Berlin besorgt über Flüchtlingsstrom in Griechenland – Gauland will Grenzschließung für Migranten aus Drittstaaten
Athen/Berlin/Ankara (dpa) – Die Lage in der Ägäis wird immer bedrohlicher. Hunderte Migranten setzen täglich aus der Türkei zu den griechischen Inseln über.
Die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Martina Fietz, sagte am Freitag in Berlin: „Wir beobachten die Entwicklung mit Sorge.“ Humanitäre Organisationen prangern an, die EU lasse bewusst Tausende Migranten unter miserablen Zuständen in den Registriercamps ausharren. Und aus der Türkei kommen Drohungen.
Im August setzten nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR 8103 Menschen aus der Türkei zu den griechischen Ägäis-Inseln über. Im August 2018 waren nur knapp 3200 gekommen. Die Registrierlager auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos sind restlos überfüllt.
Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay bekräftigte indessen die Drohung des türkischen Präsidenten vom Vortag, wonach man unter Umständen „gezwungen“ sein werde, den Flüchtlingen im Land Richtung Europa „die Türen zu öffnen“. „Die gestrige Aussage unseres Präsidenten ist weder eine Drohung noch ein Bluff. Es ist eine Tatsache“, sagte Oktay der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge am Rand eines hochrangig besetzten Vortragsforums in Italien am Freitag. Die Türkei werde nicht die Rechnung zahlen für Krisen, die andere Länder kreierten. Erdogan hatte mehr Unterstützung für die Flüchtlinge in der Türkei verlangt.
Gauland fordert Grenzschließung für Migranten
Die Türkei hat seit Beginn des Krieges im Nachbarland Syrien 2011 rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, mehr als jedes andere Land der Welt.
Deutschland dürfe sich in der Flüchtlingsfrage nicht von Präsident Recep Tayyip Erdogan abhängig machen, forderte der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland. Verlässlicher seien ein effektiver Schutz der EU-Außengrenzen sowie eine Schließung der deutschen Grenzen für „Asylbewerber aus sicheren Drittstaaten“. Eine Situation wie 2015 dürfe nicht noch einmal entstehen.
Nach Ansicht der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen werden die Geflüchteten auf den griechischen Inseln von der Europäischen Union und Griechenland bewusst im Stich gelassen. „Dies ist eine politikgemachte Krise“, sagte Tommaso Santo, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Griechenland, am Freitag. Die griechischen und europäischen Behörden sperrten Asylsuchende – darunter zahlreiche Minderjährige – seit mehr als drei Jahren unter unerträglichen Bedingungen auf den griechischen Inseln ein, hieß es. Einige Kinder hätten versucht, sich das Leben zu nehmen.
In den für 6338 Menschen ausgelegten Registrierlagern auf den Inseln im Osten der Ägäis harren zurzeit nach Angaben des griechischen Ministeriums für Bürgerschutz 20 594 Migranten aus. Rund 3500 sind in kleineren Camps oder in Wohnungen untergebracht. Der Chef der Vertretung des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) in Athen, Philippe Leclerc, sagte am Freitag der halbamtlichen griechischen Nachrichtenagentur ANA-MPA, dass insgesamt 7000 Migranten sofort aus den Inseln zum Festland gebracht werden könnten, weil sie als Schutzbedürftige gelten. Das Problem bestehe darin, dass auch die Lager auf dem Festland überfüllt seien, hieß es.
Asylverfahren in Griechenland schleppend
Das sogenannte EU-Türkei-Abkommen sieht vor, dass die EU alle Migranten, die illegal auf die griechischen Inseln übersetzen und die in Griechenland kein Asyl bekommen, in die Türkei zurückschicken darf. Im Gegenzug nimmt die EU für jeden in die Türkei zurückgeschickten Syrer einen anderen Syrer, der sich in der Türkei aufhält, legal auf.
Die Asylverfahren in Griechenland kommen wegen Personalmangels nur mühsam voran. Als das Abkommen zwischen der EU und der Türkei im März 2016 in Kraft getreten war, lebten in den Lagern nur etwa 5800 Menschen. Die neue konservative griechische Regierung, die seit Juli im Amt ist, hatte bereits angekündigt, die Asylverfahren zu beschleunigen. Wer kein Asyl bekommt, soll sofort in die Türkei zurückgeschickt werden. Für die Bearbeitung der Asylanträge soll es mehr Personal geben.
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