes die durchschnittliche Lieferzeit etwa acht Monate, bei VW sechs Monate und bei BMW vier Monate.

Die knappen Chips werden derzeit vorwiegend in „hochpreisige und margenstarke Fahrzeuge eingebaut“. Die Kosten für Metalle und Rohstoffe, für Energie und Personal steigen – und lassen sich mit Mittelklassewagen kaum wieder einspielen. „Wir priorisieren andere Segmente“, erklärt Audi-Chef Markus Duesmann zum bevorstehenden Ende der Produktion des erst 2016 eingeführten kleinen SUV Q2. Luxuslimousinen nehmen hingegen zu. „Wir werden unsere Modellpalette nach unten begrenzen und nach oben erweitern.“ Im Ergebnis lag die Gewinnmarge bei BMW und Mercedes-Benz jeweils bei zwölf Prozent.

Bei Mercedes wird das kleinste Produkt – der Smart – zu einem SUV weiterentwickelt, unrentable Kompaktwagen wie die B-Klasse verschwinden. Im Frühsommer 2020 wurde mitgeteilt, dass der Autobauer in jedem Segment möglichst nur noch Luxusfahrzeuge anbieten will.

Im Schnitt erzielten Mercedes-Benz, BMW und VW einen Ertrag von 5.963 Euro pro Neuwagen – 61 Prozent mehr im Vorjahresvergleich. Durchschnittlich betrug der Umsatz pro Fahrzeug 50.552 Euro, was gleichfalls einen neuen Rekord markiert. Das bedeutet für die Verbraucher, dass Pkw immer mehr kosten: 2010 waren es noch 25.000 Euro für einen Neuwagen, aktuell sind es durchschnittlich um die 37.000 Euro. Gebrauchtwagen werden ebenfalls teurer und liegen derzeit durchschnittlich bei 22.840 Euro. Tendenz bei beidem: steigend.

Wer produziert dann die Kleinwagen?

Woher die Kleinwagen, die die deutschen Straßen bevölkern, später kommen, bleibt offen. Das Branchen-Wirtschaftsmagazin für die Automobil- und Zulieferindustrie „Automobil Produktion“ berichtete jüngst, dass mittlerweile die chinesischen Autohersteller verstärkt nach Europa drängen, einige davon würden sogar unter „falscher Flagge“ segeln.

Während die Shanghaier Autohersteller Nio und Aiways versuchen, ihre eigenen Marken in Europa aufzubauen, geht der chinesische Autogigant SAIC den Weg des Kuckucks. Die ehemals britische Automarke MG wurde durch Übernahme der Markenrechte zur chinesischen Automarke MG. Bekannt ist auch die chinesische Geely-Gruppe, die sich bei zahlreichen europäischen Herstellern einkaufte oder sie gleich ganz übernommen hat. Mittlerweile sind die Chinesen auch der größte einzelne Anteilseigner bei Mercedes und reden bei den Entscheidungen in Stuttgart ein Wörtchen mit.



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