Moralische Diversität bei Energiebeschaffung für Deutschland

Ein Gasdeal mit Katar, Frackinggas aus den USA und Kernkraft aus Frankreich – Energie muss geliefert werden, Hauptsache in Deutschland bleibt's „grün“.
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Foto: Karim Jaafar/GettyImages
Von 30. November 2022

Der Gasdeal mit dem WM-Gastgeber und der Besuch der Innenministerin Nancy Faeser (SPD) in Katar lässt vielseitige Moralauslegungen erkennen: Erstens wird ein Gasdeal mit Katar geschlossen, dem Land, welches Homosexualität nicht akzeptiert, obwohl die deutsche Regierung großen Wert auf Gleichberechtigung legt. Zweitens werden Gaslieferungen aus Russland mit dem Argument abgelehnt, dass es sich um eine totalitäre Regierung handele. Dafür wird das Gas jetzt von einem anderen totalitären Staat bezogen. Drittens ist Frackinggas in Deutschland aus Umweltschutzgründen verboten, während die USA Frackinggas nach Deutschland liefern. Und viertens werden in Deutschland Kernkraftwerke abgeschaltet – aus Frankreich wird allerdings Atomstrom gekauft.

Deutschland für Homosexualität und Menschenrechte

Die Innenministerin schaute das erste Fußballweltmeisterschaftsspiel der deutschen Nationalmannschaft in Katar mit einer „One Love“-Armbinde an, um ein Zeichen für Gleichberechtigung und Toleranz von Homosexualität zu setzen.

Der Hintergrund: Katar ist eines der wenigen Länder weltweit, in denen Homosexualität mit dem Tode bestraft wird. Als Zeichen dagegen sollte der Mannschaftskapitän Manuel Neuer eine „One Love“-Armbinde tragen, was ihm von der FIFA verboten wurde. Die Innenministerin wollte als Zuschauerin des Spiels trotzdem ein Zeichen setzten und trug eine „One Love“ Armbinde. Der Protest der Deutschen nahm noch weiter zu, sodass sich die Fußballspieler beim Mannschaftsfoto den Mund zuhielten – als Protest gegen den „Maulkorb“ der FIFA.

Schlussendlich macht die deutsche Politik allerdings entgegen allen Protests und ungeachtet der Menschenrechtsverletzungen doch einen Deal mit Katar.

Nachdem der Deal beschlossen wurde, betonte der katarische Energieminister Saad Sherida Al-Kaabi: „Als Muslime glauben wir daran, dass LGBTQ nicht akzeptabel ist in unserer Religion. Das islamische Gesetz akzeptiert LGBTQ nicht.“

Zudem verteidigte er die Todesstrafe für Homosexuelle: „Ob Töten, Stehlen oder was auch immer es für eine Sünde ist, ich bin nicht derjenige, der da Fragen stellen darf, was richtig oder falsch ist.“ Die Gesetze und Verfassung Katars basierten auf der Religion. Der Energieminister wirft die Frage auf: „Wo ist mein Menschenrecht, das zu wählen, was ich für meine Religion, mein Land, meine Kinder und meine Familie will?“

Der Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani selbst betonte gegenüber der FAZ die Doppelmoral der Deutschen. Deutschland habe mit Energiepartnerschaften oder katarischer Hilfe bei Evakuierungsoperationen wie in Afghanistan kein Problem. „Aber wenn wir eine Fußballweltmeisterschaft ausrichten, diesen Moment genießen und zusammen mit der deutschen Mannschaft feiern wollen, dann gelten auf einmal andere Maßstäbe. Das können wir nicht verstehen.“

Tschüss Russland, hallo Katar!

Die „Stuttgarter Zeitung“ fragt: „Ist es vertretbar, Gasgeschäfte mit Katar zu machen?“ Ja und nein, lautet deren Antwort. Im Gegensatz zu Russland seien die Vereinigten Emirate kein Land, das mit einem Krieg die europäische Friedensordnung gefährde und eine direkte Bedrohung für die Bundesrepublik und die Europäische Union (EU) sei.

Allerdings positionierte sich beispielsweise die jetzige Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schon im Wahlkampf 2021 – vor dem Krieg in der Ukraine – gegen die Gaspipeline Nord Stream 2. „Ich halte diese Pipeline nach wie vor für falsch, aus klimapolitischen Gründen, aber vor allem auch geostrategisch“, sagte sie.

Gazprom-Lieferungen wurden im August für Deutschland und Italien gestoppt. Seit Anfang Oktober erhält Italien allerdings wieder Gas aus Russland. Der italienische Konzern sah „absolut keine geopolitischen Gründe“ als Grund für den Lieferstopp. Vielmehr seien Probleme bei Bezahlungsdetails in Rubel oder Euro aufgetreten.

Nach Deutschland fließt derzeit kein Gas aus Russland. Deren totalitäres Regime ist häufig das Argument gegen die Lieferungen. Allerdings sind auch die Vereinigten Emirate solch ein Regime. So fordert die Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali, dass es trotz des Krieges in der Ukraine Gaslieferungen aus Russland geben solle. Es sei sinnvoll, das Gas aus den Pipelines zu beziehen. „Die Pipelines aus Russland, die noch da sind, sollten dafür genutzt werden“, sagt sie.

Kein Fracking und keine Kernkraftwerke?

Die Erdgaslagerstätten in Deutschland sind immens: 123 Milliarden Kubikmeter sind mit Erdgas gefüllt. 2021 wurden 5,2 Milliarden Kubikmeter gefördert. Die Förderung deutschen Erdgases ist allerdings seit Jahren rückläufig.

Ein Großteil des Gases kann nur mit der Frackingmethode gewonnen werden. Beim Fracking wird Chemie in hartes Schiefergestein gedrückt, sodass Risse entstehen, das Gas herausdringt und eingefangen werden kann. Vor allem in den USA wird die Methode angewandt. Das mit Fracking gewonnene Gas wird nach Deutschland verkauft.

Im Gegensatz dazu wird Fracking in Deutschland stark kritisiert. Besonders das Trinkwasser und die Umwelt würden unter der Methode leiden. 2017 wurde Fracking daher in Deutschland verboten.

Außerdem werden die Kernkraftwerke in Deutschland kommendes Jahr abgeschaltet. Der Grund: Sie seien klimaschädlich. Die deutsche Regierung scheint das in Bezug auf Frankreich und Schweden nicht zu interessieren, es wird Atomstrom aus dem deutschen Nachbarland gekauft.

Wirtschaft oder Moral?

Nancy Faeser löste mit ihrem Besuch in Katar und der von ihr getragenen Armbinde eine vielseitige Debatte über die Doppelmoral der deutschen Politik aus.

Die „Weltwoche“ schreibt beispielsweise: „Manchmal ist es gut, dass sich Wirtschaft nicht an politischer Folklore orientiert.“

Laut dem Unternehmer und Spezialisten im Bereich Flüssiggas LNG, Gabor Beyer, sei es grundsätzlich richtig, sich auf die Energiesicherheit zu fokussieren – sowohl für die Erzeugung von Strom und Wärme als auch die deutsche Industrie. Dennoch sagt er der „Berliner Zeitung“, dass sich eine „Absurdität des deutschen Moralismus“ zeige:

„Wenn wir weiter nur von unseren moralischen Standards ausgehen und diese predigen, haben wir bald gar keine Freunde mehr, die unseren Standards genügen. Wir haben uns gerade so über Katar aufgeregt – zu Recht oder auch nicht – und als Nächstes schließen wir einen langfristigen Vertrag ab. Es gilt scheinbar immer noch der brechtsche Spruch: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“

Der EU-Abgeordnete Udo Voigt schreibt auf Twitter: „Vor den Kameras bei der #WM22 einen auf #Menschenrechte machen, aber hintenrum mit den Scheichs einen #Gasdeal mit #Katar aushandeln. Diese Regierung besteht nur aus Heuchlern.“

Eine Privatperson twittert: „Moment! Verstehe ich das richtig? Wir importieren jetzt langfristig Gas aus dem autoritären Katar, welches Homosexuelle verfolgt. Damit wir kein Gas aus einem autoritären Staat beziehen müssen, welches Homosexuelle verfolgt?“

Auch der Mitarbeiter des „Norddeutschen Rundfunks“ Holger Ohmstedt kritisiert in den „Tagesthemen“ die Geschehnisse und äußert: „Ich fürchte, wir haben uns an solche Widersprüche nach einem Amtsjahr dieser Koalition schon längst gewöhnt. Wir schalten unsere Kernkraftwerke ab und kaufen den Atomstrom dann teuer in Frankreich ein. Fracken wollen wir in Deutschland nicht, importieren aber begierig Frackinggas aus den USA.“ Schließlich schlussfolgert er: „Die Energiebeschaffung kann nicht schmutzig genug sein, Hauptsache der Dreck fällt nicht im eigenen Land an.“



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