Ökonom: Wirtschaftskrise verringert Lebenserwartung – Corona-Maßnahmen unterm Strich unverhältnismäßig
Nach Ansicht des Finanzwissenschaftlers Bernd Raffelhüschen waren die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie unverhältnismäßig. "Unter dem Strich kostet der Wachstumseinbruch deutlich mehr Lebensjahre, als wir bewahren konnten", sagte er gegenüber der "Welt".

Menschen unterwegs auf der Zeil in Frankfurt vor der Corona-Krise. Symbolbild.
Foto: iStock
Der extreme Konjunktureinbruch hat nicht nur wirtschaftlich negative Folgen, sondern reduziert nach Ansicht des Finanzwissenschaftlers Bernd Raffelhüschen auch erheblich die Lebenserwartung der gesamten Bevölkerung.
Das berichtet die „Welt“ unter Berufung auf Berechnungen des Ökonomen von der Universität Freiburg. „Unter dem Strich kostet der Wachstumseinbruch deutlich mehr Lebensjahre, als wir bewahren konnten“, sagte Raffelhüschen. „Verlierer sind wir alle, die Jungen mehr, die Alten weniger.“
Insgesamt seien die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie deshalb unverhältnismäßig gewesen. „Eine ein-prozentige BIP-Veränderung führt zu einer Veränderung der Lebenserwartung um fast einen Monat, genau um 0,89 Monate“, sagte der Leiter des Forschungszentrums Generationenverträge der „Welt“.
Dies zeige die langfristige Entwicklung des realen BIP pro Kopf in Deutschland, die seit den 50er Jahren mit einem stetigen Anstieg der Lebenserwartung einhergehe. Die entsprechenden Berechnungen basieren auf Daten des Statistischen Bundesamtes.
Der Grund für die enge Korrelation von Wirtschaftswachstum und steigender Lebenserwartung ist laut Raffelhüschen die Tatsache, dass ein BIP-Anstieg technischen Fortschritt bringt, der wiederum mit medizinischem Fortschritt einhergeht.
Konjunkturrückgang bremst Krebs- oder Herzinfarktforschung
Auch wenn jetzt viel Geld in die Forschung nach einem Impfstoff und Therapien gegen Corvid-19 fließe, bremse der herbe Konjunkturrückgang dennoch insgesamt gesehen den medizinischen Fortschritt etwa in der Krebs- oder Herzinfarktbekämpfung ab.
Die Bundesregierung erwartet für dieses Jahr einen Rückgang des realen BIP um 6,3 Prozent. „Damit ist ein Verlust von mehreren Millionen Lebensjahren zu befürchten“, sagte der Forscher.
In seinen Berechnungen kommt er für die Gesamtbevölkerung auf mehr als 37 Millionen verlorene Lebensjahre, die diese schwerste Rezession der Nachkriegszeit zur Folge haben werde. Für jeden Einwohner bedeute dies im Durchschnitt einen Verlust an gut fünf Monaten fernerer Lebenserwartung, so der Ökonom.
Der Leiter des Forschungszentrums Generationenverträge bestreitet keineswegs, dass durch den Lockdown mit weitreichenden Kontaktverboten und der Schließung von Schulen, Betrieben und nationalen Grenzen die Zahl der Corona-Toten in Deutschland vergleichsweise niedrig gehalten wurde.
Nach seinen Berechnungen verhinderte diese Strategie hierzulande rund 60.000 Corona-Todesfälle. Unter Berücksichtigung des hohen Durchschnittsalters der Verstorbenen kommt der Ökonom auf maximal gewonnene 557.000 Lebensjahre. Kalkuliert man auch den Aspekt der Vorerkrankungen ein, ergibt sich das Minimum von 180.000 gewonnenen Lebensjahren. (dts)
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