Globale Mindestbesteuerung für Unternehmen: Ob Deutschland von der Reform profitiert ist unklar

Simulationen der OECD zufolge wird bei einem Mindeststeuersatz von 15 Prozent jährlich mit zusätzlich 126 Milliarden US-Dollar Steuereinnahmen gerechnet. Die Grundfrage ist: Wie sollen global agierende Konzerne besteuert werden?
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Der Welthandel hängt an China - und China scheint eine globale Mindestbesteuerung für Unternehmen zu unterstützen.Foto: STR/AFP via Getty Images
Epoch Times19. Juli 2021

137 Staaten haben sich auf ein Grundgerüst einer globalen Steuerreform geeinigt. An der Ausgestaltung arbeiten die G20-Finanzminister der Staaten im Rahmen des „Inclusive Framework on BEPS“ der OECD. Die Grundfrage ist: Wie sollen global agierende Konzerne besteuert werden?

Traditionell werden Gewinne von Unternehmen dort besteuert, wo diese ihren Betriebssitz oder eine physische Präsenz haben. Erzielt ein Unternehmen Gewinne in einem anderen Land, wird es dort regelmäßig nicht besteuert. Immaterielle Werte und digitale Dienstleistungen erlauben es Unternehmen allerdings, Gewinne zu erzielen, ohne vor Ort zu sein.

Die Initiative „Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS) will die Lücken in der internationalen Besteuerung von Unternehmen schließen. Die OECD gab zur Orientierung 15 Aktionspunkte heraus, die sich mit den Hauptbereichen befassen.

Zwei-Säulen-Konzept

Das neue Konzept der OECD beruht auf zwei lange ausgehandelten Säulen. Säule eins zielt darauf ab, Gewinne und Besteuerungsrechte der größten multinationalen Unternehmen neu zu verteilen. Die Körperschaftssteuer soll nicht mehr nur am Firmensitz oder den Orten mit Betriebsstätten gezahlt werden, sondern anteilig auch dort, wo die Kunden sitzen und der Umsatz generiert wird.

Von dieser Regel sollen Konzerne mit einem weltweiten Umsatz von mehr als 20 Milliarden Euro und einer Gewinnmarge vor Steuern von über 10 Prozent erfasst werden. Die exakten Grenzwerte sind noch nicht fixiert. Eine Nichteinhaltung der Mindeststeuersätze wird mit Sanktionen verbunden. Für den Fall, dass keine Einigung möglich wird, drohen weitere Staaten damit, eigene Digitalsteuern zu erheben, was zu mehr Rechtsunsicherheit führen dürfte.

Als zweite Säule wird ein globaler Mindeststeuersatz als Körperschaftssteuer von mindestens 15 Prozent eingeführt. Insbesondere Deutschland und Frankreich haben sich dafür starkgemacht. Verhindert werden soll, dass Unternehmen ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer wie Irland, Polen, Österreich, die USA und China verlagern und gleichzeitig ihre Kosten in Hochsteuerländern wie Deutschland anrechnen lassen. Beim Bundesfinanzministerium waren im Februar 95 Staaten als Niedrigsteuerländer gelistet – alle, die weniger als 25 Prozent Unternehmenssteuer verlangen.

Simulationen der OECD zufolge wird bei einem Mindeststeuersatz von 15 Prozent jährlich mit zusätzlich 126 Milliarden US-Dollar Steuereinnahmen gerechnet. Betroffen sind rund 10.000 Unternehmen weltweit. Barbados, Estland, Ungarn, Irland, Kenia, Nigeria, Peru, St. Vincent und die Grenadinen sowie Sri Lanka haben sich der Initiative nicht angeschlossen. China unterstützt das Abkommen.

Vermutlich läuft die Umsetzung der ersten Säule des OECD-Konzepts über einen multilateralen völkerrechtlichen Vertrag, der durch die beteiligten Staaten ratifiziert und in nationales Recht umgesetzt wird. Für die zweite Säule erarbeiten die Staaten Empfehlungen zur Umsetzung, neben einem weltweiten Implementierungsplan wird die Europäische Kommission die Umsetzung in der EU gewährleisten.

Was bedeutet das für Deutschland?

Einer der stärksten Befürworter des Projekts ist Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Er sprach von einem historischen Beschluss der G20-Staaten. „Endlich können sich große Konzerne nicht mehr ihrer Steuerpflicht entziehen“, twitterte er. „Jetzt geht es an die Umsetzung, damit die Steuer ab 2023 greifen kann.“

Der Bundesverband der Deutschen Industrie ist vorsichtiger. „Wichtig ist, dass keine zusätzlichen steuerlichen Belastungen entstehen“, erklärt Joachim Jang, Hauptgeschäftsführer des BDI. „Insbesondere die geplante Absenkung der Umsatzschwelle von 20 Milliarden Euro auf zehn Milliarden Euro ist für deutsche Unternehmen kontraproduktiv, weil sie deutlich mehr von dieser Regelung betroffen wären.“

Aus dem Blickwinkel der deutschen Industrie ist die Suche nach einem globalen Weg begrüßenswert. Deutschland werde alles tun, um den internationalen Prozess zu Ende zu bringen. Global unkoordinierte Lösungen könnten zu einer Fragmentierung der Rechtslandschaft sowie Doppel- und Mehrfachbesteuerungsrisiken führen. Die grundlegenden Prinzipien des internationalen Steuerrechts sollten jedoch beibehalten und mit Blick auf die Digitalisierung der Geschäftsmodelle lediglich modifiziert werden.

Ein neues „Dokumentationsmonster“

„Der Teufel steckt im Detail und es wird ein erheblicher Aufwand auf uns zukommen“, ahnt Tim Zech, Head of Tax bei Daimler im BDI-Steuer-Talk 2020. Eine zentrale Frage sei die bürokratische Belastung. Der Aufwand zur Einführung und die Administrierbarkeit sei für Unternehmen ein „Dokumentationsmonster“, wie es Oliver Nußbaum, Head of Tax bei BASF nannte.

Ob Deutschland von der Reform profitiere, sei unklar. „Die Reformvorschläge der OECD betreffen nicht nur Internetunternehmen, sondern werden auch tiefgreifende Folgen für den Industriestandort Deutschland sowie den deutschen Fiskus haben: Deutschen Unternehmen drohen Wettbewerbsnachteile, Doppelbesteuerung und administrative Zusatzbelastungen“, so Dr. Monika Wünnemann, Leiterin der Abteilung Steuern und Finanzen im BDI.

Möglicherweise werde sich das deutsche Steueraufkommen durch die Reform sogar verringern – gerade durch die Neuverteilung der Besteuerungsrechte zugunsten der Staaten, in denen die Produkte verkauft werden.

Doch es sei eine große intellektuelle und diplomatische Leistung, mit mehr als 130 Staaten eine gemeinsame Position zu formulieren, unterstrich Prof. Wolfgang Schön, Direktor am Max-Planck-Institut München für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen.

Deutschland hat bislang mit 29,9 Prozent die höchste Unternehmenssteuer der Welt. „Die Bundesregierung muss nun endlich die Niedrigbesteuerungsgrenze in der Hinzurechnungsbesteuerung senken. Ebenso muss die Steuerlast der Unternehmen von zurzeit mehr als 30 Prozent auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau von maximal 25 Prozent fallen“, forderte der Hauptgeschäftsführer des BDI, Joachim Lang.

Gleichheit ist unfair

Bisher war die Besteuerung ein wohlbehütetes Vorrecht der nationalen Parlamente und ein wesentlicher Bestandteil des Wirtschaftsmodells eines Landes.

Gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen seien unfair, kommentiert Gerhard Schwarz, Journalist und früherer Leiter der „NZZ“-Wirtschaftsredaktion, das Vorhaben. Die Idee, dass global für alle Firmen dieselben Rahmenbedingungen gelten müssten, wäre erschreckend weit verbreitet. Schwarz:

„Nur wenn der Wettbewerb der Rahmenbedingungen völlig eliminiert ist und bis ins letzte Detail gleiche Regeln gelten, sind die Wettbewerbsbedingungen identisch. Und selbst dann sind Faktoren wie Leistungswille, Risikoaversion, Klima oder Topografie nicht angeglichen.“ Internationale Unterschiede seien gut, sie würden die permanente Suche nach der besten Lösung begünstigen. Doch warum sollten Staaten gleiche Steuern erheben, wenn ihre Lage und das verfügbare Einkommen der Menschen unterschiedlich sind?

Die weltweiten Mindeststeuern für Unternehmen würden einen Wettbewerb der Regulierungen und Steuern unterbinden – man lande bei einer Weltregierung und einer Absage an den internationalen Handel.

Andreas Tögel, Handelsunternehmer für Medizintechnik in Österreich und Gastautor beim Mises-Institut nennt das Vorhaben eine brandgefährliche Idee mit schwerwiegenden Konsequenzen:

„Besonders das wirtschaftlich marode Frankreich und das – dank einer völlig absurden ‚Energiewende‘ – im wirtschaftlichen Sinkflug befindliche Deutschland, nehmen den Vorstoß aus den USA dankbar auf. Wer, dank totaler Überregulierung sämtlicher Lebensbereiche, aus eigener Kraft nichts mehr auf die Reihe bekommt, strebt eben lieber danach, potenziellen Konkurrenten zu schaden, indem er sie ihres einzigen Vorteils beraubt. Steueroasen dichtzumachen und kleine Nationen daran zu hindern, ihren eigenen Wohlstand zu heben, sind gute Mittel dazu.“

Innovationen und wirtschaftliche Dynamik würden gebremst werden. Alleinige Nutznießer einheitlicher Mindeststeuertarife werde die politische Klasse und die mit ihr Verbündeten sein. Den Schaden dagegen werden alle anderen zu tragen haben. Eine „Abstimmung mit den Füßen“ – die Abwanderung von Unternehmen und Bürgern – würde sinnlos. (ks)
Dieser Artikel ist in der Ausgabe KW28 erschienen.



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