Deutschland vor Konsumflaute: Zwei Drittel halten Ausgaben zurück
Die Teuerung erfasst immer mehr Lebensbereiche – auch in Deutschland mit seinen bereits zuvor schon hohen Kosten für Arbeit und Energie. Eine Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) zeigt, wie stark die Auswirkungen auf das Konsumentenverhalten sind. Demnach erklären fast zwei Drittel der befragten Verbraucher, angesichts der hohen Inflation ihre Ausgaben bereits eingeschränkt zu haben. Weitere 20 Prozent rechnen damit, dass sie dies künftig tun müssen. Die Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichteten darüber am Donnerstag, den 24.11.
Konsumenten meiden Ausgaben in immer mehr Bereichen
Verbraucher halten demnach in den unterschiedlichsten Bereichen Ausgaben zurück. Zum Teil würden sie dies auch aus freien Stücken tun, die Preisentwicklung engt dabei jedoch zusätzlich ihren Spielraum ein.
Von allen Befragten erklären 61 Prozent, im Bereich der Lebensmittel zu sparen – durch Verzicht oder den Kauf günstigerer Alternativen. 56 Prozent sparen Ausgaben für Kleidung ein, ebenso viele äußern Entschlossenheit, diese quer durch die Bank zurückfahren zu wollen. Ein Drittel der Befragten schränkt so weit wie möglich Autofahrten und Flugreisen ein.
Viele Befragte erklären, grundsätzlich Ausgaben zurückfahren oder Anschaffungen überdenken zu wollen – etwa aus Erwägungen des Umwelt- oder Klimaschutzes. Dies betrifft unter anderem den Kauf von Kleidung und die Anschaffung elektronischer Geräte.
Verbraucher haben klare Vorstellungen zur Lebensdauer von Geräten
Drei Viertel der Befragten erklären, sie neigten dazu, ihre Kleidung länger zu tragen, statt neue zu kaufen. Bei Unterhaltungselektronik oder Haushaltsgeräten legen 60 Prozent Wert auf Energieeffizienz, 45 Prozent wollen bestehende lieber reparieren lassen, als neue zu kaufen. Um diesbezüglich eine bessere Entscheidungsgrundlage zu haben, wünschen sich die Verbraucher verbindliche Herstellerangaben zur Lebensdauer der Geräte.
Die Befragten skizzierten auch, welche Lebensdauer sie für welches Gerät als angemessen betrachten würden. Demnach erwarten sich Verbraucher von einer Waschmaschine, dass diese über mindestens zwölf Jahre hält. Je zehn Jahre veranschlagen sie für Staubsauger, Fernsehgeräte und Drucker, fünf Jahre für Mobiltelefone.
Ramona Pop vom VZBV sieht in diesem Zusammenhang Politik und Hersteller in der Verantwortung, Verbrauchern ressourcenschonenden Konsum zu ermöglichen. Es müsse eine gesetzliche Verpflichtung für Hersteller geben, eine verbindliche Angabe zur Gerätelebensdauer auszuweisen. Das „Recht auf Reparatur“, das die Ampel-Koalition schaffen will, sei dabei ein Schritt in die richtige Richtung:
Es muss sichergestellt werden, dass Hersteller ihre Produkte so designen, dass sie reparaturfähig sind. Und natürlich müssen Reparaturen auch bezahlbar sein und sich die Kosten in einem ökonomisch sinnvollen Rahmen bewegen.“
Verschärfte Finanzierungsbedingungen für Bauherren
Zusätzliche Belastungen für Verbraucher mit potenziellen Folgewirkungen auf die Höhe der Ausgaben drohen nicht mehr nur beim Einkauf und der Energierechnung. Perspektivisch spricht auch vieles für steigende Kosten für das Wohnen und für Immobilienkredite. Die Notenbank versucht über Zinserhöhungen die Inflation auszubremsen, was allerdings verheerende Wirkungen auf Kreditwerber und Bauherren hat. In einer Zeit, in der vor allem in Ballungszentren Wohnungsmangel herrscht, droht diese Entwicklung einen zusätzlichen Preisschock zu entfalten.
Wie die „Welt“ berichtet, hat die Leitzinserhöhung der EZB von null auf zwei Prozent die Darlehenszinsen in die Höhe getrieben. Ein Baukredit sei zu Beginn des Jahres noch für etwa ein Prozent verfügbar gewesen, mittlerweile seien vier Prozent keine Seltenheit. Für Bauherren verschärfe dies in erheblicher Weise die Finanzierungsbedingungen. Zuzüglich Tilgung würde die Gesamtbelastung gar auf sechs Prozent anwachsen können, warnen Experten.
Vonovia fährt Investitionssummen zurück
Thorsten Lange von der DZ Bank erklärt, dass Preise und Finanzierungskosten auf dem Immobilienmarkt nicht mehr zusammenpassten. Mehrfamilienhäuser und Wohneigentum würden zwar günstiger, die Mieten würden sich hingegen drastisch nach oben bewegen.
Konstantin Kholodilin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht von Preiseinbrüchen von bis zu zehn Prozent bei Eigentumswohnungen und Eigenheimen aus. Es ließen sich zwar noch einige Eigenheimprojekte durch Einschränkungen ihres Umfangs realisieren. Der Bau von Mietwohnungen sei angesichts der gestiegenen Kreditzinsen jedoch kaum noch wirtschaftlich.
Dies bleibt nicht ohne Konsequenzen. Wohnungsgesellschaften wie Vonovia machten jetzt schon Abstriche bei ihren Neubau- und Sanierungsprojekten. Der größte deutsche Wohnungsvermieter hatte sein Investitionsbudget für 2022 bereits von 2,3 auf 1,35 Milliarden Euro reduziert. Für das kommende Jahr sind sogar nur noch 850 Millionen Euro vorgesehen.
Politik bremst Bauvorhaben durch Bürokratie und Reglementierung aus
Vor allem in Metropolen, in denen jetzt schon Wohnungsnot herrscht, wird eine deutlich steigende Nachfrage bei kaum steigendem Angebot zu weiterem Preisdruck auf Mieter führen. Die Fluchtbewegungen aus der Ukraine und der zusätzliche Fachkräftebedarf aus dem Ausland tut sein Übriges dazu.
Längerfristig rechnet Kholodilin jedoch mit einer Entspannung. Gegenüber der „Welt“ erklärt er:
Da Immobilienkäufe durch Mieteinnahmen – oder im Falle einer Eigennutzung durch eingesparte Mietzahlungen – refinanziert werden, sollten sich die Immobilienpreise langfristig im Einklang mit den Mieten entwickeln.“
Die Schere werde sich entsprechend wieder schließen: entweder durch nachgebende Kaufpreise oder durch höhere Mieten. Wahrscheinlich jedoch durch beides.
Allerdings stellen auch andere Faktoren wie Bürokratie und Regulierungen ein mögliches Hemmnis für den Wohnbau dar. Die Nullzinspolitik der EZB hatte dazu geführt, dass Bauherren dennoch gebaut hätten, weil sie Negativzinsen entgehen wollten. Sollte die Politik ihre Regulierungswut nicht in den Griff bekommen, könnte sich die Bautätigkeit jedoch eher im Bereich weniger reglementierter Bürobauten abspielen.
Zusätzliche Ausgaben auch für die GKV zu erwarten
Eine weitere unliebsame Überraschung bezüglich Ausgaben droht den Verbrauchern in Deutschland zudem über die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Wie die „Bild“ berichtet, sei es den Kassen durch eine Ausnahmeregelung möglich, auch ohne vorherige briefliche Ankündigung den Zusatzbeitrag zu erhöhen. Es reiche eine Mitteilung „auf andere geeignete Weise“, heißt es in der Bestimmung. Diese gilt für das erste Halbjahr 2023.
Wer von den Versicherten nicht etwa durch Besuch der Webseite ihrer Kasse erfährt, dass diese die Klausel nutzen will, könnte seine Frist zur Sonderkündigung verpassen. Sabine Wolter von der Verbraucherzentrale NRW rät gesetzlich Versicherten, sich ab der zweiten Dezember-Woche über die Website ihrer Krankenkasse zu informieren.
Der durchschnittliche rechnerische Anstieg des Zusatzbeitrages soll laut Bundesgesundheitsministerium 0,3 Prozentpunkte betragen. Derzeit beträgt dieser durchschnittlich 1,3 Prozent vom Brutto-Lohn. Davon zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber je die Hälfte. Bei einem Brutto-Einkommen von 3.000 Euro wäre demnach mit einer Mehrbelastung von jährlich etwa 54 Euro zu rechnen.
(Mit Material von afp und dts)
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