Bahn bricht Kundenstamm weg – Werbekampagnen und flexiblere Abos sollen aus der Krise führen
Ob ICE, Regionalexpress oder Bus: Im Fern- und Regionalverkehr wurde es jahrelang immer voller. Geht es nach der Politik, soll das mit Blick auf eine klimafreundliche Verkehrswende in den kommenden Jahren auch so bleiben.
Bis 2030 soll sich die Zahl der Fahrgäste im Bahnverkehr verdoppeln, heißt es im Koalitionsvertrag. Der Bund und die Verkehrsunternehmen investieren Milliarden in den Erhalt und den Ausbau des Netzes und in neue Züge.
Doch aufgrund der Corona-Krise stehen die Ziele plötzlich in Frage. Es fehlt an Kunden und damit auch am Geld. „Wir waren zeitweise mit lediglich 10 bis 20 Prozent des sonst üblichen Fahrgastaufkommens unterwegs“, sagt Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), mit Blick auf die vergangenen Monate.
„Jetzt sind wir wieder bei 50 bis 60 Prozent.“ Doch mit einer Erholung der Fahrgastzahlen auf das Vor-Krisen-Niveau rechnet er erst für das kommende Jahr.
Die Branche steht an einem Scheideweg
Zwar gewöhnen sich die Menschen schnell wieder an die zunehmenden Lockerungen und die allmähliche Rückkehr des normalen Alltags. Doch noch immer sorgen sich viele, ohne den vorgeschriebenen Abstand in vollen U-Bahn-Zügen oder Bussen sitzen zu müssen.
Um zu verhindern, dass diese Kunden sich stattdessen auch langfristig wieder ins eigene Auto setzen, haben Unternehmen und Politik eine Werbekampagne für den Bus- und Bahnverkehr in Deutschland auf die Beine gestellt, die in den kommenden Tagen und Wochen anlaufen soll.
Unter dem Motto „BesserWeiter“ soll auf Plakaten und in Broschüren zunächst den Mitarbeitern gedankt werden, die in der Krise den Verkehr trotz leerer Waggons weitgehend aufrecht erhalten haben.
Schließlich sollen aber auch die Kunden wieder davon überzeugt werden, dass diese Art des Reisens sicher ist – und vor allem zum Tragen von Masken angehalten werden.
„Unsere Kampagne zeigt das neue Selbstverständnis, mit dem wir in Corona-Zeiten Rücksicht nehmen aufeinander“, heißt es in einer Präsentation des VDV. Mitgewirkt haben neben zahlreichen Verkehrsunternehmen der Branche auch der Bund, die Verkehrsministerkonferenz, der Deutsche Städtetag sowie der Städte- und Gemeindebund.
Gleichzeitig muss sich der Öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) auch auf die veränderten Nutzungsgewohnheiten der Kunden einstellen. „Unabhängig von der Sorge der Menschen hat die Pandemie auch Arbeitszeitmodelle verändert“, sagte VDV-Chef Wolff.
Neue Abo-Modelle wegen mehr Homeoffice
Es böten sich neue Abo-Modelle an, die dem Umstand Rechnung tragen, „dass viele Kunden künftig vielleicht nur noch an drei Tagen in der Woche ins Büro müssen.“ Neue Tarifmodelle könnten darauf ausgelegt sein, dass künftig mehr Menschen auch in schwach nachgefragten Zeiten fahren.
Wie schnell diese Maßnahmen dazu führen, dass sich die Fahrgastzahlen erholen, bleibt abzuwarten. Das Ziel, in den nächsten zehn Jahren doppelt so viele Menschen zu transportieren wie bislang, sah der Chef der Deutschen Bahn, Richard Lutz, auf einer Pressekonferenz vor einigen Tagen nicht in Gefahr.
Doch VDV-Chef Wolff schließt nicht aus, dass sich der Zeitplan etwas verschieben wird. „Das Ziel wird sich ein bisschen verzögern, aber aus dem Auge verlieren darf und muss man es nicht“, betonte er.
„Das kostet dann vielleicht zwei Jahre länger, aber die muss man klug nutzen, um die Digitalisierung und die Planungsprozesse voranzutreiben.“ Für den ÖPNV strebt die Branche im gleichen Zeitraum einen Zuwachs von immerhin 30 Prozent der Kunden an. (dpa/nh)
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