Klimaforscher will finanzielles Risiko für Energiewende von Staat auf Wirtschaft verlagern
Der Staat hat sich bis dato nicht als erfolgreicher Akteur erwiesen, wenn es darum ging, CO₂-Einsparungsziele zu verwirklichen – trotz hoher Kosten und starker Belastungen der Bürger.
Am Erreichen der Klimaneutralität 2050 will die EU dennoch nicht rütteln und deshalb sollte künftig die Wirtschaft das Risiko für das Gelingen des Vorhabens tragen. So lautet die Quintessenz der diesjährigen „Thünen-Vorlesung“ des „Vereins für Socialpolitik“ in Berlin.
Referent war dieses Mal der Direktor des Klimaforschungsinstituts MCC der Mercator-Stiftung, Ottmar Edenhofer.
Er stellte dabei Konzepte vor, die dazu beitragen sollen, auf „marktwirtschaftliche“ Weise jene Ziele zu erreichen, die sich bislang durch administrative Maßnahmen nicht umsetzen ließen. Edenhofer ging dabei davon aus, dass ein Übermaß von Treibhausgasen in der Atmosphäre noch für einige Zeit in Kauf genommen werden muss.
Geoengineering zur Oberflächenkorrektur
Als potenzielle Auswege präsentiert Edenhofer – neben dem Kohlenstoffabbau – im Wesentlichen zwei strategische Ansätze. Der Erste ist im Bereich des Geoengineerings angesiedelt und als „Solar Radiation Management“ (SRM) bekannt. Dabei werden kleine Schwefelpartikel in Wolken injiziert, damit diese in weiterer Folge Sonnenlicht in die Atmosphäre zurückwerfen.
Der andere ist die Kohlendioxidentnahme (CDR). Diese sei dem SRM vorzuziehen, da die Grenzkosten flacher seien und Zweitgenanntes den Temperaturanstieg bestenfalls abfedern könne. Maßnahmen zur Kohlendioxidentnahme könnten jedoch bis zu drei Prozent der globalen Wirtschaftsleistung kosten und müssten effizient organisiert werden.
Dafür will Edenhofer die Wirtschaft in die Pflicht nehmen. Diese sei jetzt schon gezwungen, CO₂-Ausstoßrechte zu erwerben. Sie werden stetig verknappt und fallen nach geltender Rechtslage im Jahr 2039 auf null.
Im Fall der CDR-Strategie sollen Unternehmen verbriefte Rechte erwerben, CO₂ zu emittieren – verbunden mit der Verpflichtung, diese Emissionen zu einem bestimmten künftigen Zeitpunkt wieder zurückzuholen.
„Europäische Kohlenstoff-Zentralbank“ soll Klima durch Clean-up-Zertifikate retten
Diese sogenannten Clean-up-Zertifikate sollen eine Chance für eine preisgünstigere Klimawende darstellen – und diese flexibler gestalten. Der CO₂-Ausstoß müsse nicht in jedem Fall vermieden werden.
Stattdessen werde er gleichsam auf Kredit eingekauft und zu einem späteren Zeitpunkt durch Entnahme zurückgezahlt. Je weiter die Technologien dazu voranschreiten, umso günstiger und lukrativer würde das Modell.
Bis dato stehen unter anderem die Abscheidung und Speicherung (CCS), Filterung aus der Luft (DAC), Aufforstung von Wäldern, Wiedervernässung von Feuchtgebieten oder Bindung von CO₂ durch Gesteinsausbringung auf Feldern (Enhanced Rock Weathering) zur Verfügung.
Nicht alle dieser Technologien sind weit fortgeschritten, viele stecken noch in den Kinderschuhen und sind aufwendig und teuer. Durch den Erwerb der Clean-up-Zertifikate könnten Investitionen in diesen Bereichen erleichtert werden.
Die „Europäische Kohlenstoff-Zentralbank“ (ECCB), die Edenhofer angedacht hat, soll die Clean-up-Zertifikate ausgeben. Um zu verhindern, dass Unternehmen, die Emissionsrechte ausüben, die Entnahmeverpflichtung durch Insolvenzen umgehen, sollen diese auch eine Sicherheit an die ECCB bezahlen.
Diese soll auch gehandelt werden können – und von der Europäischen Kohlenstoff-Zentralbank zurückbezahlt werden, wenn die Entnahmeverpflichtung erfolgreich erfüllt ist.
CO₂-Entnahme als potenzieller Gamechanger im Klimaschutz
Vorteile dieses Vorgehens seien die direkte Möglichkeit von überschießendem CO₂-Ausstoß und die Schaffung neuer Märkte. So entstehe ein CDR-Markt mit starken Durchsetzungskapazitäten als „Kreditgeber der letzten Instanz“ und einer für die Ausweitung von CDR-Technologien.
Als potenzielle Nachteile nennt Edenhofer mögliche „unbeabsichtigte Verteilungsfolgen“. Ein schwaches Mandat für die ECCB könnte zudem zu „weichen intertemporalen Budgetbeschränkung“ führen.
Darüber hinaus könnten unbepreiste Landnutzungsemissionen die biologische Vielfalt negativ beeinflussen. Außerdem räumt Edenhofer ein, dass die ECCB und das Konzept über eine „mangelnde demokratische Legitimität“ verfüge.
In Summe ist sich Edenhofer jedoch sicher, dass technologischer Fortschritt die Kosten in diesem Bereich „signifikant senken“ werde. Außerdem könne das Konzept „die internationale Kooperation beim Klimaschutz stärken“. Die CO₂-Entnahme könne „zum Gamechanger werden“, ist der Forscher sich sicher.
Erfolgsaussichten für „Europäische Kohlenstoff-Zentralbank“ ungewiss
Welche Kosten die Umgestaltung Europas zum „CO₂-Staubsauger“ konkret für jedes Unternehmen verursachen wird, bleibt unkonkret. Der Referent räumt ein, dass einige der Entnahmetechnologien noch sehr teuer und unausgereift sind. Sie stehen noch in der Entwicklungsphase und weder ihre Wirksamkeit noch ihre Skalierbarkeit sind absehbar.
Es ist nicht absehbar, wie vor allem kleinere Unternehmen aus eigener Kraft die finanzielle Belastung stemmen können. Die Implementierung und Überwachung eines solchen Systems erfordern zudem komplexe regulatorische Rahmenbedingungen und eine starke, glaubwürdige Institution, um Missbrauch und Ineffizienz zu verhindern.
Zudem wäre das System auf dem Prinzip Hoffnung gegründet: Sollten die erhofften technologischen Fortschritte und Kostensenkungen nicht eintreten, wären dieses und seine soziale Akzeptanz gefährdet.
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