Chinas Strategie zur Zerschlagung der europäischen Industrie

Die europäische Industrie wird unter der Flut unregulierter chinesischer Importe ertränkt. „Die europäische Industrie steht vor einem gewaltigen Schock“, sagt der Ökonom Joerg Wuttke, emeritierter Präsident der Europäischen Handelskammer in China.
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Diese Luftaufnahme vom 1. Juni 2023 zeigt Reihen von Autos, die im Hafen von Yantai in Chinas östlicher Provinz Shandong exportiert werden sollen.Foto: STR/AFP via Getty Images
Von 1. Mai 2024

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In der Stahl-, Automobil-, Windkraft-, Solar-, Batterie-, Chemie- und Pharmaindustrie und auch in anderen Bereichen ist die chinesische Industrie dabei, die europäische Industrie zu überrollen. Um dies zu erreichen, baute das Reich der Mitte seine Produktions- und Exportkapazitäten immer weiter aus, um dann den europäischen Markt mit Spitzenprodukten zu Dumpingpreisen zu überschwemmen.

„Was wir derzeit sehen, ist wie der Ablauf eines Zugunglücks in Zeitlupe“, erklärte Jens Eskelund, Präsident der dänischen Handelskammer in China, zu einem Bericht der Handelskammer der Europäischen Union in China. Er warnte vor einer chinesischen Bedrohung für die europäische Wirtschaft.

Durch massive Investitionen in die verarbeitende Industrie, strategische Technologien und die Überschwemmung des Marktes verfolgt das chinesische Regime ein klares Ziel: den industriellen Niedergang Europas zu verstärken.

Chinas Plan: die europäische Konkurrenz ausschalten

China war von der Energiekrise in Europa während des Ukraine-Kriegs nicht betroffen. Und die Einfuhr von Öl und Gas aus Russland nach den EU-Sanktionen gegen Russland spielte dem Land erheblich in die Hände. Um die Produktion anzukurbeln, profitierten die chinesischen Unternehmen von erheblichen Kostensenkungen und massiven Investitionen der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) – die zu weltweit konkurrenzlos niedrigen Produktionspreisen geführt haben.

Alle Zutaten sind vorhanden, um die europäische Industrie langfristig zu Fall zu bringen, während Europa selbst einen industriellen Abschwung erlebt, da der Green Deal seine Wettbewerbsfähigkeit einschränkt, wie es in einem ausstehenden Bericht von Mario Draghi heißt.

Nichts ist Zufall, meint Philipp Lausberg, Analyst am European Policy Centre, der auf die Gefahren der „neo-merkantilistischen“ Politik Chinas für die europäische Wirtschaft hinweist. „Alles, was für sie strategisch wichtig ist, wollen sie selbst produzieren. Sie wollen autonom sein, aber sie wollen weiterhin die freien Märkte nutzen, um zu exportieren und Exporteinnahmen zu erzielen. Und natürlich ist das ein Problem für Europa“, erklärte er auf „Euractiv“.

Die hoch subventionierten chinesischen Fabriken laufen seit zwei Jahren auf Hochtouren. Chinesische Produkte wie Solarzellen, Batterien, Elektrofahrzeuge und Biotechnologie werden für den Export freigegeben, um den Markt mit sehr aggressiven Preisen zu sättigen.

Diese industrielle Überproduktion folgte auf eine historische Jugendarbeitslosigkeit von über 21 Prozent im Sommer 2023 und auf einen kurz vor der Explosion stehenden Immobiliensektor, der die Stütze der chinesischen Wirtschaft ist.

Da der inländische Konsum chinesischer Haushalte ins Stocken geraten war, bestand Chinas letzte Lösung darin, sich entschieden den Exportmärkten zuzuwenden, wobei Europa aufgrund des fehlenden Zollschutzes an seinen Grenzen ihr erstes Ziel war.

Michel Hermans, Professor für Geopolitik an der Wirtschaftsuniversität HEC-Liège, fasst gegenüber „L’Écho de Belgique“ zusammen:

Das angeschlagene China versucht, seine Wirtschaft zu sanieren, und versucht, alles, was es zu viel hat, um jeden Preis zu verkaufen.“

Im Jahr 2023 kamen 35 Prozent der weltweiten Industrieproduktion aus China.

Laut „Les Échos“ war die chinesische Industrieproduktion dreimal so hoch wie die der USA und lag damit weit vor Europa. Und „alles deutet darauf hin, dass die stark steigenden chinesischen Exporte auch 2024 weiter zunehmen werden“, meint Charlotte De Montpellier, Volkswirtin bei ING.

Existentielle Bedrohung für das industrielle Europa

Brüssel und Washington sind besonders besorgt über diese „Überkapazitäten“ der chinesischen Produktion. Große Subventionen fließen dort in Solarenergie, Elektrofahrzeuge und Batterien, wodurch die Rentabilität dieser Sektoren bei den Konkurrenten gefährdet wird.

Westliche Länder sind besorgt, dass China seine Produktionskapazitäten und Lagerbestände so stark ausbauen könnte, dass europäische Unternehmen ohne Handelsschranken nicht mehr mithalten könnten.

Die „immensen Überkapazitäten der chinesischen Industrie stellen nicht nur eine Herausforderung für offene Volkswirtschaften dar, sondern bergen auch die Gefahr, protektionistische Kräfte in einigen Ländern zu provozieren“, so Joerg Wuttke, emeritierter Präsident der Europäischen Handelskammer in China. „Das ist erst der Anfang“, führ der Ökonom fort,

die europäische Industrie steht vor einem gewaltigen Schock.“

Die europäischen Fabriken, die von den steigenden Energiepreisen betroffen sind, arbeiten angesichts der gigantischen chinesischen Überproduktion ebenfalls auf Sparflamme.

In einer ganzen Reihe von Sektoren wird die europäische Industrie durch ihr chinesisches Pendant ersetzt, mit dem Risiko eines großangelegten Bankrotts, sei es in der Automobilbranche mit Elektrofahrzeugen, bei Unternehmensrobotern oder auch bei den Technologien zur Verringerung des Kohlenstoffausstoßes.

Laut L’Écho gibt es trotz der Forderungen nach „europäischer Souveränität“ und einer „europäischen Industriepolitik“ derzeit keine wirtschaftliche Entkopplung zwischen der EU und China.

Chinas Amoklauf in mehreren Schlüsselsektoren

China versucht um jeden Preis, seine industrielle Dominanz in mehreren technologischen Schlüsselsektoren durchzusetzen, welche die neue wirtschaftliche Polarisierung von morgen definieren.

Im Bereich der Solarpaneele hat die chinesische Industrie ihre Überkapazitäten genutzt, um einen gigantischen Bestand zu exportieren, der die Preise auf ein noch nie dagewesenes Niveau gedrückt hat. In den Häfen und Lagerhäusern Europas warten bereits zig Millionen Paneele. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) verfügt China derzeit über 80 Prozent der weltweiten Produktionskapazität für Solarzellen.

Es ist diese extreme Dominanzposition, die die Regierung von Xi Jinping in den kommenden Jahren noch weiter ausbauen will, um den europäischen Energiepark tödlich an eine fast ausschließlich chinesische Produktion zu binden. Xi befindet sich derzeit auf einem diplomatischen Besuch in Deutschland, bevor er nach Frankreich reist.

Auch bei Batterien setzt China auf die Karte der Exportproduktion. Im Jahr 2023 produzierten die chinesischen Fabriken doppelt so viel wie der nationale Bedarf, wobei sich die Produktionskapazität bis 2030 noch verdoppeln wird. Diese Überkapazitäten dürften es dem chinesischen Regime ermöglichen, die ausländischen Märkte, allen voran die europäischen, zu überschwemmen. Wie bei den Solarmodulen ist die beschleunigte Entwicklung der Batterieindustrie auf die astronomischen Subventionen der KPC und die forcierte Automatisierung und Robotisierung der Industrie zurückzuführen.

Im Bereich der Windkraftanlagen produzierte China im Jahr 2023 66 Prozent mehr Windräder als im Jahr 2022. Ein Rekord, der den wachsenden Appetit des chinesischen Regimes verdeutlicht, das mittlerweile mehr als die Hälfte aller Windparks weltweit errichtet. Laut dem Global Wind Energy Council (GWEC) vereint China auch fast 60 Prozent der weltweiten Produktionskapazitäten für Turbinen auf sich.

Was die Automobilbranche betrifft, so zeigen die Zahlen der chinesischen Pkw-Exporte, dass „wir uns nicht mehr in einer Welt befinden, in der China andere Länder überholt, sondern in einem Weltmarkt, den China dominiert“, erklärte der Wirtschaftswissenschaftler Anthony Morlet-Lavidalie in „Usine Nouvelle“.

Er fügte hinzu: „Der Grad der Robotisierung der Fabriken ist viel weiter fortgeschritten als bei uns, ohne Vergleich. Die technologischen Prozesse für die Herstellung von Elektroautos werden ebenfalls besser beherrscht, ganz zu schweigen von den Innovationen bei den Batterien.“

Die ganz konkreten Folgen sind abermals chinesische Überkapazitäten, die „den europäischen Industriellen nicht viel Platz lassen, um in der Welt zu bestehen“.

Dasselbe Muster der Zerschlagung des Marktes und der europäischen Unternehmen durch gezielte Überproduktionen Chinas zeigt sich auch in der Pharma-, Stahl-, Chemie- und Papierindustrie, wobei die Textil- und Bekleidungsindustrie, die einst der Motor seines Wachstums war, auf der Strecke bleibt.

Parallelen zur Stahlüberproduktion im Großen Sprung nach vorn

Doch hinter der scheinbaren Stärke Chinas könnte sich eine krank machende Hektik verbergen. Die Parallele zur Situation Chinas vor 60 Jahren ist beunruhigend. 1958 startete Mao Zedong ein ehrgeiziges Programm zur industriellen Entwicklung, den Großen Sprung nach vorn, um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes durch die Steigerung der Produktivität in Industrie und Landwirtschaft zu beschleunigen.

Mao Zedong hatte sich für eine exzessive Industrialisierung Chinas entschieden, um den wirtschaftlichen und industriellen Rückstand aufzuholen und die Gelegenheit zu nutzen, seinen Griff auf das Land zu festigen.

Um den Großen Sprung nach vorn zu schaffen, führte Mao Zedong auf dem Land eine dezentralisierte und selbstzentrierte Wirtschaft ein und zwang die Bauern, Stahl zu produzieren. Dieser Stahl erwies sich jedoch als minderwertig und die Ernten verfaulten auf den Feldern. Der Große Sprung nach vorn, der Maos großes Werk sein sollte, erwies sich als wirtschaftliches und humanitäres Desaster.

Fokussiert auf die guten Zahlen, die für den Export erreicht werden mussten, wurden die tatsächlichen Ergebnisse von den lokalen Beamten verschwiegen, die aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen des Regimes gefälschte Zahlen an das zentrale Parteibüro schickten.

Dies führte innerhalb von vier Jahren zu einer beispiellosen Hungersnot, der nach Angaben des chinesischen Journalisten und Historikers Yang Jisheng 36 Millionen Menschen zum Opfer fielen. China, das sich nach außen hin stark zeigte, stand am Beginn eines der dramatischsten und brutalsten Zusammenbrüche in der Geschichte der Menschheit.

Die langsame europäische Antwort

Am 8. April 2024 trafen sich die Wirtschaftsminister Bruno Le Maire (Frankreich), Robert Habeck (Deutschland) und Adolfo Urso (Italien), um über die Industriepolitik Europas zu diskutieren. „Das Ziel ist es, eine gemeinsame Wirtschaftsstrategie zu definieren, um der Offensive Chinas und der USA entgegenzutreten“, sagte Bruno Le Maire bei einem Treffen mit Journalisten. Er fügte hinzu:

Es ist notwendig, angesichts von Gegnern, die nicht zögern, hart zu spielen, entschlossen aufzutreten.“

„Das chinesische Modell beruht auf Interventionismus, während die USA auf Protektionismus, den Inflation Reduction of Act (IRA) [Gesetz zur Reduzierung der Inflation] und niedrige Energiekosten setzen. Europa muss sein dekarbonisiertes und wettbewerbsfähiges Wirtschaftsmodell entschieden verteidigen“, hatte der Wirtschaftsminister betont.

Anfang April leitete die Europäische Union eine Untersuchung gegen chinesische Hersteller von Windkraftanlagen ein, denen vorgeworfen wurde, Subventionen vom chinesischen Regime zu erhalten und damit den Wettbewerb auf dem europäischen Markt zu verzerren. Diese Praxis wurde bereits in der Automobil-, Eisenbahn- und Solarzellenbranche angeprangert und führt laut Brüssel zu unlauterem Wettbewerb bei Ausschreibungen in Europa.

Die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiev, ermutigte China im März, den Kurs seines Wirtschaftsmodells zu ändern und Maßnahmen zur Ankurbelung der Binnennachfrage umzusetzen, um „in eine neue Ära des Wachstums einzutreten“. China befinde sich „an einem Scheideweg“, hatte sie erklärt.

Der Artikel erschien zuerst in der französischen Epoch Times unter dem Titel „La stratégie de la Chine pour écraser l’industrie européenne“. (Deutsche Übersetzung ks)



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