„Nonplusultra-Hochrisikospiel“: EM-Viertelfinale in Berlin als türkisches Fußballfest

Rund 200.000 Menschen mit türkischen Wurzeln leben in der deutschen Hauptstadt. Für sie ist das Spiel der Türkei gegen die Niederlande etwas ganz Besonderes – allerdings auch für die Polizei. Türkische Fußball-Ultras fordern die Fans im Berliner Olympiastadion beim Spiel zum Zeigen des umstrittenen Wolfsgrußes auf.
Türkische Fans feiern in Berlin.
Türkische Fans feiern in Berlin.Foto: Christoph Soeder/dpa
Epoch Times5. Juli 2024

Für die türkische Gemeinde in Berlin ist das EM-Viertelfinale der Türkei gegen die Niederlande an diesem Samstag in der deutschen Hauptstadt ein Fußballfest.

„Berlin ist ja die größte Stadt außerhalb der Türkei mit über 200.000 türkeistämmigen Menschen, deswegen freuen sich die Leute natürlich“, sagte Vorstandssprecher Safter Çinar vom Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg (TBB). „Viele türkische Cafés und Restaurants, die bislang keinen Fernseher hatten, haben jetzt alle einen installiert.“

Dass durch den Wirbel um den Wolfsgruß-Jubel des türkischen Nationalspielers Merih Demiral der Sport in den Hintergrund geraten ist, sei „wirklich sehr bedauerlich“, meinte Çinar: „Was der Junge gemacht hat, ist natürlich Unsinn, der wird auch sicherlich sanktioniert.“

Es sei jedoch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gewesen, die mit Kritik an der Erkennungsgeste der „Grauen Wölfe“, einer der größten rechtsextremen Gruppen in Deutschland, den Vorfall auf die politische Ebene gehoben habe. „Das war völlig überflüssig und hat die Atmosphäre vergiftet“, äußerte der TBB-Vorstandssprecher.

Türkischer Bund: „Keine brisantere Partie als diese“

Ob und inwieweit der erwartete Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beim Spiel am Samstag (21.00 Uhr/RTL/MagentaTV) im Olympiastadion Einfluss auf die Stimmung hat, könne er nicht abschätzen, so Çinar. Er hoffe aber, dass es vor, während und auch nach der Partie friedlich bleibe.

Das Viertelfinale sei ein „Nonplusultra-Hochrisikospiel“, sagte Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei Berlin. „Beim aktuellen Teilnehmerfeld gibt es keine brisantere Partie als Niederlande gegen die Türkei in Berlin.“

Aufgrund der großen türkischen Community in Berlin, die sich auch abseits der Hotspots zum Fußballgucken und Feiern treffe, sei Unterstützung aus dem Bundesgebiet angefragt worden.

Rund 3.000 Beamte dürften im Einsatz sein. Der Erdogan-Besuch ändere wenig an den Personal-Planungen, so Jendro: „Wir rufen eh schon alles in den Dienst, was laufen kann.“

Fußball-Ultras mit brisanter Aufforderung

Türkische Fußball-Ultras haben die Fans im Berliner Olympiastadion beim EM-Viertelfinale ihres Teams gegen die Niederlande zum Zeigen des umstrittenen Wolfsgrußes aufgefordert. Alle Anhänger auf der Tribüne seien eingeladen, die Geste während der Nationalhymne zu machen, hieß es in einem Aufruf auf der Plattform X.

Die türkische Ultra-Gruppierung betonte, der Wolfsgruß sei nicht rassistisch zu verstehen, sondern „das nationale Symbol des Türkentums“.

Der Wolfsgruß drückt in der Regel die Zugehörigkeit oder das Sympathisieren mit der türkischen rechtsextremen Ülkücü-Bewegung und ihrer Ideologie aus. In der Türkei wird er etwa von der ultranationalistischen Partei MHP genutzt, die Partner der Regierung von Recep Tayyip Erdogan ist.

Im Zuge eines erstarkenden Nationalismus haben zuletzt aber auch Vertreter der politischen Mitte das Zeichen genutzt, um etwa Wähler aus nationalistischeren Milieus anzusprechen. Ein Beispiel ist der damalige Erdogan-Herausforderer und Mitte-Links-Politiker Kemal Kilicdaroglu im Präsidentschaftswahlkampf 2023. In Deutschland wird die Ülkücü-Bewegung vom Verfassungsschutz beobachtet

Castellucci warnt Erdogan vor ideologischem Missbrauch der EM

In der Bundespolitik mehren sich die Appelle, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit seinem geplanten Deutschland-Besuch zur Fußball-Europameisterschaft nicht die Debatte um den sogenannten „Wolfsgruß“ des Nationalspielers Merih Demiral befeuern solle.

Der Vorsitzende des Innenausschusses, Lars Castellucci (SPD), warnte Erdogan vor einem ideologischen Missbrauch des Viertelfinalspiels gegen die Niederlande am Samstag. „Ich wünsche Herrn Erdogan einen guten Aufenthalt im Berliner Olympiastadion“, sagte Castellucci dem „Tagesspiegel“.

Die EM in Deutschland verbinde Menschen quer über den Kontinent in aller Vielfalt und sportlicher Fairness miteinander. „Den Fußball politisch oder ideologisch aufzuladen, widerspricht diesen Ideen“, so Castellucci.

Auch Unionsfraktionsvize Johann Wadephul wies darauf hin, dass die EM ein völkerverbindendes Fußballfest sei. Erdogan könne bei seinem Besuch ein wichtiges Zeichen der sportlichen Verbundenheit setzen, sagte Wadephul dem „Tagesspiegel“ weiter.

„Politisch ist und bleibt die Türkei einer unserer wichtigsten Partner“, fügte er hinzu. Der Unionsfraktionsvize kritisierte, dass die Bundesregierung „zu wenig in diese Partnerschaft investiert“ habe. Der Besuch biete „die Gelegenheit, diese Lücke zu füllen.“

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler äußerte die Hoffnung, dass Erdogans Besuch „die Diskussion der letzten Tage nicht zusätzlich befeuert“. Ein Staatspräsident wie Erdogan trage auch „Verantwortung gegenüber dem Gastgeberland“, gab sie zu bedenken. (dpa/rdts/ed)



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