Oettinger fordert erneutes EU-Defizitverfahren gegen Frankreich
EU-Haushaltskommissar Oettinger plädiert dafür, gegen Paris ebenso entschlossen vorzugehen wie gegen Rom und ein Defizitverfahren zu eröffnen. Frankreich verstößt 2019 das elfte Mal in zwölf Jahren gegen die Neuverschuldungsregel der EU.

Ein Blick auf den Eifelturm, Paris.
Foto: iStock
Wegen der milliardenschweren Zusagen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an die „Gelbwesten“ fordert EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) ein neues Defizitverfahren gegen das Land. Frankreich verstoße im kommenden Jahr mit Ausnahme von 2017 „das elfte Jahr hintereinander gegen die Neuverschuldungsregel“, sagte Oettinger dem Magazin „Focus“.
Der französische Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici widersprach seinem deutschen Kollegen und nannte die Pariser Vorgaben „akzeptabel“.
Oettinger betonte: „Die Mehrausgaben, die Herr Macron jetzt versprochen hat, sind ja nicht einmalige Weihnachtsgeschenke, sondern es sind strukturell dauerhafte Ausgaben.“ Davon komme „er auch 2020 nicht herunter.“
Die EU-Kommission hatte das Defizitverfahren gegen Frankreich erst im Juni nach neun Jahren eingestellt, nachdem die Neuverschuldung wie von Macron versprochen unter die Drei-Prozent-Grenze gesunken war.
Zugeständnisse an „Gelbwesten“ belasten den Haushalt
Das Gesetz zu den Zugeständnissen Macrons an die „Gelbwesten“ sollte am Freitag nach der Pariser Nationalversammlung auch den Senat passieren. Es sieht unter anderem rund 100 Euro monatlich mehr für Mindestlohn-Bezieher vor und Entlastungen für Rentner. Außerdem wird die Ökosteuer auf Kraftstoffe nicht wie ursprünglich geplant erhöht.
Die Regierung beziffert die Kosten für die Staatskasse auf insgesamt rund zehn Milliarden Euro. Deshalb wird der französische Haushalt im kommenden Jahr voraussichtlich auf 3,2 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, die EU erlaubt maximal aber nur drei Prozent.
Der französische EU-Wirtschaftskommissar Moscovici betonte, die Haushaltszahlen seines Landes seien „akzeptabel“. Er berief sich gegenüber dem TV-Sender Public Sénat erneut darauf, dass der Stabilitätspakt der EU eine „zeitweilige“ Überschreitung der Drei-Prozent-Grenze für ein Jahr erlaube.
Oettinger plädierte hingegen dafür, gegen Paris ebenso entschlossen vorzugehen wie gegen Rom. Die EU-Kommission hatte Italien mit der Drohung eines Defizitverfahrens zuvor zur Anpassung seiner umstrittenen Haushaltspläne bewegt.
Grüne werfen Oettinger „Effekthascherei“ vor
Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold warf Oettinger „Effekthascherei“ vor. „Die Voraussetzungen für ein Defizitverfahren liegen noch nicht vor“, betonte er mit Verweis auf die laufenden Gespräche zwischen Brüssel und Paris.
Oettinger wirft Frankreich zudem vor, genauso wenig für den Abbau der Staatsschulden zu tun wie Italien. Beide Länder hätten „die historisch niedrigen Zinsen nicht genutzt, um Schulden real abzubauen“, betonte der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Laut dem französischen Statistikamt Insee stieg der Schuldenstand des Landes Ende September auf fast 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – in Italien liegt er bei mehr als 130 Prozent, das ist der zweithöchste Stand in der EU nach Griechenland. (afp)
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