UNICEF: Corona-Debatte schadet Vertrauen in Routineimpfungen für Kinder

Vor einem Verlust des Vertrauens in Routineimpfungen für Kinder warnt UNICEF. Weltweit sei dieses seit Beginn der Corona-Pandemie fast überall rückläufig.
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UNICEF.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 20. April 2023

Die Corona-Pandemie hat zu einem weltweiten Verlust von Vertrauen in Impfungen für Kinder geführt. Dies geht aus den jüngsten Daten des „Vaccine Confidence Projects“ (VCP) hervor. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben diese am Donnerstag, 20. April, präsentiert. Was beide Einrichtungen als besonders alarmierend betrachten: Der Vertrauensverlust bezieht sich auch auf längst etablierte Routineimpfungen.

Weltweite Impfquote laut UNICEF auch nach Ende der Corona-Lockdowns rückläufig

Das VCP ist ein Projekt der London School of Hygiene & Tropical Medicine. Seit 2015 analysiert es Daten aus repräsentativen Länderumfragen. Die für den jüngsten Bericht erhobenen Daten stammen aus der Zeit zwischen 2015 und November 2019 sowie der Zeit seit 2021.

In seinem darauf gestützten „Bericht zur Situation der Kinder in der Welt 2023“ warnt UNICEF davor, dass nicht nur die globale Impfquote selbst auf den niedrigsten Stand seit 2008 gesunken sei. Diese Tendenz ließe sich zum Teil auch mit fehlenden Gelegenheiten im Zuge der Corona-Lockdowns erklären. Diese hätten immerhin auch eine Einschränkung des Zugangs zu Einrichtungen der öffentlichen Gesundheit nach sich gezogen.

Zwischen 2019 und 2021 hätten 67 Millionen Kinder weltweit keine oder nicht ausreichende Impfungen erhalten. In 48 Millionen Fällen bezog sich dies auch auf gefährliche Kinderkrankheiten wie Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten (DTP).

Unterschiedliche Vorstellungen über Reichweite von Routineimpfungen für Kinder

Allein im Jahr 2021 haben demzufolge 25 Millionen Kinder eine oder mehrere Dosen DTP im Rahmen von Routineimpfungen verpasst. Das waren zwei Millionen mehr als im Jahr 2020 und sechs Millionen mehr als im Jahr 2019. Der prozentuale Anteil geimpfter Kinder sank weltweit auf 81 Prozent. Überdurchschnittlich hoch ist er in ärmeren Ländern der Südhalbkugel.

Dabei ist zu beachten, dass es teilweise unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, was zu den gebotenen Routineimpfungen für Kinder gehören soll. Je nach Land können die Empfehlungen der nationalen Impfkommissionen variieren. In Deutschland gelten als Basisimpfungen jene gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Haemophilus influenzae Typ b, Kinderlähmung, Hepatitis B, Masern, Mumps und Röteln.

UNICEF: Impfvertrauen in Südkorea und Papua-Neuguinea besonders stark gesunken

Gesunken sei allerdings nicht nur die tatsächliche Impfquote. Auch das Vertrauen in Impfungen selbst hat dem Bericht zufolge gelitten – inklusive jenes in Schutzimpfungen für Kinder. Dieser Befund bezieht sich nicht nur auf neuartige Impfstoffe, die Pharmaunternehmen speziell zur Bekämpfung von COVID-19 entwickelt hatten. In 52 von 55 untersuchten Ländern sank auch das Vertrauen in die Bedeutung von Routineimpfungen für Kinder.

Besonders stark war der Vertrauensverlust dabei in Südkorea, Papua-Neuguinea, Ghana, dem Senegal und Japan. In Südkorea sank der Anteil der Personen, die Routineimpfungen für Kinder für wichtig halten, um 44 Prozentpunkte. In Papua-Neuguinea waren es minus 43 Prozentpunkte. Insgesamt vertrauen in beiden genannten Ländern nun weniger als die Hälfte der Befragten in deren Sinnhaftigkeit. Aber auch in Deutschland sind nur noch 81 Prozent der Befragten von Routineimpfungen für Kinder überzeugt. Das sind um 8,1 Prozentpunkte weniger als vor Corona.

Stabil oder sogar steigend war das Impfvertrauen nur in China, Indien und Mexiko. UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell spricht von einem „Alarmsignal für die Kindergesundheit“. Die Welt erlebe „den größten anhaltenden Rückgang der Kinderimpfungen seit einer Generation“. Erst habe man noch davon ausgehen können, dass die Corona-Pandemie Hauptgrund für das Versäumen von Impfgelegenheiten gewesen sei. Nun habe sich der Trend jedoch verstetigt.

Vier von fünf Befragten weltweit halten Routineimpfungen für wichtig

UNICEF führt die Entwicklung auf unterschiedliche Faktoren zurück. Es gebe nun mehr Kinder, die in Konfliktgebieten oder fragilen Verhältnissen lebten. Auch hätten Unterbrechungen von Diensten und Lieferketten die Verfügbarkeit auch von Routineimpfungen eingeschränkt. Russell klagt jedoch auch über „zunehmende Fehlinformationen“, die Impfgegner in Umlauf brächten.

Das UN-Hilfswerk weist darauf hin, dass das Impfvertrauen vielfach zeitgeistabhängig sei. Insgesamt hielten 80 Prozent der Befragten Routineimpfungen für Kinder nach wie vor für wichtig.

Weltanschauliche Vorbehalte gegen das Impfen in Japan und den USA

Die Detaildaten des VCP deuten darauf hin, dass es keine eindeutigen Erklärungen für den Verlust des Impfvertrauens gibt. So sagten zwar 2022 nur 36 Prozent der Befragten in Japan, Impfungen seien mit ihrer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung vereinbar. Dennoch hielten 54 Prozent Routineimpfungen für Kinder für wichtig, 61 Prozent für sicher und 74 Prozent für effektiv.

In der Russischen Föderation meinten 82 Prozent, sie hätten keine grundsätzlichen Einwände gegen Impfungen. Allerdings hielten sie nur maximal 60 Prozent für sicher oder effektiv. Lediglich 49 Prozent der befragten Russen erachten es für wichtig, Kinder zu impfen.

Für vereinbar mit eigenen religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen hielten 2022 auch nur 54 Prozent der US-Bürger Impfungen. Im afrikanischen Mali waren es hingegen 81 Prozent. Allerdings erklärten auch 79 Prozent der US-Amerikaner, es sei wichtig, Kindern die Basisimpfungen zukommen zu lassen.



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