DFB-Elf stolpert in Wien – EM-Alarm für Nagelsmann
Eine Trainerdebatte zeichnet sich noch nicht ab, aber die zweite Niederlage im vierten Spiel als Bundestrainer deutet bereits darauf hin, dass der „Nagelsmann-Bonus“ verraucht ist. Zwar sagt eine Auftaktbilanz nicht immer Entscheidendes über den Erfolg eines Engagements als Trainer der DFB-Elf aus. Hansi Flick war mit 13 Spielen ohne Niederlage gestartet. Dennoch ist die Kritik an der deutschen Elf nach dem 0:2 am Dienstagabend, 21.11., in Österreich nicht zu überhören. Und diese nimmt auch Coach Julian Nagelsmann nicht aus.
Nagelsmann soll „alles hinterfragen – vor allem seine Maßnahmen“
Von einem „armseligen und unwürdigen Auftritt“ zum Jahresabschluss schreibt der „kicker“. Anders als beim 2:3 gegen die Türkei, bei der die deutsche Mannschaft zumindest phasenweise ihr Können aufblitzen ließ, gab es in Wien gerade mal einen Torschuss. Dieser kam von Leroy Sané, der wenig später wegen einer Tätlichkeit vom Platz flog. Das Fachblatt kritisierte:
„Mit dieser Darbietung hat sich Deutschland bei der EM-Auslosung am 2. Dezember in Hamburg zum Wunschgegner aus Lostopf 1 gemacht.“
Aber auch Nagelsmann wird anempfohlen, dieser solle „alles hinterfragen – vor allem seine Maßnahmen“. Sieben Monate vor der Heim-EM bescheinigt man dem Trainer, „mehr offene Baustellen als bei der Amtsübernahme vor zwei Monaten“ geschaffen zu haben. Zudem setze er auf „Trotz und Sturheit“, statt sich von sachlicher Kritik überzeugen zu lassen.
DFB-Team in Testspielen häufig unmotiviert
Inwieweit die Niederlage vom Dienstagabend für das DFB-Team Aussagekraft bezüglich der bevorstehenden EURO 2024 hat, ist ungewiss. Die Motivation der deutschen Elf, in Testspielen bis an ihre Leistungsgrenzen zu gehen, ist erfahrungsgemäß nicht immer gleich hoch. Selbst das legendäre „Sommermärchen“ der WM im eigenen Land hatte mit einem 1:4 im ersten Test 2006 in Italien begonnen.
Deutschland hatte sich spätestens seit dem Weltmeisterjahr 1954 einen Ruf als „Turniermannschaft“ erworben, die sich mit den vor ihr liegenden Aufgaben steigert. Fußball-Länderspiele zwischen Österreich und Deutschland haben zudem traditionell eine besondere Brisanz. Das sportliche Verhältnis ist durch eine starke Rivalität und hohe Emotionalität geprägt. Das österreichische Team geht in solche Spiele stets mit hoher Motivation.
Österreich gewinnt zweites Prestigeduell gegen Deutschland in Folge
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der Zeit des „Wunderteams“ der frühen 1930er-Jahre galt das kleinere Nachbarland als Fußball-Großmacht. Fast alle Duelle mit dem deutschen Team konnte Österreich für sich entscheiden – außer jene, in denen es um große Entscheidungen ging.
So war das 2:3 im Kleinen Finale der WM 1934 in Italien die zweite österreichische Niederlage gegen Deutschland im zehnten Aufeinandertreffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand der österreichische Fußball im Schatten des „großen Bruders“. Auch deshalb hatte man das – fußballerisch für Österreich bedeutungslose – 3:2 in der Finalrunde im argentinischen Cordoba 1978 zu einem Jahrhundertereignis erhoben.
Danach gab es tatsächlich nur noch 1986 einen Testspielsieg (4:1 in Wien). Im Jahr 2008 besiegelte das 0:1 durch ein Freistoßtor von Michael Ballack in der 38. Minute das Vorrundenaus bei der EM im eigenen Land.
Krise des deutschen Teams begann nach Weltmeistertitel 2014
Dass Österreich nun aber die letzten beiden Duelle mit Deutschland für sich entscheiden konnte (2018 gab es ein 2:1 in einem Test), deutet vor allem auf eine qualitative Steigerung des rot-weiß-roten Nationalteams hin. Diese hat es tatsächlich gegeben – worauf etwa die Leistungen der vergangenen beiden EM-Turniere hindeuten. Dass immer mehr Österreicher als Legionäre in stärkeren Ligen spielen, dürfte dazu beigetragen haben.
Allerdings zeichnet sich seit dem triumphalen WM-Sieg von 2014 in Brasilien ein erheblicher Niveauabfall des DFB-Teams ab. Seit damals hat Deutschland in keinem größeren Turnier mehr das Halbfinale erreicht – bei den WM-Turnieren in Russland und Katar gab es sogar ein Vorrundenaus.
Vor allem mit Blick auf die ersten Jahre nach dem letzten WM-Titel konnte der Verweis auf fehlende Motivation nach dem großen Triumph noch überzeugen. Allerdings sind mittlerweile fast zehn Jahre vergangen, der Kader hat sich fast komplett erneuert und die Ära Löw liegt ebenfalls schon zwei Jahre zurück.
Politisierung des DFB brachte Unruhe in das Team
In den späten 2010er und frühen 2020er-Jahre litt die DFB-Elf auch an einem ungünstigen Umfeld. PR-technische Fehlentscheidungen wie das Branding als „Die Mannschaft“ trugen zur Entfremdung von vielen Fans bei.
Dazu kam eine heftige Politisierung des Sports, die der DFB nicht nur zuließ, sondern bei der er zum Teil noch Öl ins Feuer goss. Der Rassismus-Skandal, der den Abschied von Spielerstar Mesut Özil begleitete, belastete das Team am Ende ähnlich wie die permanenten Forderungen, „Haltung“ zu zeigen.
Ob während der WM in Russland 2018, im Umfeld des Vorrundenspiels gegen Ungarn bei der EURO 2020 oder zuletzt in Katar: Die Ausflüge in die Politik schadeten nicht nur der Identifikation weiter Teile der Bevölkerung mit dem Nationalteam. Auch die Konzentration auf den Sport kam zu kurz.
Nagelsmann setzt auf Entwicklung von Talenten
Rudi Völler kündigte als neuer Sportdirektor des DFB nach der WM einen Neubeginn an. Er wollte bewusst die Politik vom sportlichen Betrieb fernhalten. Zum Teil ist es ihm gelungen. Allerdings zeigen sich nach wie vor spielerische Schwächen und die Mannschaft macht unter anderem in der Defensive einen labilen Eindruck.
Die ersten beiden Spielen auf dem amerikanischen Kontinent hatten nach der Verpflichtung von Julian Nagelsmann Hoffnung auf einen Trainereffekt gemacht. Diese ist nach den Niederlagen gegen die Türkei und gegen Österreich schon wieder Skepsis gewichen.
Nagelsmann hatte bislang auf die Philosophie gesetzt, „die besten Spieler, die wir haben, auf die beste Position zu packen“. Inzwischen treten bereits die Schwächen dieses Ansatzes zutage: Nicht auf jeder Position ist die diesbezügliche Auswahl gleich groß.
Der frühere Hoffenheim- und Bayern-Trainer geht davon aus, dass es dem DFB an Talenten nicht fehlt. Potenziale zeigten ja auch in diesem Jahr Ergebnisse wie das 2:1 gegen Vizeweltmeister Frankreich auf.
„Doch vielleicht“, erklärte er dem „kicker“ gegenüber, „müssen wir auf zwei Prozentpunkte Talent verzichten und zwei Prozentpunkte mehr Worker reintun. Das werden wir jetzt alles analysieren.“
„Todesgruppe“ mit Dänemark, Niederlanden und Italien möglich
Ungewiss ist, ob der Faktor des Losglücks bei der EURO 2024 eine Rolle bezüglich der Erfolgsaussichten spielen wird. Bereits bei den WM-Turnieren 2018 und 2022 war Deutschland nicht unbedingt in den höchstkarätigen Gruppen gelandet. Zudem ist das Leistungsgefälle bei Europameisterschaften traditionell deutlich geringer als bei WM-Turnieren.
Dennoch gibt es, wenn am 2. Dezember in der Hamburger Elbphilharmonie die Vorrundengruppen ausgelost werden, Wunschkonstellationen und solche, die diesen Namen weniger verdienen. Eine Vorrundengruppe mit Dänemark, den Niederlanden und Italien ist ebenso möglich wie eine mit Albanien, der Slowakei und Griechenland. Drei mögliche Gegner müssen noch im Wege der „Nations League“-Playoffs ausgespielt werden.
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