Italiens Presse kritisiert nach EU-Gipfel das „hässliche Europa“
"Conte hat einem toten Europa gesagt, es soll sich verpissen", titelte die Zeitung "Fatto Quotidiano" am Freitag.

Europaflagge
Foto: über dts Nachrichtenagentur
Die gescheiterte Einigung des EU-Gipfels zur Corona-Krise auf Hilfszusagen für finanziell schwächere Länder hat in Italien massive Kritik ausgelöst. Die normalerweise pro-europäische Zeitung „La Repubblica“ sprach am Freitag auf ihrer Titelseite von einem „hässlichen Europa“. „Wenn sich die EU nicht einigen kann, ist das europäische Projekt am Ende“, warnte der „Corriere della Sera“.
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich am Donnerstag bei einer Video-Konferenz nicht auf Schritte zur Unterstützung weniger finanzkräftiger Länder im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise einigen können. Sie beauftragten lediglich die Euro-Finanzminister, binnen zwei Wochen Vorschläge vorzulegen. Italiens Regierungschef Giuseppe Conte hatte in den Beratungen zwischenzeitlich mit einem Veto gedroht.
„Conte hat einem toten Europa gesagt, es soll sich verpissen“, titelte die Zeitung „Fatto Quotidiano“ am Freitag. Die Finanzzeitung „Il Sole-24Ore“ sah die EU „an einem Wendepunkt“. Sie zitierte einen Diplomaten mit Blick auf die hohen Opferzahlen der Epidemie in Italien mit den Worten: „Wenn man Tote zählt, zählt man nicht die Milliarden.“
„Wir erwarten von den europäischen Partnern Loyalität“
Italien ist mit 8200 Toten nicht nur das am schwersten durch das Coronavirus getroffene Land, es hat auch nach Griechenland den zweithöchsten Schuldenberg und damit wenig Spielraum, gegen die Folgen der Krise anzukämpfen. Das Land hatte deshalb zusammen mit acht weiteren EU-Staaten die Ausgabe von gemeinsamen „Corona-Bonds“ gefordert. Deutschland und die Niederlande lehnen dies aber als Vergemeinschaftung von Schulden ab.
„Wir erwarten von den europäischen Partnern Loyalität“, schrieb Außenminister Luigi Di Maio auf seiner Facebook-Seite.“Wir erwarten, dass Europa seinen Teil dazu beiträgt, denn wir wissen nicht, was wir mit schönen Worten anfangen sollen.“
Der ehemalige EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani sprach von einem „feigen Europa“. Wenn dies so bleibe, werde die EU „durch das Coronavirus hinweggefegt“. Egoismus und das Pochen auf Haushaltsdisziplin sei angesichts der Toten und des massiven Konjunktureinbruchs „kurzsichtig und gefährlich für alle.“ (afp)
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