Daimler verzeichnet Quartalsverlust von 1,68 Milliarden Euro – 15.000 Arbeitsplätze bedroht
Der Autobauer Daimler ist wegen der Corona-Pandemie im zweiten Quartal in die roten Zahlen gerutscht. Von April bis Juni sei laut vorläufigen Ergebnissen ein Verlust vor Zinsen und Steuern in Höhe von 1,68 Milliarden Euro verbucht worden, teilte der Konzern am Donnerstagabend mit.
Abgesehen vom Vorjahresquartal, in dem Daimler aufgrund von Rückstellungen im Zusammenhang mit dem Dieselskandal in die Verlustzone geraten war, war es der erste Quartalsverlust für den Konzern seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009.
Daimler musste bereits in den ersten drei Monaten des Jahres wegen der Corona-Pandemie einen deutlichen Gewinnrückgang hinnehmen. Von Januar bis März brach der Gewinn nach Unternehmensangaben um 92 Prozent ein und betrug 168 Millionen Euro. Der Umsatz ging um sechs Prozent auf 37,2 Milliarden Euro zurück.
„Hinter uns liegt ein komplexes Quartal“, erklärte Daimler-Chef Ola Källenius am Donnerstag. Zwar habe der Konzern „die Chancen der Markterholung“ nutzen können. „Aber es bleibt viel zu tun. Wir müssen unsere systematischen Bemühungen fortsetzen, die Gewinnschwelle des Unternehmens durch Kostenreduktion und Kapazitätsanpassungen weiter zu senken“, betonte Källenius. Der Daimler-Chef hatte bei der virtuellen Hauptversammlung seines Konzerns in der vergangenen Woche angesichts des coronabedingt deutlichen Absatzrückgangs im ersten Halbjahr striktere Sparmaßnahmen angekündigt.
Wegen der Corona-Krise droht bei dem Autobauer ein deutlich größerer Stellenabbau als bisher bekannt. Personalvorstand Wilfried Porth hatte am Wochenende trotz einer bis 2029 geltenden Beschäftigungssicherung bei dem Konzern auch betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausgeschlossen. Mehr als 15.000 Mitarbeiter müssten demnach auf freiwilliger Basis ausscheiden, damit dies vermieden werden könne.
Analysten hatten beim Betriebsergebnis zwischen April und Ende Juni mit einem noch höheren Minus gerechnet, Daimler selbst hatte bereits rote Zahlen angekündigt. Die Markterholung sei stärker ausgefallen als gedacht, hieß es nun von den Stuttgartern, im Juni habe es sogar eine „starke“ Entwicklung gegeben. Die Aktie des Konzerns legte nachbörslich auf der Handelsplattform Tradegate um ein Prozent zu.
In den Zahlen enthalten waren Sonderbelastungen von 687 Millionen Euro in der Pkw- und Van-Sparte für die Straffung der Produktion und das Kappen von Kapazitäten in Frankreich, den USA und Mexiko. Für rechtliche Verfahren musste Daimler zusätzlich 53 Millionen Euro ausgeben, auch das verlustbringende Carsharing-Joint-Venture Your Now mit BMW erforderte 105 Millionen Euro an Sonderkosten. Zudem gab Daimler 129 Millionen Euro für das laufende Sparprogramm aus. Bereinigt um diese Faktoren lag der operative Verlust bei 708 Millionen Euro. Die Fahrzeugsparten mit Pkw und Vans sowie die ebenfalls unter Druck stehenden Lkw und Busse fuhren jeweils rote Zahlen ein, die Finanzdienstleistungen warfen hingegen etwas Gewinn ab.
Überraschen konnte Daimler vor allem auch beim Mittelzufluss aus dem laufenden Industriegeschäft – sprich dem Auto- und Nutzfahrzeugbau. Hier erzielte der Konzern ein Plus von 685 Millionen Euro, Analysten hatten laut Erhebungen von Daimler selbst mit milliardenschweren Abflüssen gerechnet. Die Nettoliquidität im Industriegeschäft stieg im Vergleich zu Ende März von 9,3 auf 9,5 Milliarden Euro zur Mitte des Jahres. „Hinter uns liegt ein komplexes Quartal. Wir haben proaktiv Entscheidungen hinsichtlich der Kosten und Ausgaben getroffen und uns intensiv auf das Management unseres Working Capital fokussiert“, sagte Källenius.
Daimler habe vom umfassenden Einsatz der Maßnahmen zur Liquiditätserhaltung profitiert, hieß es. Zugleich habe sich das Betriebskapital mit der Nachfrage günstig entwickelt. Autobauer hatten angesichts der wochenlangen Produktions- und Verkaufspausen auf den Weltmärkten auch die Abrufe bei den Zulieferern auf Eis gelegt und für Zehntausende Mitarbeiter Kurzarbeit beantragt, um die Kassen zu schonen. Wenn die Nachfrage dann wieder anspringt, leeren sich die Vorräte schneller. Auch bei Daimler hatten Finanzexperten den hohen Bedarf an sogenanntem Betriebskapital mehrfach gerügt.
Analysten und Aktionäre schauen immer wieder mit hohem Interesse auf den sogenannten Free Cashflow, also die Entwicklung der frei verfügbaren Zahlungsmittel. Letztlich geben sie Aufschluss über die aktuelle Finanzkraft, was in der Krise wichtig für die existenzielle Sicherung ist – aber eben auch über Wohl und Wehe möglicher Dividenden mitbestimmt.
Auch deshalb dreht Källenius derzeit stark an der Kostenschraube. Im November hatte der seit gut einem Jahr amtierende Schwede ein Sparprogramm aufgelegt, das bei den jährlichen Personalkosten 1,4 Milliarden Euro bringen sollte. Personalchef Wilfried Porth legte am Wochenende die Latte aber noch einmal höher: 1,4 Milliarden Euro würden nicht ausreichen, genauso wenig die kolportierten bis zu 15.000 Stellenstreichungen. Daimler hat weltweit rund 300.000 Mitarbeiter.
Zum Umsatz und dem Gewinn unter dem Strich machte Daimler zunächst keine Angaben. Die vollständigen Quartalszahlen sollen am 23. Juli veröffentlicht werden. (dpa/afp)
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