Erdbeeren unterpflügen, Spargelfelder aufgeben
Einige Landwirte haben damit begonnen, schweren Herzens ihre Erdbeer- und Spargelfelder umzupflügen – statt sie zu ernten oder zur Ernte freizugeben. Für die Bauern sind die Kosten zu hoch, für die Verbraucher die Preise. Den Luxus von Erdbeeren oder Spargel gönnen sich dieses Jahr viel weniger Menschen als zuvor.
Der heimische Anbau wird vor die Wand gefahren
„Den ersten Spargel bester Qualität haben wir vor Ostern für 16,90 pro Kilo verkauft“, berichtete Jürgen Jakobs, ein Beelitzer Spargelbauer, „jetzt bieten wir ihn für 11,90 Euro im Hofladen an, für 12,90 Euro an den Ständen in Berlin und Potsdam.“
Der Discounter Netto verkauft den Beelitzer Spargel im Angebot für 2,79 Euro pro Bund (5,58 Euro/Kilo), wie die „BZ Berlin“ vergleicht. Ungefähr jedes 6. Feld haben die Beelitzer Bauern schon aufgegeben, obwohl die Spargelsaison noch bis zum 24. Juni dauert.
Ein halbes Kilo Erdbeeren aus Spanien steht aktuell für 1,99 Euro im Regal neben den heimischen für rund 4,50 Euro. In Gera kostete die 500 Gramm Schale einer alteingesessenen Gärtnerei zum Saisonstart bis 9 Euro. Auch die Erdbeerbauern in der Pfalz bleiben auf ihren Früchten sitzen.
„Und was macht der Verbraucher? Er kauft jene für 1,99 Euro. Denn die Aussage, Menschen wollten mehr regional und dadurch teurer kaufen, kommt lediglich von der Politik, um die Standards weiter anziehen zu können“, stellt Maike Schulz-Broers von Land schafft Verbindung e. V. fest.
Obwohl Lebensmittelhändler beteuern würden, dass sie gern deutsche Ware in die Regale stellen würden, „vergessen sie immer wieder, zu erzählen, zu welchem Preis. Und der liegt, aufgrund der unterschiedlichen Produktionsbedingungen und -kosten schon im europäischen Ausland weit unter den hohen deutschen Standards.“
In Deutschland wurde alles teurer – und der Handel drückt die Preise
Fred Eickhorst vom Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände e. V. sieht als ein Problem an, dass der Handel – weil er bis Mitte Mai auch weiterhin Import-Spargel sowie -Erdbeeren importierte – den Preis für heimische Ware sehr stark drückte.
„Man importiert Bio-Ware aus weiter Entfernung und lässt den heimischen Anbau gegen die Wand fahren, wohl wissend, dass dies die Existenz der Landwirte gefährdet, und Regionalität und Saisonalität eine Menge CO₂ einsparen und das Klima schonen“, ergänzt Simone Schumacher, Vorstand des Netzwerkes bitter.
Deutsche Landwirte zahlen nicht nur für die Pflanzen mehr, auch für den Treibstoff für die notwendigen Arbeiten auf den Feldern, Folien und Vliese zum Schutz gegen niedrige Temperaturen, Düngemittel, Verpackungen. Alles wurde teuer.
Hinzu kommen Lohnsteigerungen bei den Erntehelfern. Schon mit dem europäischen Ausland kann nicht mitgehalten werden. In Italien gibt es keinen Mindestlohn. In Spanien liegt der Mindestlohn bei 6,06 Euro pro Stunde, in Griechenland bei 3,83 Euro und in Ungarn bei 3,21 Euro. Momentan liegt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland bei 9,82 Euro pro Stunde, ab 1. Juli bei 10,45 Euro, ab 1. Oktober bei 12 Euro.
Was könnte den Ansatz ankurbeln?
Fast neun von zehn Spargelanbaubetrieben (87 Prozent) fordern vom Handel eine Umstellung auf deutsche Ware. Ähnlich viele (84 Prozent) erwarten eine klare Hervorhebung der Qualitäten und Vorteile der heimischen Erzeugung. Fast drei Viertel (72 Prozent) wollen mehr Werbung für den deutschen Spargel durch den Handel. Preisnachlässe oder eine Senkung der Mehrwertsteuer sehen sie hingegen nicht als sonderlich nützlich an.
Ungleichheit der Anbaustandards könnte zur Zerstörung der eigenen Versorgungssicherheit führen, warnt Maike Schulze-Broers. Landwirtschaft sei der Boden, das Herz einer intakten Gesellschaft.
Aktuell seien es Erdbeeren und Spargel, die nicht mehr geerntet würden. Doch: „Was ist, wenn sich die Ernte und Erzeugung anderer Lebensmittel hier in Deutschland nicht mehr lohnen? Ist uns bewusst, dass jenseits unserer Grenzen unsere Gesundheit keine Rolle spielt, das Tierwohl einen anderen Stellenwert hat? Und wir keinen Einfluss darauf haben, welche Pflanzenschutzmittel und Dünger genutzt werden?“
Bioläden und Bio-Supermärkte bestätigen den Trend, sie verkaufen weniger. Im Januar waren die Tagesumsätze knapp zehn Prozent niedriger, im März schon mehr als 18 Prozent. Ähnlich war die Tendenz im Bio-Großhandel.
2021 freute sich die Biobranche über diejenigen, die angesichts Corona im Homeoffice saßen und das Kochen neu entdeckten. Nun greifen im Falle von Bio die Verbraucher eher zu den Eigenmarken der Handelsketten und vermeiden die teuren Markenhersteller.
Handelsexperte Aurélien Duthoit vom Kreditversicherer Allianz Trade warnt, dass den Verbrauchern das Schlimmste erst noch bevorstünde. Laut den Marktforschern der GfK will jeder Zweite sein Einkaufsverhalten anpassen. Vor allem bei Lebensmitteln wird gespart – Regionalität sowie ökologischer Anbau stehen aktuell hinten an.
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