Schalke-Fans auf den Barrikaden: Club um Tönnies unter Druck

Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies gerät wegen des massenhaften Ausbruchs von Corona-Infektionen in seinem Fleisch-Unternehmen immer stärker unter Druck. Und die Fans gehen mit Aktionen gegen die gesamte Clubführung auf die Barrikaden.
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Steht in der Kritik: Schalkes Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies.Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/dpa
Epoch Times23. Juni 2020

Auf Schalke brodelt es. Aufgebracht durch die sportliche Talfahrt des Teams von Trainer David Wagner nehmen die Fans jetzt die Clubführung des Fußball-Bundesligisten um den Aufsichtratsvorsitzenden Clemens Tönnies ins Visier.

Der 64 Jahre alte Fleisch-Fabrikant aus Rheda-Wiedenbrück, der wegen der massenhaften Corona-Infektionen in seinem Unternehmen den von Mittwoch an wirksamen Lockdown im Kreis Gütersloh mit zu verantworten hat, steht im Fokus der neuerlichen Attacken der Anhänger.

Bei den Fans ist eine explosive Mischung entstanden aus Ärger über die sportliche Dauerkrise und Wut auf die misslungene Corona-Politik der Clubführung, von der sie sich missachtet fühlen. In den Fan-Organisationen des Traditionsclubs laufen die Planungen für Proteste auf Hochtouren. Da die Anhänger seit dem Wiederbeginn der Bundesliga wegen des DFL-Hygienekonzepts nicht mehr in die Arena durften, um ihrem Ärger Luft zu machen, entlädt sich der Unmut vor allem im Netz.

Und nun auch im Herzen des Vereins. Am Eingang der altehrwürdigen Glückaufkampfbahn prangt ein Plakat mit der Aufschrift: „Keine Ausbeutung bei S04 – Tönnies Raus!“ Und an einer Brücke ein Banner mit der Forderung: „Keine Rassisten auf Schalke!“

Mit einer Menschenkette – unter Wahrung der Hygienevorschriften – rund um das Vereinsgelände am Berger Feld und die Veltins-Arena wollen die Anhänger am Samstag (15.30 Uhr) während des letzten Saisonspiels der Mannschaft in Freiburg gegen Missstände und Fehlentwicklungen demonstrieren. „Schalke ist kein Schlachthof! Gegen die Zerlegung unseres Vereins“, lautet das Motto der vom Supporters Club unterstützen Aktion.

Sie richtet sich nicht allein gegen den mächtigen Clubchef, sondern auch gegen die noch verbliebenen Vorstände Alexander Jobst und Jochen Schneider. Marketing-Vorstand Jobst stammt aus Fulda, Sportvorstand Schneider ist Schwabe. Die Sorge der Fans: Können sie die Nöte und Denkweise im Ruhrgebiet verstehen?

Die Fans gehen wegen des unglücklichen Agierens der Führungsriege während der Corona-Pandemie auf die Straße. Das über Jahrzehnte aufgebaute und gepflegte Image des Kumpel- und Malocherclubs sehen sie ernsthaft in Gefahr. Die Ultras Gelsenkirchen rechneten schon am Montag mit den Clubchefs ab. Die mit rund 1000 Mitgliedern größte und einflussreichste Einzel-Fangruppierung bezeichnet die gesamte Saison als „moralische Bankrotterklärung“ und beklagt den „Ausverkauf der Schalker Werte“. Man habe Schalke bundesweit „der Lächerlichkeit preisgeben“, hieß es in einem offenen Brief.

Die Kritik erhält immer wieder neue Nahrung. Da ist der in der Fanszene als unfair und unverschämt wahrgenommene Umgang mit Karteninhabern, die ihren Anspruch auf Rückzahlung bereits bezahlter Ticketgelder mit einem Härtefallantrag begründen sollten. Da ist die Kündigung von 24 geringfügig Beschäftigen im Fahrdienst der Nachwuchsabteilung Knappenschmiede. Und da ist auch die von Tönnies befeuerte Diskussion um die von den Fans abgelehnte Ausgliederung der Profi-Abteilung. Auch der Rausschmiss von Medienchef Thomas Spiegel – ein Mann des Ausgleichs mit Verständnis für Fan-Belange – kam nicht besonders gut an.

In der Vorstandsetage wirkt vieles unkoordiniert und empathielos. Die Außenwirkung ist verheerend. Dazu kommt der gewaltige Imageschaden für Club-Patron Tönnies, der mit seiner Firma mächtig unter Druck steht. Der 64-Jährige ist seit der Debatte um seine von vielen als rassistisch wahrgenommenen Äußerungen gegen Afrikaner als Gastredner bei einem Unternehmer-Treffen in Paderborn im August 2019 und dem merkwürdigen Umgang damit durch Schalkes Ehrenrat ohnehin angezählt.

Tönnies‘ einst große Beliebtheitswerte rauschen so schnell in den Keller wie die Infektionsraten in seinem Fleisch-Imperium ansteigen. Auch die Mängel bei der Unterbringung vieler Werksarbeiter aus Rumänien, Bulgarien und Polen stoßen bei den Schalke-Fans auf Unverständnis. Schließlich leben die meisten in der strukturarmen Region im Ruhrgebiet. Viele sind selbst nicht auf Rosen gebettet.

Die Kraft der Anhänger ist nicht zu unterschätzen. Schalkes Fanclub-Verband zählt mehr als 60.000 Mitglieder. Dazu kommen einflussreiche Einzel-Gruppierungen. Viele Anhänger treibt längst die Sorge um, dass sich die Krise im Tönnies-Unternehmen auf den Club ausweiten könnte. Schalke-Legende Gerald Asamoah hofft, dass „es keine größeren Auswirkungen“ auf den Club hat. Sicher ist er aber nicht.

© dpa-infocom, dpa:200623-99-535396/2 (dpa)



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