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Corona-Folgen: 44 Prozent der Firmen wären ohne Hilfen pleite – Einbruch des BIP rasanter als bei Finanzkrise 2008

Der Einbruch des Bruttoinlandsproduktes ist aktuell steiler und viel rasanter als zur Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/2009. 44 Prozent der Unternehmen, die eine staatliche Corona-Hilfe beantragt haben, wären ohne diese Unterstützung pleite – und die Gläubiger sitzen auf einem Berg von Forderungen von circa 3,1 Milliarden Euro. Es wurden mittlerweile über 105 Milliarden Euro Corona-Hilfen in Anspruch genommen.

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„Alles muss raus“ – In der Fußgängerzone von Dortmund am 30. Juli 2020.

Foto: INA FASSBENDER/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 6 Min.

44 Prozent der Unternehmen, die eine staatlichen Corona-Hilfe beantragt haben, wären ohne diese Unterstützung pleite. Sie würden die Krise nach eigenen Angaben ohne diese Hilfe nicht überleben. Das ergab eine Umfrage der Universität Mannheim und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, aus der die „Süddeutsche“ zitierte.
An der Umfrage nahmen 8.500 Firmen teil. Von diesen bezogen zwei Drittel staatliche Unterstützung, meist in Form von Kurzarbeitergeld, Corona-Soforthilfe oder der Stundung von Steuerzahlungen.
40 Prozent der befragten Betriebe gaben Umsatzverluste von mindestens 30 Prozent an. Insgesamt gibt es laut Statistischem Bundesamt 3,48 Millionen Unternehmen in Deutschland. Sie beschäftigen 30,86 Millionen SV-pflichtige Angestellte bei einem Umsatz von 6,968 Milliarden Euro.

Einbruch des BIP rasanter als zur Finanzkrise 2008

Wie der Krisenmonitor des Statistischen Bundesamtes zeigt, fiel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal preis-, saison- und kalenderbereinigt um 10,1 Prozent zweistellig gegenüber dem Vorquartal (nach -2,0 Prozent im ersten Quartal 2020).
Auch die Zahl der Erwerbstätigen ging saisonbereinigt ungewöhnlich stark um 1,4 Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2020 zurück (nach 0,0 Prozent im ersten Quartal 2020).

Statistisches Bundesamt (Destatis), 2020.

Foto: Screenshot/https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/08/PD20_291_811.html

Dieser abrupte und steile Absturz unterscheidet sich deutlich von der letzten weltweiten wirtschaftlichen Krise, der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/2009. Diese begann eher schleichend und wirkte sich zunächst nicht erkennbar auf den Arbeitsmarkt aus. Erst im zweiten Quartal der Krise (zweites Quartal 2008) begann der wirtschaftliche Abschwung, das preis-, saison- und kalenderbereinigte BIP ging um 0,3 Prozent zurück.
Der Tiefpunkt der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise war erst ein knappes Jahr später erreicht, als das BIP im ersten Quartal 2009 um -4,7 Prozent einbrach. Ab dem zweiten Halbjahr 2009 erholte sich die Wirtschaft wieder, aber erst zum ersten Quartal 2011 war das Vorkrisenniveau des BIP vom ersten Quartal 2008 wieder erreicht.
International gesehen brach das jeweilige Bruttoinlandsprodukt auch in anderen Ländern massiv ein. Hier jeweils das zweite Quartal 2020 im Vergleich zum zweiten Quartal 2019:

  • Schweden: Rückgang um 8,2 Prozent
  • Frankreich: Rückgang um 13,8 Prozent
  • Spanien: Rückgang um 18,5 Prozent
  • Litauen: Rückgang um 5,1 Prozent
  • USA: Rückgang um 9,5 Prozent
  • Österreich: Rückgang um 12,8 Prozent
  • Belgien: Rückgang um 12,2 Prozent
  • Großbritannien: Rückgang um 20,4 Prozent
Corona-Folgen: Deutsche Gläubiger sitzen auf Forderungen von circa 3,1 Milliarden Euro

Die Zahl der Insolvenzen sank in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr deutlich, mutmaßlich durch die Aussetzung der Insolvenzmeldepflicht. Im Mai 2020 waren es 1504 Firmen 9,9 Prozent weniger als im Mai 2019, die Insolvenz anmeldeten. Insolvenzen gab es vor allem mit 247 Fällen im Handel, 235 waren es im Bau. Es folgen freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen mit 168 Insolvenzen und das Gastgewerbe mit 164.
Die Gläubiger melden im Mai insgesamt Forderungen von circa 3,1 Milliarden Euro an im April 2020 gab es offene Forderungen von rund 2,5 Milliarden Euro , wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Wirtschaft und Insolvenzverwalter bezweifeln das Vorhaben von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), die Antragspflicht für Firmen-Pleiten bis März 2021 auszusetzen. „Eine Verlängerung der Frist würde einseitig zulasten der Gläubiger gehen und damit weitere Unternehmen gefährden“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer dem „Handelsblatt“. „Wir brauchen stattdessen kurzfristig eine Reform des Insolvenzrechts.“
Ein Teil der insolvenzgefährdeten Unternehmen könne mit rechtzeitigen Sanierungsmaßnahmen gerettet werden. Dafür bedürfe es neuer Verfahren außerhalb der klassischen Insolvenz.
Der DIHK-Präsident fordert deshalb, die EU-Restrukturierungsrichtlinie rasch umzusetzen, die ohnehin in deutsches Recht überführt werden muss – allerdings erst bis Juli 2021. „Ziel muss es sein, dass Unternehmen zum Beispiel mit ihren wichtigsten Gläubigern Sanierungsmaßnahmen vereinbaren können“, bekräftigte Schweitzer.
„Für eine kurze Zeit war die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht als Beruhigungspille für die Wirtschaft vertretbar“, sagte Insolvenzverwalter Lucas Flöther dem „Handelsblatt“. Diese Pille dürfe aber nur vorübergehend verabreicht werden. Andernfalls schaffe man „Unternehmenszombies“.

Über 105 Milliarden Euro Corona-Hilfen in Anspruch genommen

Die Hilfen, die im Rahmen der staatlichen Corona-Programme von Unternehmen und Selbstständigen in Anspruch genommen werden, überschreiten mittlerweile den Betrag von 105 Milliarden Euro. Das errechnete eine gemeinsame interne Übersicht des Bundesfinanz- und des Wirtschaftsministeriums.
Die Förderbank KfW zahlte Kredite in Höhe von 38,2 Milliarden Euro aus. Zusätzliche 14,2 Milliarden stammen von den Hilfen für kleine Unternehmen und Selbstständige. Hinzu kommen steuerliche Entlastungen wie Stundungen oder herabgesetzte Vorauszahlungen – rund 53 Milliarden Euro.
Unterm Strich ergibt sich so ein Gesamtbetrag von rund 105,4 Milliarden Euro. Von der KfW werden aktuell noch Kreditanträge über weitere 13 Milliarden Euro bearbeitet, insgesamt liegen 73.592 Anträge vor, von denen 70.267 bewilligt wurden. Bei den Soforthilfen geht es um insgesamt 2,28 Millionen Anträge, von denen 1,8 Millionen bewilligt wurden. Bei diesen Hilfen handelt es sich unter anderem um Zuschüsse für laufende Betriebskosten.
(mit Material von afp und dts)

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