Kofferscans und Gesichtserkennung: Ist Chinas Überwachungsstaat mit Nuctech bereits hier angekommen?
Neben Huawei könnte der Anbieter für Flughafen-Überwachungssoftware Nuctech ein weiteres trojanisches Pferd sein, mithilfe dessen das KP-Regime in China Zugriff auf Europas sensible Infrastrukturbereiche erlangt. US-Behörden warnen vor Spionage und Sabotage.

Am 15. Juni 2020 am Airport in Frankfurt am Main.
Foto: Thomas Lohnes/Getty Images
Teilweise mit erheblichem zeitlichem Abstand zu den USA wird der von Chinas KP-Regime kontrollierte Telekommunikationsriese Huawei in immer mehr Mitgliedstaaten der EU als Sicherheitsrisiko wahrgenommen.
Bei einem anderen Tech-Anbieter, der nicht nur indirekt unter der Kontrolle Pekings steht, sondern auch strukturell ein lupenreiner Staatsbetrieb ist, steht der Erkenntnisprozess erst am Anfang: Immer mehr Flughäfen in Europa nutzen Lösungen von Nuctech, und die USA halten dies für eine bedenkliche Entwicklung.
Skandale pflastern Nuctechs Weg
Wie das „Wall Street Journal“ (WSJ) berichtet, haben mehrere US-Behörden, darunter der Nationale Sicherheitsrat, Deutschland, Italien und Griechenland eindringlich davor gewarnt, mit Nuctech auf dem Gebiet der Flughafensicherheit zusammenzuarbeiten. Das Unternehmen, das 1997 aus einem Forscherteam der Tsinghua-Universität heraus gegründet worden war und dessen erster Chef Hu Haifeng war, der Sohn des langjährigen KPC-Generalsekretärs Hu Jintao, stellt unter anderem Bodyscanner sowie Einrichtungen zur Gepäckkontrolle und zur Gesichtserkennung her.
Bereits in mehreren Fällen war das Unternehmen im Zuge seines weltweiten Expansionskurses in dubiose Machenschaften verwickelt. Im Jahr 2009 deckte die Antikorruptionskommission von Namibia (ACC) ein weitverzweigtes Bestechungssystem auf, das Vergünstigungen für Beteiligte, darunter auch Amtsträger, im Austausch gegen Aufträge für den KP-Konzern gewährte.
Die EU-Kommission verhängte 2010 auf fünf Jahre anberaumte Strafzölle von bis zu 36 Prozent auf Equipment von Nuctech, weil das Unternehmen versucht hatte, durch eine gezielte Dumpingstrategie seinen Marktzutritt zu erzwingen. Sechs Jahre später geriet Nuctech auf den Philippinen ins Gerede, weil der Konzern der philippinischen Regierung extrem überteuerte und qualitativ minderwertige Geräte verkauft hatte. In Taiwan wurde der frühere Chef der Flughafenpolizei von einem Gericht schuldig gesprochen, weil er illegal Geld entgegengenommen hatte im Zusammenhang mit der Durchführung eines Projekts, in welches auch Nuctech involviert war.
USA haben Anbieter bereits 2014 von Flughäfen verbannt
Die Bedenken der USA beziehen sich jedoch nicht allein auf unsaubere Geschäftspraktiken und Korruption. Dass Chinas KP-Regime trotz WTO-Beitritts auf unfaire Wettbewerbspraktiken von Diebstahl geistigen Eigentums bis hin zu Subventionen zur Gewährleistung von Dumpingangeboten setzt, ist unter anderem auch Gegenstand des Handelskonflikts zwischen Washington und Peking.
Die Amerikaner befürchten vor allem, dass Nuctech die aus den Systemen gewonnenen Daten an chinesische Stellen weiterreicht und so das kommunistische Regime in den Besitz sensibler Informationen über Fluggäste und Ladungsverzeichnisse kommen zu lassen. Aus dieser Befürchtung heraus und auf der Grundlage der Erkenntnisse eines Geheimberichts hatte bereits 2014 die Verkehrssicherheitsbehörde TSA veranlasst, Nuctech von US-amerikanischen Airports fernzuhalten.
Das Unternehmen selbst weist – ähnlich wie Telekommunikationsriese Huawei – Vorwürfe zurück, ein böswilliger Akteur in Diensten des KP-Regimes zu sein. Allerdings sind beide Unternehmen nicht nur personell eng mit der KPC verflochten und verdanken ihren globalen Aufstieg der Rückendeckung durch das Regime.
Es gelten in jedem Fall chinesische Gesetze, die sie zur Zusammenarbeit mit chinesischen Sicherheitsbehörden, Militärs und Geheimdiensten zwingen. Im Fall von Nuctech ist der Staat sogar selbst Eigentümer des Unternehmens.
China setzt nicht auf Platz, sondern auf Sieg
Auch der Chef des Mercator-Instituts für Chinastudien in Berlin, Mikko Huotari, erklärt gegenüber „Politico“, dass Anlass zum Argwohn bestehe. Das Regime in Peking könnte auf diese Weise in den Bereich der europäischen Grenzsicherung und Flugsicherheit vordringen.
„Die Maschinen sind jetzt schon über Europa verteilt, sie sind überall“, warnt Huotari.
„Was mir Sorgen bereiten würde, ist der Gedanke, dass ein vom chinesischen Staat kontrolliertes Unternehmen Einblick in alle Flughäfen in ganz Europa gewinnt.“
Neben Huawei, dem Überwachungskamera-Hersteller Hikvision und der Videoplattform TikTok ist chinesische Technologie europaweit in immer mehr Bereichen der Technologie präsent. Auch der Erwerb des Robotik-Unternehmens Kuka in Augsburg im Wege einer Nacht- und Nebelaktion im Jahr 2016 zeigt, dass das KP-Regime in Europa nicht auf Platz, sondern auf Sieg setzt.
Die Dienste, Systeme und Software, die Nuctech verwendet, um seine Ausstattung zu unterstützen, können mit Datenbanken von Flughäfen kombiniert werden, die Personaldaten von Millionen Europäern enthalten. Nuctech bietet dabei Systeme zur Bewältigung des Passagierzustroms, des Gepäcksflusses und zunehmend auch zu neuen Technologien wie der digitalen Gesichtserkennung an.
Auch der EVP-Europaabgeordnete Axel Voss erklärt gegenüber „Politico“:
„Es ist extrem beunruhigend, wenn ein von einem fremden Staat unterstützter Akteur immer mehr Kontrolle über unsere strategische Infrastruktur ausübt.“
China könnte Hacker und Cybereinheiten mobilisieren
Wie in Fall Huaweis ist neben der Gefahr des unautorisierten Datenabflusses und der Spionage auch jene der Sabotage mit der Präsenz Nuctechs in europäischen Airport-Kontrollsystemen verbunden. Die Komponenten könnten dazu dienen, bösartige Software in eigene Systeme der Flughäfen einzuspielen und auf diese Weise den Flugverkehr und die Grenzkontrollen in Europa lahmzulegen.
Hacker und Cybereinheiten der chinesischen Armee könnten die Möglichkeiten, via Nuctech auf europäische Infrastruktur zuzugreifen, für die Zwecke der KPC nutzen oder als Druckmittel bei Handelsgesprächen einsetzen.
Nuctech hat sich gegenüber „Politico“ nicht zu den Vorwürfen aus den USA geäußert. Der EU-Abgeordnete Voss hat sich jedoch bereits im Dezember mit einem Schreiben an die Digital- und Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager und an die Kommissarin für innere Angelegenheiten, Ylva Johansson, gewandt.
Er fordert, die EU-Kommission müsse „diesen Fall sehr sorgfältig analysieren und garantieren, dass die hochsensiblen Personendaten unserer Flugpassagiere ausreichend geschützt werden.“
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