Labile Marktlage bei LNG: EU-Rechnungshof sieht noch kein Ende der Gaskrise

Der Rechnungshof der EU sieht die Gasversorgungskrise in Europa trotz geringerer Abhängigkeit von russischen Lieferungen noch nicht ausgestanden. Auch die Sicherheit der Versorgung mit LNG sei nicht zu hundert Prozent gewährleistet. Dazu gebe es wenige Fortschritte bei der CO₂-Abscheidung.
Ein LNG Tanker liegt mit einer Ladung LNG im Energie-Terminal. Auf der Insel Rügen kann Flüssigerdgas angelandet und nach der Umwandlung in Gas über eine Erdgas-Anbindungsleitung nach Lubmin in das deutsche Verteilnetz eingespeist werden.
Ein LNG-Tanker mit einer Ladung LNG im Energieterminal: Auf der Insel Rügen kann Flüssigerdgas angelandet und nach der Umwandlung in Gas über eine Erdgas-Anbindungsleitung nach Lubmin in das deutsche Verteilnetz eingespeist werden.Foto: Stefan Sauer/dpa
Von 25. Juni 2024

Den akuten Versorgungsschock mit Gas in Anbetracht des Ukraine-Krieges 2022 konnten die Mitgliedstaaten der EU mithilfe von Preissubventionen und umfangreichen Ersatzinvestitionen einigermaßen abfedern. Mittlerweile sind die Marktpreise gesunken, die Versorgungslage hat sich nicht zuletzt infolge von LNG-Lieferungen stabilisiert. Der Rechnungshof der EU (ECA) warnt jedoch in seinem jüngsten Bericht davor, die Krise vorzeitig ad acta zu legen.

Ukraine-Krieg fügte Preisanstieg noch Panikreaktionen hinzu

Die Gaspreise in der EU waren bereits im Laufe des Jahres 2021 spürbar angestiegen. Ein Grund dafür war die anziehende Nachfrage in Anbetracht der Erholung der Wirtschaft von der Corona-Krise. Der im Februar 2022 begonnene russische Angriff auf die Ukraine, der von einer Drosselung der Gaslieferungen begleitet war, hat Panik auf den Märkten ausgelöst.

Im August des Jahres 2022 hatten sich die Großhandelspreise für Gas gegenüber dem Jahr zuvor auf bis zu 339 Euro pro Megawattstunde fast versiebenfacht. Die EU rief, um die Schockwirkungen zu minimieren, einen eigenen Handelsmechanismus namens AggregateEU ins Leben.

Die Mitgliedstaaten selbst versuchten mit Preisbremsen oder anderen Subventionen, Verbrauchern und Industrie ein Mindestquantum an bezahlbarem Gas zu sichern. Dafür nahmen sie insgesamt etwa 390 Milliarden Euro in die Hand.

Europäischer Rechnungshof (Archiv) Foto: via dts Nachrichtenagentur

Rechnungshof der EU sieht Licht und Schatten

Der zuständige Prüfer am Rechnungshof der EU, João Leão, bestätigte zwar, dass die Maßnahmen dazu beigetragen hätten, einen einschneidenden Gasmangel zu verhindern. Allerdings sei es nicht angebracht, das Thema schleifen zu lassen. Nach wie vor führe die EU 80 Prozent des von ihr verbrauchten Gases ein. Die Preise hätten sich stabilisiert, allerdings lagen sie 2023 immer noch durchschnittlich bei etwa 45 Euro pro Megawattstunde. Das war etwa das Doppelte des Vorkrisenniveaus.

Aus Russland kämen dabei nur noch 15 Prozent der Gaslieferungen – wobei ursprünglich aus Russland stammende und mit Aufpreis über Drittländer importierte Lieferungen nicht gesondert ausgewiesen werden.

Am stärksten von russischen Gaslieferungen abhängig war Österreich mit einem Anteil von 81 Prozent. Allerdings sei der Schutz vor Engpässen besser als vor dem Krieg. Der Gesamtverbrauch sinke, die Speicher seien mit einer strategischen Reserve von 20 Terawattstunden gefüllt, zudem gebe es bilaterale Abkommen zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit.

Auch LNG-Lieferländer können Versorgung verknappen

Vor dem Ukraine-Krieg war der Anteil von Gas am Bruttoenergieverbrauch in Italien und den Niederlanden mit jeweils 41 und in Malta mit 40 Prozent am größten. In Ungarn lag er bei 34 Prozent. Insgesamt wurden damals mehr als 20 Prozent des Stroms in der EU und fast 40 Prozent der Wärme aus Gas erzeugt. Verhältnismäßig milde Winter hatten zur Entspannung der Versorgungslage beigetragen.

Der Anteil russischen Pipelinegases in der EU sei von 41 Prozent im Jahr 2021 auf nur noch zehn Prozent im Jahr 2023 gesunken. Gleichzeitig habe sich im gleichen Zeitraum der LNG-Anteil von 22 auf 34 Prozent erhöht.

Der Rechnungshof der EU warnt in diesem Zusammenhang vor Schwankungen der Marktpreise im Bereich LNG. Der Markt sei angespannt, im Fall einer unklaren Versorgungslage drohten Lieferengpässe, wenn Bezugsländer Exportstopps verhängen. Zudem könnten Mitgliedstaaten einander auch gegenseitig Lieferungen kürzen. Nicht alle Länder hätten sich bislang bilateralen Vereinbarungen angeschlossen. Auch muss man in Europa mit steigender Nachfrage von Drittländern auf den Weltmärkten rechnen.

Rechnungshof sieht Wirksamkeitsnachweis für AggregateEU nicht erbracht

Der Rechnungshof vermisst auch einen Funktionsnachweis bezüglich der AggregateEU-Plattform. Mittels des Mechanismus versuche man, Nachfrage und Einkaufsverhalten zu bündeln. Der EU-Dienstleister Prisma betreibt die Plattform und soll ausreichende Mengen zu bestmöglichen Preisen sicherstellen. Der Schwerpunkt liege dabei auf LNG.

AggregateEU solle Käufer und Verkäufer zusammenbringen und dabei Gleichbehandlung gewährleisten und Marktmanipulation verhindern. Die Preise seien nach dem ersten Schock an den Märkten allerdings auch von allein gesunken, so die Prüfer. Es sei kein Marktversagen festzustellen gewesen, das durch die Bündelung des Einkaufs behoben hätte werden können.

Im Rechnungshof sieht man auch in den ehrgeizigen Klimazielen der EU eine Herausforderung mit Blick auf die Gasversorgung. Auch, wenn es zu signifikanten Senkungen des Gasverbrauchs kommen sollte, sei eine Versorgung der energieintensiven Industrie und des Energiesektors selbst ohne Gas auch 2040 noch illusorisch.

Um die selbst gesetzten Klimaziele erreichen zu können, müsse man in der EU bis 2050 jährlich 450 Millionen Tonnen CO₂ abscheiden. Andernfalls müsse sich die EU zwischen der Nutzung von Gas und der Beibehaltung ihrer Klimaziele entscheiden. Bezüglich der dafür erforderlichen CCS-Technologie mache die Staatengemeinschaft jedoch zu wenig Fortschritte. In einigen Ländern wie Deutschland reicht der Widerstand dagegen bis hinein in Regierungsparteien.



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