Gas gegen Rubel: Putin setzt dem Westen die Pistole auf die Brust
Mit seiner Ankündigung, Zahlungen für Gaslieferungen an „unfreundliche Länder“ nur noch in Rubel zu akzeptieren, setzt der russische Präsident Wladimir Putin den westlichen Staaten die Pistole auf die Brust. Beugen sie sich der Forderung des Kreml, unterlaufen sie die eigenen Sanktionen. Beugen sie sich nicht, droht möglicherweise ein Lieferstopp.
Was genau fordert Putin? Russland will künftig für seine Gaslieferungen an „unfreundliche Länder“ keine Zahlungen in Dollar oder Euro mehr akzeptieren. Er habe die Regierung und die Zentralbank aufgefordert, „innerhalb einer Woche“ das neue System einzuführen, sagte er am Mittwoch. Dieses müsse „den Erwerb von Rubel auf dem russischen Devisenmarkt“ beinhalten. Zugleich sagte er, dass Russland „weiterhin Gas in den in früheren Verträgen festgelegten Mengen liefern“ werde.
Bisher zahlen europäische Staaten und Unternehmen Gaslieferungen in Dollar und Euro – so ist es auch in den Kaufverträgen festgelegt. Russische Unternehmen sind verpflichtet, 80 Prozent ihrer Einnahmen in Fremddevisen bei der russischen Zentralbank in Rubel umzutauschen.
Russland will Rubel stabilisieren
Mit seiner Forderung verfolgt Putin laut dem Direktor des Forschungsbereichs Internationale Entwicklung beim Institut für Weltwirtschaft (IfW), Tobias Heidland, primär zwei Ziele: Zum einen versucht Putin, die ins Wanken geratene russische Währung zu stabilisieren. Zum anderen will er westliche Staaten und Unternehmen dazu zwingen, mit der russischen Zentralbank zu interagieren – und somit die eigenen Sanktionen zu untergraben.
Russland muss viele Produkte – insbesondere Technologie und Maschinen – aus dem Ausland importieren. Ein schwacher Rubel bedeutet, dass diese Importe, soweit überhaupt noch möglich, sehr teuer werden.
Bringt Putin die westlichen Staaten und Unternehmen erfolgreich dazu, Gasimporte künftig in Rubel zu bezahlen, müssen diese zuvor im großen Stil Rubel kaufen – damit steigt die Nachfrage nach der russischen Währung, der Wechselkurs stabilisiert sich.
Tatsächlich reichte allein Putins Ankündigung, nur noch Rubel für Gaslieferungen zu akzeptieren, aus, um den Wechselkurs nach oben zu treiben. Und tatsächlich legte die russische Landeswährung unmittelbar nach Putins Anweisung zu Dollar und Euro kräftig zu. Auch am Donnerstag ist der Kurs des Rubel zum Dollar gestiegen.
Rubel-Pflicht stürzt den Westen ins Dilemma
Sollten westliche Akteure tatsächlich mit Rubel für die Gaslieferungen zahlen, stehen sie vor einem praktischen Problem: Die Gaslieferungen haben ein so großes Volumen, dass es nicht genügend Rubel auf dem Weltmarkt gibt. Die Quelle für Rubel ist die russische Zentralbank.
Schätzungen der Brüsseler Denkfabrik Bruegel zufolge geben die EU-Staaten derzeit täglich rund 420 Millionen Dollar (380 Millionen Euro) für russisches Gas aus und knapp 400 Millionen Dollar (362 Millionen Euro) für Öl aus Russland. Dreistellige Millionenbeträge in Euro oder Dollar müssten also allein für Gasimporte in Rubel getauscht werden, um Lieferungen zu bezahlen.
Westliche Staaten und Unternehmen müssten also ihre eigenen Sanktionen unterlaufen und bei der russischen Zentralbank Rubel einkaufen, um ihre Gasimporte bezahlen zu können.
Die Euro und Dollar, mit denen für die Rubel bezahlt würde, könnte die russische Zentralbank außerdem nutzen, um selbst wiederum Rubel auf dem Weltmarkt zu kaufen. Das Angebot würde somit weiter verknappt, der Rubelkurs weiter steigen.
Wie könnten die westlichen Staaten reagieren?
Eine mögliche Reaktion der westlichen Staaten wäre laut Heidland, vorerst die Füße stillzuhalten. Bei der Ankündigung Putins handelt es sich laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) um einen „Vertragsbruch“ – die Staaten und Unternehmen könnten also vorerst in Euro und Dollar zahlen und würden somit nicht vertragsbrüchig. Würde sich Putin dann für ein Ende der Gaslieferungen entscheiden, so käme die Eskalation einmal mehr aus dem Kreml.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Forderung Russlands am Donnerstag in Brüssel entschieden zurückgewiesen, Gaslieferungen künftig in Rubel zu zahlen. „Es gibt überall Verträge, bei denen die Währung Teil des Vertrags ist“, sagte Scholz. Und da sei festgehalten, dass in Dollar oder Euro bezahlt werden müsse, betonte er. „Das ist ganz eindeutig.“
Sollte Russland tatsächlich den Gashahn zudrehen, „dann klären sich ganz viele Diskussionen, die wir diese Woche in Deutschland hatten, schlagartig von selbst“, sagt der IfW-Direktor. „Dann ist eine ganz wichtige Schachfigur der Russen vom Feld“, nämlich der Einfluss, den Russland aufgrund seiner Energielieferungen auf die Regierungen im Westen hat. Putin sei jedoch „clever genug, dass er sich dessen bewusst ist, damit Gefahr zu laufen, seine eigene Machtposition im Rest Europas zu schwächen“, fügt Heidland hinzu. (afp/dpa/dl)
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