EU-Parlament erzwingt Strafverfahren gegen Ungarn – Deutschland lobt Entscheidung

Ungarns konservativer Regierungschef Viktor Orban hat im Europaparlament eine schwere Niederlage einstecken müssen: Die Abgeordneten leiteten am Mittwoch wegen des Vorwurfs der Verletzung von EU-Grundwerten ein Strafverfahren gegen Ungarn ein.
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Die Flaggen Ungarns und der Europäischen Union vor dem Reichstag in Berlin.Foto: Soeren Stache/dpa
Epoch Times12. September 2018

Ungarns konservativer Regierungschef Viktor Orban hat im Europaparlament eine schwere Niederlage einstecken müssen: Die Abgeordneten leiteten am Mittwoch wegen des Vorwurfs der Verletzung von EU-Grundwerten ein Strafverfahren gegen Ungarn ein, das bis zum Entzug von Stimmrechten auf europäischer Ebene führen kann. Die ungarische Regierung warf dem Parlament einen Racheakt wegen ihres harten Kurses in der Flüchtlingspolitik vor. Aus Deutschland gab es viel Lob für die Entscheidung der EU-Parlamentarier.

Für den Antrag, der auf einem Ungarn-kritischen Bericht der niederländischen Grünen-Abgeordneten Judith Sargentini fußte, stimmten 488 EU-Abgeordnete. Dagegen waren 197 Vertreter, 48 enthielten sich. Damit kam die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen zustande.

In dem Bericht werden Orbans Regierung zahlreiche Verstöße vorgeworfen. Dazu gehören Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz, die Einschränkung der Medienfreiheit und der Rechte von Minderheiten sowie das Vorgehen gegen Nichtregierungsorganisationen.

„Die Entscheidung von heute ist nichts als ein kleinlicher Racheakt gegen Ungarn von Politikern, die für Einwanderung sind“, sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto in Budapest. Orban war am Dienstag selbst ins Europaparlament gekommen und hatte den EU-Abgeordneten „Erpressung“ vorgeworfen.

Die Abstimmung galt als Test für die Europäische Volkspartei (EVP), zu der Orbans Fidesz-Partei gehört. Der deutsche Fraktionschef Manfred Weber (CSU), der kommendes Jahr das Amt des EU-Kommissionspräsidenten anstrebt, hatte am Dienstagabend angekündigt, er werde das Verfahren gegen Ungarn unterstützen.

Wegen der Spaltung der Fraktion in der Frage stellte er es den EVP-Abgeordneten aber frei, wie sie am Mittwoch abstimmen. 115 EVP-Abgeordnete stimmten nun für die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 7 des EU-Vertrags. 57 votierten dagegen und 28 enthielten sich. Das Artikel-7-Verfahren kann durch die EU-Kommission, die Mitgliedstaaten und das Parlament eingeleitet werden.

Ob es tatsächlich Sanktionen gibt, müssen nun die EU-Mitgliedstaaten entscheiden. Wann Ungarn auf die Tagesordnung der zuständigen EU-Europaminister kommt, hängt vom derzeitigen EU-Ratsvorsitz Österreich ab. Die Hürden bis zu einem möglichen Stimmrechtsentzug sind jedoch hoch: Um über Sanktionen zu entscheiden, wäre zuerst ein einstimmiger Beschluss der Mitgliedstaaten nötig.

Die EU-Kommission hatte erstmals Ende vergangenen Jahres ein Artikel-7-Verfahren gegen Polen ausgelöst. Grund waren eine Reihe umstrittener Reformen des polnischen Justizsystems. In dem polnischen Verfahren hat Ungarn bereits angekündigt, Sanktionen gegen Warschau mit seinem Veto zu blockieren. Budapest dürfte darauf setzen, dass Polen sich auf die gleiche Weise auf seine Seite stellt.

Die Bundesregierung nahm die Entscheidung des EU-Parlaments zur Kenntnis, wie Regierungssprecher Steffen Seibert sagte. Konkret zu Ungarn wollte er sich nicht äußern. Grundsätzlich könne die EU als Wertegemeinschaft aber nur funktionieren, wenn alle Regierungen ihre Werte achteten und verteidigten. Frankreichs Regierung begrüßte das „sehr starke Signal“ des EU-Parlaments.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte kurz vor der Abstimmung, es sei „an der Zeit ein Zeichen zu setzen, dass es auf diese Grundwerte keine Rabatte gibt“. Es sei gut zu verdeutlichen, „dass die EU mehr ist als eine Mischung aus Binnenmarkt und Kohäsionsfonds“.

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock lobte die Entscheidung. Sie zeige, „dass Europa gemeinsam für seine Werte einsteht“. Nun müsse „das Verfahren gegen Ungarn konsequent vorangetrieben werden“, forderte Baerbock.

Unterstützung bekam die ungarische Regierung von der AfD. Es sei „eindeutig“, dass Orban für seinen Widerstand gegen die EU-Flüchtlingspolitik „bestraft werden soll“, erklärte der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland.

Der Generalsekretär von Amnesty International Deutschland, Markus Beeko, erklärte, die EU-Abgeordneten hätten mit ihrer Entscheidung „den Menschenrechten und Grundwerten der EU deutlich den Rücken gestärkt“. Es handele sich um „ein wichtiges Signal der Solidarität an die ungarische Zivilgesellschaft“. (afp)



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