Viktor Orban im Interview mit oe24: Verantwortung für das Land ist wichtiger als „gut“ zu sein
In einem ausführlichen Exklusiv-Interview mit der Publikation oe24 hat Ungarns Premierminister Viktor Orban sein Vorgehen in der Zeit der Flüchtlingskrise 2015 verteidigt. Als damals tausende Migranten illegal über Serbien eingereist wären und den Ostbahnhof in Budapest besetzt hätten, habe er mit deren Festsetzung und einem Ausreiseverbot die Regeln des Schengener Abkommens behaupten wollen.
„Ungarn hält sich an seine Verfassung und internationale Abkommen und Verträge“, erklärte Orban. „Man darf Ungarn nicht ohne Überprüfung betreten und auch so nicht von Ungarn nach Österreich reisen. Hier standen Ungarns Vertrauenswürdigkeit sowie der Respekt vor der Rechtsstaatlichkeit auf dem Spiel. Wir wollten unseren westlichen Verbündeten zeigen, dass wir die Grenze schützen können.“
Er verstehe die Reaktion jener, denen es in dieser Situation primär darum gegangen wäre, „gut“ und „human“ zu erscheinen. Die ungarische Reaktion sei demgegenüber jedoch von Verantwortung bestimmt gewesen. Man habe nichts zulassen wollen, was unumkehrbar gewesen wäre.
Orban weiter:
Glauben Sie mir, ich habe kein Herz aus Stein, aber mit Plüsch-Bären und Blümchen kann man keine Grenzen schützen. Die Migranten auf der anderen Seite stürmten die Grenze, bewarfen den Grenzschutz und attackierten die Polizei. Da muss man sich wehren. Das ist natürlich keine Wohlfühlarbeit, aber man muss das tun, wenn es die Sicherheit des Landes erfordert. Wer ein Land führen möchte, muss solche Entscheidungen treffen. Ich möchte ein Mensch sein, dessen Entscheidungen die Ungarn unterstützen und respektieren. Wenn ich nebenbei auch noch ein guter Mensch bin, ist das gut, aber an erster Stelle steht bei mir die Verantwortung für Ungarn.“
Verantwortung für das Land wichtiger als „gut“ zu sein
Für Österreichs heutigen Bundeskanzler und damaligen Außenminister Sebastian Kurz fand Orban lobende Worte. Dieser habe die Schließung der Balkan-Route befürwortet und an der Errichtung eines Visegrad-4-Grenzschutzes mitgewirkt. So habe man deutlich gemacht, dass man gemeinsam Europa beschütze.
Die Österreicher könnten sich heute glücklich schätzen, einen jungen und trotzdem erfahrenen Bundeskanzler zu haben, der bereits als Außenminister hervorragende Arbeit geleistet habe. Genauso sei auch Österreichs EU-Ratspräsidentschaft akribisch organisiert gewesen.
Wien und Budapest würden auch weiterhin in entscheidenden Bereichen mit einer Stimme sprechen – dazu gehöre insbesondere die Migrationsfrage:
„Die österreichische Position und die ungarische Position sind ähnlich: Wir müssen die Hilfe nach Afrika bringen und nicht die Probleme nach Europa holen. Manche sagen, dass die Lösung darin besteht, die Migranten nach Europa zu holen bzw. zu lassen, weil sie denken, dass das gut für ihr Land sein wird. Die ungarische Position ist, dass wir das nicht wollen. Da besteht ein ideologischer Unterschied. Das ist weder eine Lösung für Afrika noch für Europa. In diesem Fall würde unsere Kultur, die wir hier in Europa seit 2000 Jahren pflegen, untergehen. Wir sagen, wir möchten den Afrikanern so helfen wie die Österreicher auch: Wir unterstützen gerne die Entwicklung Afrikas. Damit in Afrika die eigene Bevölkerung ein annehmbares Leben hat. Ungarn stellt beispielsweise 900 Stipendien für afrikanische Studenten aus staatlichen Mitteln zur Verfügung.“
Nationale Sicherheit setze auch NGOs Grenzen
Dass Österreich und Ungarn den UN-Migrationspakt nicht unterschrieben haben, habe beide zwar zu den „Bad Boys der globalen Politik“ gemacht. Dem Ausstieg seien jedoch noch weitere Länder gefolgt. „Als ich hörte, dass die USA aus den Verhandlungen ausgeschieden ist, las ich selber nach und bemerkte, dass aus diesem Dokument große Probleme entstehen könnten, weil hier die nationale Sicherheit betroffen sein könnte“, erklärte Orban. Anschließend habe er sich mit seiner Regierung beraten und man habe sich sofort für den Ausstieg entschieden.
Orban wies auch Vorwürfe zurück, die Konfrontation seiner Regierung mit dem selbsternannten Philanthropen und Milliardär George Soros habe antisemitische Beweggründe. Der als Sohn einer jüdischen Familie in Ungarn geborene heutige Atheist Soros und die von ihm finanzierten NGOs hätten das gleiche Recht, sich am politischen Leben zu beteiligen, wie alle anderen. Man möchte jedoch Transparenz mit Blick auf die Geldflüsse und es gebe eine Grenze, wenn es um die nationale Sicherheit gehe.
„Die Migration ist eine Frage der nationalen Sicherheit. Wir hatten mit Soros friedliche Streitgespräche bis zu dem Punkt, wo seine Organisationen begonnen haben die Migranten zu finanzieren und sie ermutigt haben, rechtswidrig die ungarische Grenze zu überqueren. Das ist in Ungarn nicht akzeptabel. Wir haben Gesetze geschaffen, wonach ein solches Verhalten die nationale Sicherheit gefährdet. Unser Konflikt ist: Er möchte die Migranten nach Ungarn und Europa holen und ich lasse das nicht zu.“
Soros verkörpere „hässliche Seite des Kapitalismus“
Orban rechne nicht damit, dass Soros tatsächlich mit seiner Universität CEU Ungarn verlasse, die Ungarn entgegen den Darstellungen in der internationalen Presse „weder weggeschickt noch weggejagt“ habe.
„Die CEU muss nur alle gesetzlichen Bestimmungen erfüllen, wie alle anderen Universitäten in Ungarn auch. Ich bin übrigens überrascht über die internationale Presse, die schreibt, dass er Ungarn verlässt. Anscheinend kennen sie Soros sehr schlecht. Er geht aus keinem Land weg. Er bleibt. Überall. Sie werden sehen: der Unterricht an seiner Universität in Budapest wird weitergehen und sie werden dort Diplome überreichen. Ich kenne Soros. Er ist kein Mann, der einfach nur so Budapest verlässt.“
Soros sei ein „talentierter und gefährlicher Mann“. Mit seinen Spekulationen, die sogar Länder in den Ruin treiben würden und die er ohne Rücksicht auf die Ersparnisse von Millionen von Menschen betreibe, verkörpere er „die hässliche Seite des Kapitalismus“.
Diese wolle man in Ungarn nicht. Marktwirtschaft sei gut, wenn sie mit sozialer Verantwortung kombiniert werde. In diesem Sinne habe man das von den Sozialisten heruntergewirtschaftete Ungarn auch seit 2010 erneuert.
Das taten wir in vier Schritten. Erstens: Wir haben die christliche Identität der Nation gestärkt mit einer neuen Verfassung. Zweitens: Wir streben erfolgreich seit 2010 die Vollbeschäftigung an. Drittens: „Re-Industrialisierung“ mit Hilfe ausländischer Firmen, so dass die Stärkung von ungarischen Klein- und Mittelbetrieben nicht in den Hintergrund gerät. Und Viertens: Aufbau und Stärkung von Mitteleuropa, wir wollten in die Visegrad-Staaten neues Leben einhauchen und das ist uns bisher auch ganz gut gelungen.“
EU: Weg von Juncker, zurück zu Kohl
Europa, so betonte Orban, habe nur dann eine Chance, wenn es wieder zu jenem würde, das Altkanzler Helmut Kohl vorgeschwebt habe und dem Ungarn einst beigetreten sei. Kohl habe Mitteleuropa respektiert. Er habe nicht gewollt, dass Brüssel sich zum „Reich“ stilisiere und in die Innenpolitik der Mitgliedsländer einmische. „Als wir damals der EU beigetreten sind, hatten wir das Gefühl, trotzdem frei zu sein. Seitdem hat die EU einen anderen Weg eingeschlagen. Ich denke, das ist die falsche Richtung.“
Anders als Jean-Claude Juncker es mit seiner Forderung nach einer „politischen Kommission“ begründet habe, sei es nicht die Aufgabe der Europäischen Kommission, die EU zu führen. Das sei die Aufgabe der Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat. Die letzten fünf Jahre seien eine Enttäuschung gewesen.
Die bevorstehenden EU-Wahlen werden, so Orban, im Zeichen der Migration stehen. Damit werde es erstmals ein gemeinsames europäisches Thema geben, zu dem sich die europäischen Nationen äußern würden. Es gehe dabei um eine Richtungsentscheidung zwischen jenen, die meinen, aus einem Zusammenmischen der Kulturen des Christentums und des Islam würde etwas Neues und Gutes entstehen, und jenen, die einen solchen Versuch nicht aufgezwungen bekommen wollten.
„Wenn wir keinen Respekt einfordern, gehen wir unter“
Orban sieht für Europa nur dann eine Zukunft, wenn dieses seine Identität schützen und wertschätzen würde. Dazu wäre auch Klarheit erforderlich:
„Es wäre für Europa gut, wenn Europa mit einer Stimme sagen würde: Europa gehört den Europäern und bleibt ein europäischer Kontinent. Wir haben eine Kultur. Wir haben unsere Religionen. Wir haben hier unsere Werte. Das ist eine Zivilisation. Man kann herkommen, zusammenleben, aber von unseren Werten wollen wir nichts zur Disposition stellen. Frauen und Männer genießen bei uns die gleichen Rechte. Für uns ist das Modell der Familie mit einem Mann und einer Frau wichtig. Für uns ist die Religionsfreiheit wichtig, wir wollen in Europa offen unsere eigene Religion ausüben können. Das betrifft vor allem die jüdische Religion. Wer hier leben möchte, sollte das akzeptieren – und darf kein Antisemit sein. Aber wenn wir nicht klar sagen, dass das unsere Erwartung ist, dann werden sie unsere Kultur nicht respektieren und unsere Kultur wird untergehen. Dann entsteht Chaos. Europa ist nur stabil und erfolgreich, wenn Europa europäisch bleibt. Das erwarte ich mir von der EU.“
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