Gaspreisdeckel der EU: Scholz hofft auf Regelung – Frankreich taktiert in eigener Sache
Am gestrigen Donnerstag hat der Bundestag die Details zur Energiepreisbremse in Deutschland beschlossen. Die Abstimmung am Freitag, dem 16.12.2022 im Bundesrat, galt nur noch als Formsache. Am Montag soll es auch zu einer Einigung über einen Gaspreisdeckel zur Entlastung von Unternehmen und Verbrauchern auf EU-Ebene geben. Darauf hat sich der EU-Gipfel gestern in Brüssel verständigt.
Scholz hofft auf Regelung, die „niemals relevant wird“
Wie diese Einigung am Ende aussehen wird, ist jedoch noch ungewiss. Es steht noch nicht einmal fest, nach welchem Modus am Ende die Abstimmung stattfinden wird. Die Energieminister sollen lediglich eine Lösung vorlegen.
Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz übt sich derweil in Zweckoptimismus. Er spricht von einem Beschluss, den man fällen werde, um ihn im Idealfall nie anwenden müssen. Im Anschluss an den Gipfel erklärte er:
Der Preisdeckel […] wird allerdings so hoch sein, dass ich hoffe, dass er niemals relevant wird.“
Im Kern geht es darum, die Preisentwicklung am Großhandelsplatz TTF unter bestimmten Bedingungen zu deckeln. Es soll ein „Marktkorrekturmechanismus“ entstehen, dessen Ziel die Exzesskontrolle ist.
Preisausschläge auf dem Terminmarkt wie im August, als die Megawattstunde für 350 Euro gehandelt wurde, will man so unterbinden. Damals bemühten sich alle EU-Staaten fieberhaft gleichzeitig, Gas für den Winter zu beschaffen.
Gaspreisdeckel soll der Exzesskontrolle dienen
Derzeit ist der Future für Januar 2023 wieder auf einem Niveau von etwa 136,30 Euro angelangt. Das ist allerdings immer noch um 20 Prozent höher als vor dem Ukrainekrieg. Als wahrscheinliche Voraussetzungen dafür, dass der Gaspreisdeckel greift, gelten zwei Szenarien, die kumulativ vorliegen müssen.
Zum einen muss der TTF-Kontraktpreis ein bestimmtes Niveau überschreiten, das am Montag feststehen soll. Zum anderen muss sich die Gaspreisentwicklung in Europa in signifikanter Weise von jener im Rest der Welt unterscheiden. Außerdem soll es ein Ausstiegsszenario aus dem Gaspreisdeckel geben, das greifen soll, sobald dieser mehr Schaden als Nutzen stiftet.
Auch darüber gibt es bis dato keinen Konsens. Mehrere Länder wollen einen permanenten und bedingungslosen Höchstpreis. Andere befürchten, dass dieser lediglich dazu führen würde, dass Lieferanten Europa nicht mehr versorgen.
Ungarn hat seinen Benzinpreisdeckel wieder abgeschafft
Die EU-Kommission hatte zuletzt eine Schwelle von 275 Euro vorgeschlagen, ab dem der Gaspreisdeckel greifen sollte. Mittlerweile sind Grenzen von 180 bis 220 Euro im Gespräch. Gipfelteilnehmer sicherten, wie die „Tagesschau“ berichtet, skeptischen Staaten zu, ihre Bedenken zu berücksichtigen.
Die Preisgrenze solle auch nur jenen Wert betreffen, den Importeure maximal erhalten. Für die Endverbraucher würde sich nichts ändern – anders als bei der deutschen Gaspreisbremse, die den von diesen zu bezahlenden Preis subventioniert. Vorausgesetzt, die Lieferungen finden dann noch statt.
In Ungarn hat sich der bereits im November 2021 verfügte Preisdeckel für Benzin als Misserfolg erwiesen, weil immer weniger ausländische Lieferanten unter dem Marktpreis verkaufen wollten. Deshalb hat die Regierung in Budapest die Maßnahme jüngst auch wieder aufgehoben.
Skeptiker fürchten um Versorgungssicherheit und Stabilität
Einigen Staaten erscheint eine Lösung, die möglicherweise niemals zur Anwendung kommen würde, allerdings nicht als tragbar. Dazu gehören vor allem Belgien, Griechenland, Italien und Polen, die vor allem einen Preisdeckel für das teure LNG-Gas fordern, das per Schiff angeliefert wird. Einige schlugen sogar Höchstpreise von 100 Euro vor.
Länder wie Deutschland, das gerade seine Terminals ausbaut, befürchten, dass dann vielleicht keine Schiffe mehr ankommen. Immerhin benötigten ja auch noch andere Kontinente Gaslieferungen.
Die Befürchtung vieler Skeptiker ist zum einen, dass gedeckelte Gaspreise einen höheren Verbrauch nach sich ziehen könnten. Gleichzeitig müsste die zusätzliche Nachfrage dann erst recht zu steigenden Preisen befriedigt werden, weil Marktteilnehmer ihre Risikokosten neu einpreisen.
Der niederländische Energieminister Rob Jetten erklärt:
Es besteht ein hohes Risiko, dass die Energieversorgungssicherheit und auch die Stabilität des Finanzmarktes beeinträchtigt werden.“
Neben seinem Land und der Regierung in Berlin gelten auch Österreich und Dänemark als vehemente Gegner eines unbedingten und niedrig anzusetzenden Höchstpreises.
Demgegenüber meinen vor allem südeuropäische Staaten, dass eine gemeinsame europäische Einkaufspolitik auch zu geringeren Preisen den Markt als attraktiv genug erhalten würde. Sie argumentieren, dass hohe Energiepreise vor allem in ihren bereits durch Corona angeschlagenen Ländern lähmten. Auf längere Sicht sei das daraus resultierende Risiko für die europäische Wirtschaftsentwicklung größer.
Frankreich taktiert beim Gaspreisdeckel in eigener Sache
Wie die „Welt“ schreibt, könnte sich unter den EU-Staaten am Montag eine Mehrheit finden, die Deutschland beim Gaspreisdeckel einfach überstimmt. Grundsätzlich habe man sich zwar darauf geeinigt, eine einstimmige Lösung zu suchen. Allerdings würde technisch eine Mehrheit aus 15 Mitgliedstaaten mit 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausreichen, um den Gaspreisdeckel zu beschließen.
Käme entgegen der Vereinbarung von gestern am Montag tatsächlich keine Einigung auf eine Lösung zustande, könnten die Deckel-Befürworter diese aufkündigen. Dann könnte möglicherweise mit dieser qualifizierten Mehrheit eine Entscheidung an Deutschland vorbei zustande kommen.
Zum entscheidenden Faktor könnte dann Frankreich werden. Präsident Emmanuel Macron galt zu Beginn als Befürworter des Gaspreisdeckels, allerdings hatte auch er zuletzt Skepsis bezüglich zu weitreichender Markteingriffe geäußert. Ein EU-Diplomat äußerte gegenüber der „Welt“, die Franzosen könnten sich ihre Unterstützung für Deutschland zu einem hohen Preis abkaufen lassen:
Die überlegen, was sie für sich rausholen können.“
(Mit Material von dpa und AFP)
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