DFB irritiert über WDR-Umfrage: Mehr als ein Fünftel für „weißeres“ Nationalteam

Nestbeschmutzung oder nötige Debatte im Vorfeld der EURO 2024? DFB-Nationalspieler Joshua Kimmich übt Kritik an einer Umfrage des WDR, der zufolge 21 Prozent der Deutschen rassistische Auffassungen mit Blick auf das Nationalteam hegten. Der Sender verteidigt sein Vorgehen.
Bundestrainer Julian Nagelsmann bei einer Pressekonferenz.
DFB-Trainer Julian Nagelsmann hat sich über eine „sch*** Umfrage“ des WDR wenig erfreut gezeigt.Foto: Christian Charisius/dpa
Von 3. Juni 2024

Eine infratest-dimap-Umfrage des WDR hat wenige Tage vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft EURO 2024 eine Debatte über Rassismus in Deutschland ausgelöst. Die „Sportschau“ der ARD hatte auf ihrer Facebookseite deren Ergebnis veröffentlicht. Diesem zufolge gaben 21 Prozent an, sich eine „weißere“ Nationalmannschaft des DFB zu wünschen. Überdurchschnittlich häufig hätten Wähler der AfD diese Ansicht geäußert.

Demgegenüber erklärte eine knappe Zwei-Drittel-Mehrheit von 66 Prozent, den gestiegenen Anteil an Spielern mit sogenanntem Migrationshintergrund in der Mannschaft zu begrüßen. Die Umfrage hatte die ARD im Zusammenhang mit einer Dokumentation in Auftrag gegeben.

Umfrage für Dokumentation über Fußballer mit Migrationsgeschichte im DFB durchgeführt

Der öffentlich-rechtliche Sender hat im Vorfeld der EURO 2024 das Format „Einigkeit und Recht und Vielfalt“ produziert. Darin dokumentiert der Journalist Philipp Awounou, wie sich der Anteil von Spielern aus Migrantencommunitys im DFB-Nationalteam in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat.

Derzeit weisen neun der 27 Spieler im vorläufigen Kader des DFB-Teams für die EM einen sogenannten Migrationshintergrund auf. Der statistikrelevanten Definition zufolge liegt ein solcher vor, wenn eine Person selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt. Mit dem Anteil von einem Drittel ist er unter Kaderangehörigen des DFB-Teams leicht überdurchschnittlich gemessen an der Gesamtbevölkerung. Dort lag er zuletzt bei 29,7 Prozent.

Bei der Umfrage gaben zudem 17 Prozent der Bevölkerung zu erkennen, dass sie ein Problem mit den türkischen Wurzeln von Mannschaftskapitän Ilkay Gündoğan hätten. Infratest dimap hatte Anfang April 1.304 repräsentativ ausgewählte Personen bundesweit telefonisch oder online befragt.

Unverständnis und irritierte Reaktionen im DFB-Team selbst

Im DFB-Team selbst, das sich derzeit im EM-Quartier in Herzogenaurach befindet, hat die Umfrage kritische Reaktionen ausgelöst. Teamspieler Joshua Kimmich äußerte am Samstag, 1.6., es sei „schon absurd, so eine Frage zu stellen, wo es eigentlich darum geht, das ganze Land zu vereinen“. Es gehe „jetzt nur darum, gemeinsam Großes zu erreichen“.

Kimmich bezeichnete das Ergebnis der Umfrage als „absoluten Quatsch“. Gerade der Fußball sei ein Beispiel dafür, wie sich unterschiedliche Nationen, Hautfarben und Religionen vereinen ließen:

„Darum geht es auch bei uns in der Mannschaft. Ich würde sehr, sehr viele Spieler sehr vermissen, wenn sie nicht hier wären. Das ist absolut rassistisch und hat keinen Platz bei uns in der Kabine.“

Auch Teamtrainer Julian Nagelsmann äußerte sich irritiert darüber, dass Fragen wie diese aufgeworfen würden. Das Portal „Sport1“ zitiert ihn mit der Aussage, dass eine Fußballmannschaft ein Beispiel für Integrationspotenzial sei. Immerhin arbeite man „vereint und an einem gemeinschaftlichen Ziel“. Jeder, der die erforderliche Leistung erbringe, sei eingeladen, als A-Nationalspieler für sein Land alles zu geben. Er hoffe, so Nagelsmann, „nie wieder so sch*** Umfragen zu lesen“.

WDR wollte durch Umfrage Erfahrungen seines Reporters mit „fundierten Daten“ untermauern

Der Sportchef des WDR, Karl Valks, verteidigte die Umfrage. Immerhin sei Reporter Philipp Awounou während der Dreharbeiten der Doku immer wieder mit entsprechenden Aussagen konfrontiert worden. Mehrere Personen, mit denen der selbst dunkelhäutige Journalist gesprochen habe, hätten ihm gegenüber offen zum Ausdruck gebracht, dass ihnen das Nationalteam nicht „weiß“ genug wäre.

Dies wollte man, so zitiert der Mediendienst „DWDL“ den WDR-Abteilungsleiter, „bewusst nicht anekdotisch wiedergeben, sondern auf fundierte Daten stützen“. Aus diesem Grund sei es dazu gekommen, dass man die Umfrage in Auftrag gegeben habe.

Das letzte Mal, dass es in der Mannschaft selbst zu Vorwürfen des Rassismus gekommen war, datiert auf das Jahr 2018 zurück. Damals hatte der 92-fache Teamspieler Mesut Özil dem DFB angelastet, ihn gegen entsprechende Tendenzen nicht verteidigt zu haben. Stattdessen habe man ihn unter Bekenntniszwang im Kontext von Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gesetzt. Özil erklärte damals, nicht mehr für die Nationalmannschaft zur Verfügung zu stehen.

Erinnerungen an Debatte um „No-go-Areas“ im Vorfeld des „Sommermärchens“ 2006

Dass eine solche Debatte in Deutschland nun im Vorfeld eines internationalen Großereignisses geführt wird, erinnert unterdessen an eine ähnliche Begebenheit im Vorfeld der „Sommermärchen“-WM 2006. Wenige Wochen vor deren Beginn hatte der damalige Regierungssprecher Uwe-Carsten Heye von „No-go-Areas“ im Osten Deutschlands gesprochen.

Es gebe, so Heye damals, „kleine und mittlere Städte in Brandenburg und anderswo, wo ich keinem, der eine andere Hautfarbe hat, raten würde, hinzugehen“. Betreffende würden sie „möglicherweise lebend nicht mehr verlassen“. Als Grund für die attestierten Einstellungen nannte der SPD-Politiker damals das deutsche Schulsystem. Die damit verbundene frühe Selektion und „Beschämungskultur“ machten „krank und aggressiv“.

Die unter dem Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ stehende FIFA-WM 2006 galt am Ende als eine der friedlichsten Veranstaltungen dieser Art aller Zeiten. Deutschlands Image in der Welt hatte sich infolge des „Sommermärchens“ erheblich verbessert.



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