Großbritannien lehnt Shutdown ab
Anders als in den meisten kontinentaleuropäischen Staaten will Großbritannien die Ausbreitung des Coronavirus nicht durch eine weitgehende Stilllegung des sozialen Lebens bremsen (Stand 15. März). Stattdessen will die Downing Street mithilfe bei einer kritischen Masse von Bürgern Immunität herbeiführen, die in weiterer Folge verhindern könne, dass neuerliche Wellen Platz greifen. Auf diese Weise soll sich auch der Schaden für die Wirtschaft des Landes minimieren.
„Briten zu retten, ist die Priorität“, schreibt die „Sun“ in Anbetracht der Pandemie-Krise, die auch die Insel erfasst hat. „Aber es ist auch dringlich, die Geschäftswelt vor dem Coronavirus zu retten.“
Großbritannien will Wirtschaftskrise vermeiden
Eines der prominentesten Unternehmen, das derzeit Alarm schlägt, ist British Airways. Die Fluggesellschaft sei von Buchungsrückgängen infolge von stornierten Ferien, Veranstaltungen, Sportereignissen, Konferenzen und Geschäftsterminen so stark betroffen, dass der Effekt jenen von 9/11, SARS oder der Finanzkrise 2008 übertrifft, verrät CEO Alex Cruz dem Blatt. Die Folge ist, dass Entlassungen unter den derzeit 45 000 Beschäftigten wahrscheinlich seien.
Dies sei jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Auch hunderttausende weiterer Unternehmen, die unter normalen Umständen florieren würden, seien einem existenziellen Risiko ausgesetzt. Die Bandbreite reiche von Hotels über Gaststätten bis hin zu Kinos und Einzelhandelsgeschäften. Ihnen soll mit einem Hilfspaket geholfen werden, für das Finanzminister Rishi Sunak sieben der 12 Milliarden Pfund Sterling (13,2 Milliarden Euro) vorgesehen hat, die für die Eindämmung des Virus vorgesehen sind.
Auch wenn es keine annähernd so weitreichenden Eindämmungsmaßnahmen gibt wie mittlerweile in fast allen EU-Staaten, zeigen sich in Großbritannien zahlreiche ähnliche Phänomene. So neigen viele Bürger zu Hamsterkäufen – mit der Folge, dass es zu Engpässen bei der Bestückung von Regalen in Supermärkten kommt.
Mindestens 60 Prozent müssten mit Coronavirus in Kontakt kommen
Darüber hinaus herrscht allerdings Business as usual. Schulen, Kneipen, U-Bahnen, Parks oder Sportstadien bleiben offen, Konzerte finden ebenso statt wie Marathonläufe. Immerhin gibt es mittlerweile Empfehlungen von Premierminister Boris Johnson, freiwillig soziale Kontakte herunterzufahren und wenn möglich von zu Hause aus zu arbeiten. Das Gebot, sich für mindestens eine Woche in die eigenen vier Wände zurückzuziehen, gilt jedoch vor allem für Personen, die mögliche Symptome an sich bemerken. Groß angelegte Tests gibt es jedoch nicht.
Wie die „Süddeutsche“ berichtet, sei dies auch bewusst so ausgestaltet. Die Regierung will im Einklang mit dem Konzept des obersten medizinischen Beraters der Regierung, Chris Whitty, Ansteckungen nicht verhindern, sondern eine flächendeckende Immunisierung erreichen. Der wissenschaftliche Experte im Dienste des Kabinetts, Patrick Vallance, weist darauf hin, dass die Gefahr einer Übertragung in dem Maße sinke, wie der Grad der Immunisierung nach erfolgter Infektion steige. Würden mindestens 60 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus infiziert gewesen und wieder genesen sein, wäre das Risiko einer neuerlichen Welle im Winter geringer.
Risikogruppen seien von der Strategie natürlich ausgenommen. Ältere Personen und solche mit angeschlagenem Immunsystem seien zur konsequenten Selbstisolation aufgerufen, die sie über mehrere Wochen aufrechterhalten sollten. Auch soll ein baldiges Verbot von Versammlungen mit mehr als 500 Teilnehmern geplant sein. Johnson will nun täglich im Rahmen einer Pressekonferenz über den Stand der Dinge informieren.
„Praktikabilität der Herdenimmunitäts-Theorie nicht bewiesen“
Großbritannien weist nach Angaben des RKI derzeit 1144 Infizierte auf, Worldometer spricht von 1436 aktiven. Von den abgeschlossenen Fällen endeten 52 mit einer Genesung und 55 tödlich. Von den aktiven Fällen befänden sich jedoch nur 20 in einem kritischen Zustand. Seit Sonntag (15.3.) ist die Zahl der Neuinfektionen deutlich rückläufig.
Dennoch schlagen Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Alarm und werfen der britischen Regierung vor, diese stelle „mathematische Modelle über die Sicherheit der Menschen“. Wissenschaftler warnen zudem in offenen Briefen, die Praktikabilität der Herdenimmunitäts-Theorie sei nicht bewiesen und könne, da nicht alle gefährdeten Personen geschützt werden könnten, „schlimmstenfalls zu Todeszahlen führen, welche die Toten im Zweiten Weltkrieg übersteigen“.
Die bisherige Entwicklung stützt diese Befürchtungen nicht. Zudem hat auch die WHO selbst zu Beginn der Krise Anlass zu Vorwürfen geliefert, man habe im Umgang mit dem Coronavirus mangelhaftes Urteilsvermögen gezeigt.
Diese Vorwürfe beziehen sich unter anderem darauf, dass die Organisation den Angaben des Regimes in Peking weitgehend unreflektiert Glauben geschenkt hatte – während Warnungen wie jene aus Taiwan nicht einmal zur Kenntnis genommen wurden. Immerhin darf der freie Teil Chinas ja nicht einmal Mitglied in der WHO werden.
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