Unternehmen wandern nach Polen ab: Kohle und Kernkraft als Standortvorteile
„Klimaschutz muss wehtun“, darin sind sich alle Verfechter einer konsequenten Nachhaltigkeitspolitik einig. Und schon Al Gore mahnte: „Wenn wir keinen Planeten mehr haben, geht es der Wirtschaft nicht gut.“ Wie es aussieht, ist die Schmerzgrenze zahlreicher deutscher Unternehmen allerdings mittlerweile überschritten. Selbst ein Traditionsunternehmen wie Miele verlagert einen erheblichen Teil seiner Produktion aus dem selbst ernannten Öko-Musterschülerland Deutschland nach Polen.
Miele begründet Abwanderung nach Polen mit Kostenentwicklung
In der Vorwoche machte Miele, ein deutscher Traditionskonzern der Elektrobranche, eine alarmierende Ankündigung. Das Unternehmen wolle nicht nur 2.000 Stellen abbauen, das hauseigene „Effizienzprogramm“ sehe auch die Verlagerung von 700 Arbeitsplätzen in der Produktion nach Polen vor.
Miele beziffert das Einsparungserfordernis, das der Entscheidung zugrunde liege, auf 500 Millionen Euro bis 2026. Neben den Energiekosten für die Produktion sind auch die Preise für Rohstoffe gestiegen. Insgesamt gäbe es einen deutlichen Rückgang der Nachfrage, vor allem im Premiumgeschäft.
Irritiert zeigt sich der „Focus“ über die Entscheidung – zumal Miele nicht das einzige deutsche Unternehmen ist, das seine Produktion nach Polen verlagert: „Kostenvorteile schlagen Nachhaltigkeitsüberlegungen“, schreibt das Medium. Dabei zeigt es auf, dass etwa 60 Prozent der dort produzierten Energie aus Kohlekraftwerken mit einer entsprechenden Emissionsbilanz stammen. Mit Bełchatów verfügt das östliche Nachbarland sogar über das weltgrößte noch aktive Braunkohlekraftwerk.
Kohle wird perspektivisch abgelöst – durch Kernkraft
Sowohl beim Energiemix als auch bei den energiepolitischen Weichenstellungen geht Polen einen anderen Weg als Deutschland. Zwar setzt das Land perspektivisch ebenfalls auf weniger Energie aus Kohle. Es sollen jedoch nicht in erster Linie Solarprojekte und Windparks sein, die an deren Stelle treten, sondern neue Kernkraftwerke.
Die Entwicklung deutet darauf hin, dass Appelle der Politik an ökologischen Patriotismus bislang nur einen begrenzten Effekt zeigten. Vor allem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine Staatssekretärin Franziska Brantner hatten an Unternehmen appelliert, die deutsche Vorreiterrolle beim weltweiten Klimaschutz aus patriotischer Verbundenheit zu unterstützen.
Stattdessen haben dem Statistischen Bundesamt zufolge mittlerweile fast 6.000 deutsche Unternehmen in Polen Fuß gefasst, die insgesamt etwa 430.000 Mitarbeiter beschäftigen. In den vergangenen Jahren summierte sich die Gesamtinvestitionssumme deutscher Unternehmen im Nachbarland auf mehr als 37 Milliarden Euro.
Von Möbeln über Autoteile und Elektrogeräte bis hin zu Wärmepumpen
Den Daten des Statistischen Bundesamtes entnehmen Analysten, dass auch auf europäischer Ebene Polen Deutschland in der Rangliste der attraktivsten Zulieferer- und Verlagerungsländer den Rang abgelaufen hat. Nur noch 19 Prozent der Unternehmen sehen in Deutschland diesbezüglich Vorteile. Demgegenüber liegt Polen in der Rangliste mit 23 Prozent an erster Stelle – und auch die Türkei befindet sich mit 12 Prozent auf der Überholspur.
Vor allem in der EU gefertigte Haushalts- und Elektrogeräte werden zunehmend in Polen produziert. Unternehmen wie Philips, Sharp, TCL oder LG Electronics produzieren dort Fernsehgeräte. Überdies ist Polen Europas führender Exporteur von E-Bussen. An mehr als 60 Standorten werden Lithium-Ionen-Batterien produziert.
Aber auch namhafte Hersteller von Möbeln, Hörgeräten, Elektromotoren, Autoteilen und sogar Wärmepumpen haben ihre Produktion jüngst von Deutschland nach Polen verlegt. VW produziert seine Verbrennermodelle statt in Wolfsburg künftig im östlichen Nachbarland. Die derzeit noch in Deutschland produzierenden Autozulieferer Valeo und IFA sind auf dem Absprung.
Polen wird auch für Eigenheimbesitzer attraktiver
Neben der Energieversorgung ist dem Vorstand der deutsch-polnischen Handelskammer, Lars Gutheil, zufolge, auch der Fachkräftemangel ein Faktor. Gegenüber dem „Focus“ erklärte der Funktionär, dass dieser in Polen deutlich weniger stark ausgeprägt sei als in Deutschland. Zudem seien die Gehälter noch niedriger und Investoren könnten auf weniger Bürokratie zählen.
Auch Häuslebauer zieht es zunehmend auf die andere Seite der Oder. Dem Berliner Professor für Immobilienwirtschaft Florian Koch zufolge sind Häuser und Wohnungen in Polen noch um bis zu 40 Prozent günstiger als in Deutschland.
Im Jahr 2016 sind zudem bürokratische Hürden für deutsche Immobilienkäufer in Polen weggefallen. Bis dahin war ein Erwerb nur über polnische Strohpersonen oder mit Genehmigung des zuständigen Ministeriums möglich.
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